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Im Dunkeln lauert die Angst. Eva Breunig
Читать онлайн.Название Im Dunkeln lauert die Angst
Год выпуска 0
isbn 9783775171946
Автор произведения Eva Breunig
Издательство Bookwire
Leider.
Also heißt das jetzt, ich hab die Wahl: entweder geliebt, aber abhängig und verletzlich – oder unabhängig, verletzungsfrei, aber allein?
Super. Das sind ja schöne Aussichten!
Hätt’ ich bloß nie gefragt …
Miriam las noch einmal durch, was sie geschrieben hatte, und seufzte. Bemuttern, Klammern und Besitzdenken – Verantwortung – Abhängigkeit, Verletzlichkeit – Nähe und Distanz … Die Sache mit der Liebe war offenbar wesentlich komplizierter, als sie gedacht hatte! Als Kind hatte sie sich das so vorgestellt: sehen, küssen, glücklich leben bis ans selige Ende. Ganz einfach. In den Märchen funktionierte das immer so! Nur dass die Märchen immer nach dem ersten Kuss und der Hochzeit (was praktisch dasselbe war) endeten … Von der langen und schwierigen Zeit, die auf den ersten Kuss folgte, war da nie die Rede!
Nach den Weihnachtsferien war es mit Sebastian immer komplizierter geworden. Zwar himmelte er sie mit großen Worten an und versicherte ihr, wie sehr er sie liebte, gleichzeitig aber schien er immer mehr Freiräume zu brauchen – und immer weniger gemeinsame Zeit mit ihr. Am Anfang ihrer Beziehung hatten sie nächtelang geredet, über Gott und die Welt philosophiert und einander ihre tiefsten Gedanken erzählt. Jetzt hingegen schien Miriam gar nicht mehr zu ihm durchzudringen. Er verschloss sich, wurde unnahbar. Und schien sich auch umgekehrt nicht mehr dafür zu interessieren, was in Miriam vorging, was sie bewegte und wie sie sich fühlte. Er bewunderte sie von Ferne – aber Miriam wollte nicht bewundert und angehimmelt werden wie ein Gemälde oder eine Statue. Sie war doch ein lebendiger Mensch, mit Gedanken und Gefühlen!
Schließlich fühlte sie sich bei dieser Art, einseitig geliebt zu werden, derartig unwohl, dass sie Schluss machte – obwohl ihr dabei das Herz brach.
Ob das Nachbarsmädchen Bettina etwas damit zu tun hatte, dass sie sich so auseinandergelebt hatten, oder ob Sebastian bloß seine Pubertät nachholte und auf Egotrip ging, das wusste sie nicht. Sie wusste überhaupt nichts mehr. Manchmal fragte sie sich, ob sie ihn eigentlich jemals richtig gekannt hatte!
Es tat weh.
Es verletzte.
Aber offenbar konnte man sich vor derartigen Verletzungen nur schützen, indem man sich auch vor der Liebe verschloss. Und das wollte Miriam nun auch wieder nicht.
Noch nicht.
12
Daria kratzte sich nachdenklich an der Nase. Da hatte Leni ihr einen schönen Floh ins Ohr gesetzt! Stimmte es, dass er sie im Miracle Forest beobachtete? Vielleicht sogar schon seit längerer Zeit? War er womöglich gar Eldina, Mithras’ Gefährtin? Daria überlegte. Eldina hatte sich Mithras ungefragt angeschlossen, so viel stand fest. Sie war immer wieder »zufällig« dort aufgetaucht, wo Mithras gerade nach Abenteuern suchte. Irgendwann war ihre Anwesenheit fast selbstverständlich geworden. Mehr als einmal hatte sie Mithras das virtuelle Leben gerettet, ihn mit hilfreichen Tipps, wertvollen Informationen und notfalls auch Geld versorgt. Und – Daria zuckte innerlich zusammen, als ihr das einfiel – sie hatte Mithras schon mehrmals nach seiner »Real Life«-Existenz gefragt! »Bist du im RL ein Mann oder eine Frau?«, hatte Eldina wissen wollen. »Was machst du? Studierst du? Warum spielst du so oft Miracle Forest?« Und so weiter. Daria hatte die meisten Fragen wahrheitsgemäß beantwortet, sich nichts dabei gedacht. Schließlich hatte sie nichts zu verbergen, oder? Aber jetzt, wo sie die Möglichkeit erkannte, dass ihr eigener Freund sie heimlich ausspionierte, war ihr das irgendwie unangenehm.
»Eldina …«, murmelte Daria vor sich hin. »Alle Buchstaben von ›Leni‹ sind in ›Eldina‹ enthalten. ›Eldina‹ ist ein Anagramm von ›Leni da‹ …?«
Nein – das sah ihrem Leni nicht ähnlich, mit subtilen Wortspielen versteckte Hinweise zu legen. Er war ein geradeaus gestrickter Naturwissenschaftler, kein Sprachwissenschaftler. Auch kein Geheimagent oder Anhänger von Verschwörungstheorien. Sicher war diese Buchstabengleichheit ein Zufall!
Daria betrachtete Eldina, die unschlüssig in der Dämmerung im Sumpf auf ihrem Bildschirm herumstand und anscheinend darauf wartete, dass Mithras irgendwas tat. Eldina war ein Leprechaun, also ein Kobold, der aus der irischen Feenwelt stammte: klein, rothaarig, sommersprossig, mit einem grasgrünen Wams und ebensolchen Hosen bekleidet. Nur ihr Umhang war rot (und biss sich farblich mit ihren Haaren), denn die Umhangfarbe zeigte das jeweilige Level des Spielers an. Würde Leni sich ausgerechnet einen Leprechaun als Spielfigur aussuchen? Einen irischen Kobold? Da musste Daria eher an Kieran denken, der nicht nur auch im »Real Life« rothaarig war, sondern außerdem eine irische oder schottische Mutter hatte.
Aber dass Kieran sie bespitzelte, das erschien ihr doch äußerst unwahrscheinlich. Warum sollte er? Außerdem war er ein frommer Junge, er würde so was nicht machen. Daria seufzte. Dieses Grübeln verdarb ihr fast schon den Spaß am Spiel!
Über Eldinas Kopf erschien eine Sprechblase. »Was ist? Willst du hier mitten im Sumpf stehen bleiben? Es wird bald dunkel!«
Von Ferne war ein Geheul wie von Wölfen zu hören.
»Du hast recht. Gehen wir!« Mithras setzte vorsichtig einen Fuß auf das nächste Grasbüschel. Fester Boden. Er verlagerte sein Gewicht und zog den zweiten Fuß nach.
»Lass mich vorangehen«, schlug Eldina vor. »Ich bin leichter!«
Mithras ließ sie vor. Eine Zeit lang wanderten sie schweigend durch die nebelige Sumpflandschaft. Schließlich fasste Daria sich ein Herz.
»Sag mal, was machst du eigentlich so im RL?«, fragte Mithras.
Es dauerte ein paar Sekunden, ehe Eldina antwortete. »Studieren.«
»Und was?«
Eldina zögerte. »Englisch und Geschichte, Lehramt«, kam dann.
»Bist du ein Mädchen?«, wagte Mithras-Daria sich weiter vor.
»Natürlich! Sieht man doch!« Eldina schüttelte ihre roten Leprechaun-Locken.
»Ich meine, im RL.«
»Ja, auch, klar.«
Das kann wahr sein oder von vorn bis hinten erfunden. Ich habe nicht den Hauch einer Möglichkeit, das rauszufinden!
»Warum spielst du so oft Miracle Forest?«, fragte Mithras, um mehr über seine Mitspielerin (falls es wirklich eine »sie« war) zu erfahren.
»Macht Spaß!«
»Ich meine: Was treibt dich an? Lust auf Abenteuer? Willst du neue Gebiete erforschen? Möglichst viele Fähigkeiten erwerben? Das höchste Level erreichen? Was ist deine Motivation?«
»Rache.« Diesmal kam die Antwort schnell.
Rache? Die spielt aus Rache ein Computerspiel???
»Rache wofür?«
Diesmal dauerte es ein bisschen mit der Antwort.
»Meine Schwester Ruala wurde von heimtückischen Halblingen oder Gnomen angegriffen, obwohl sie wehrlos war, und schwer verletzt. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, die Übeltäter zu finden und ihnen Gleiches mit Gleichem zu vergelten!«
Mensch, wie sehr kann man sich eigentlich in so ein Spiel reinsteigern? Ob die Person, die hinter »Eldina« steckt, die Grenze zwischen Realität und Spiel wohl noch erkennt?!
»Ich meinte eigentlich im RL!«, präzisierte Mithras-Daria. »Was motiviert dich, gerade dieses Spiel zu spielen?«
Eldina zögerte. »Spaß – Entspannung – Neugier«, sagte sie schließlich. »Und du? Warum spielst du?«
»Weißt du doch! Erstens weil ich eine Seminararbeit darüber schreibe, und zweitens als Ideenbringer für Pfadi-Geländespiele.«