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Genehmigung der Polizei dafür –, und darüber hing ein Kupferkessel an einem Dreibein. Auf der Wiese lag eine dünne Schneekruste, die den Feuerschein schwach reflektierte und huschende, tanzende Lichteffekte schuf. Die Schwestern hatten ihre Haare wild toupiert und farbig angesprüht – Daria grün, Miriam pink. Dazu trugen sie altmodische Hüte, zerlumpte Kleiderschürzen und Bergschuhe. Von Miriams Hut baumelte eine riesige Gummispinne, Daria trug eine Stofffledermaus auf der Schulter. Beide waren mit falschen Warzen und Falten geschminkt, und einige Zähne waren geschwärzt, sodass sie wie Zahnlücken aussahen. Die Zwillinge waren für ihre Liebe zum Detail berühmt.

      Als die Gruppe eintraf, rührte Daria mit einem Besenstiel im Kessel herum, während Miriam ein Rezept aus Pergament hielt, durch eine dicke Brille hindurch die Zutaten ablas und allerlei Ingredienzien in den Topf warf.

      »Schau mal, Drusilla – Menschlein!«, kicherte Miriam mit greisenhaft verstellter Stimme. »Gehören denn welche in unseren Trank?«

      »Aber Gunilla, wir kochen doch keine Kinder!«, krächzte Daria zurück. »Wir sind Vege-Vere-Veteranen!«

      »Veterinäre, meinst du? Die, die kein Fleisch essen?«

      »Vegetierer«, versuchte Drusilla-Daria es noch einmal.

      »Vegetarier?«, half Antonia aus.

      »Genau! Vegetarier!«, jubelten die beiden Apothekerinnen und tanzten um den Kessel.

      »Aber – wenn wir euch nicht kochen sollen, was wollt ihr dann hier?«, fragte Gunilla-Miriam schließlich.

      »Wir hätten gern etwas Knoblauchschokolade«, bat Emil artig und schoss ein Handyfoto von der Feuerstelle mit dem Kessel und den zwei verkleideten Gestalten.

      »Ah-hahaha! Hihihi!«, kicherten die beiden schaurig und ließen ihre grauenvoll entstellten Gebisse sehen. »Habt ihr Gold?«

      Die Kinder sahen einander an und zuckten ratlos die Schultern. Gold hatten sie nicht. Hatten sie womöglich eine Station ausgelassen?

      »Ha!«, kreischten die Apothekerinnen. »Die haben kein Gold! Kommen mit leeren Taschen, ha! Ja, glaubt ihr denn, wir verschenken unsere Süßigkeiten?« Daria beugte sich bedrohlich vor und kam mit ihrem Gesicht so nah an das von Emil heran, dass der Junge ein paar Schritte zurückstolperte.

      »Kommt wieder, wenn ihr Gold habt!«, beschied ihnen Miriam.

      »Oder Edelsteine!«, fügte Daria hinzu.

      Die Kinder standen unschlüssig da und wussten nicht, wo sie jetzt hingehen sollten.

      »Aaah – das sind starke Kinder, die können auch arbeiten«, fand Miriam plötzlich.

      »Oh ja, arbeiten, oh ja!«, echote Daria.

      »Ihr könnt ein bisschen Holz hacken«, schlug Miriam vor und deutete auf einen Hackstock, in dem ein Beil steckte. Daneben lag ein Stapel Holzklötze und ein zweiter Stapel mit bereits kleingehacktem Holz. Offenbar waren schon andere Patrouillen vor ihnen hier gewesen.

      Lukas war der Erste. Breitbeinig stellte er sich vor den Hackstock und ergriff das Beil mit beiden Händen.

      »So ist’s gut!«, lobte Gunilla-Miriam. »Beine breit, damit du dir nicht ins Schienbein hackst, falls du abrutschst. Und das Holz niemals mit der Hand festhalten! Steht eh von allein.« Sie stellte ihm ein Holzstück hin. Lukas holte aus und spaltete den Klotz mit einem Schlag.

      »Bravo! Starker Bursche! Kriegt vielleicht Schoki!«, jubelte Miriam.

      Auch die anderen Kinder versuchten ihr Glück. Sandra schlug nicht fest genug zu; das Beil blieb im Holz stecken und musste mit einem Hammer tiefer hineingetrieben werden. Davids Holzstück sprang davon und das Beil schwang zwischen seine Beine. Gut, dass er sie so breit aufgestellt hatte! Als alle dran gewesen waren, schienen die Köchinnen zufrieden.

      »Hier, lecker Knobi!«, krächzte Daria und überreichte Lukas eine Tafel Schokolade. Die Aufschrift auf dem Umschlag war mit dem Bild einer Knoblauchknolle überklebt worden. Daneben stand in altmodischer Schrift »Gunillas und Drusillas feine Knoblauchschokolade – mit ganzen Knoblauchstückchen, zartschmelzend«.

      »Aber nicht selber essen!«, warnte Drusilla-Daria. »Die Wirkung auf Menschen wurde nie erforscht!«

      »Wahrscheinlich muss man kotzen«, flüsterte Emil in Millis Ohr und grinste.

      »Frechheit! Du beleidigst unsere weltberühmte Spezialität?!«, kreischte Miriam durchdringend. »Gib sie sofort wieder her!«

      »Oh – nein, ich meinte, sie ist sicher super lecker!«, verbesserte sich Emil hastig.

      »Köstlich! Deliziös! Sensationell!«, tadelte Daria.

      »Ja, genau«, stimmte Antonia eilfertig zu. »Einzigartig!«

      Das besänftigte die Apothekerinnen, und sie begannen wieder zu kochen.

      »Äh – wo müssen wir denn jetzt hin?«, fragte Sandra.

      »Folgt den Lichtern!«, sangen die beiden.

      Milli deutete auf die nahe gelegenen Büsche. Dort leuchtete ein schwaches Licht in kurzen Abständen auf – dreimal kurz, dreimal lang, dreimal kurz.

      »SOS«, übersetzte Milli. »Das internationale Notsignal! Das ist wohl das Licht, dem wir folgen sollen!«

      5

      Als die Kinder in Richtung der Lichtsignale davongezogen waren, sah Daria auf die Uhr. »Noch zwei Gruppen. Wir liegen gut in der Zeit!«

      »Ja, es klappt alles gut!« Miriam holte ihr Handy aus den vielschichtigen Röcken, die sie übereinander trug, und schrieb eine SMS an Kathi, die die erste Station – die »weise alte Zigeunerin« – innehatte: »Schon alle Gruppen durch bei dir?«

      Wenig später kam die Botschaft zurück: »Grad war die letzte da. Ich geh jetzt in euren Keller und werde zu Catzerina.«

      Der Keller von Darias und Miriams Großeltern war schon Schauplatz vieler Geländespiele gewesen. Das Haus, in dem die Familie wohnte, lag mitten in der Wiener Innenstadt hinter einer barocken Kirche, und der Keller führte mehrere Stockwerke in die Tiefe. Mächtige alte Gewölbe grenzten an verwinkelte Kammern; die Treppen waren steil und hatten schiefe, verschieden hohe Stufen. Dazu roch es nach Moder. Die Location war wie geschaffen für ein Spiel wie dieses!

      »Wer spielt eigentlich den Bräutigam?«, erkundigte sich Daria.

      »Kieran. Der hat die zweite Station, da müssten auch demnächst alle durch sein. Dann hat er Zeit, sich umzuziehen. Ein Wolf ist er eh schon, er muss nur das rosa T-Shirt anziehen, auf dem ›I ♥ Catzerina‹ steht.«

      »Hoffentlich ist es groß genug, dass er es über den Mantel kriegt!«

      »Es ist XXL, das sollte doch reichen«, bemerkte Miriam. »Sooo fett ist Kieran ja nun wirklich nicht, selbst mit Mantel!«

      »Glaubst du, die Kinder checken, worum es eigentlich geht?«, fragte Daria besorgt.

      »Natürlich!«, beruhigte ihre Schwester sie. »Wir haben beim letzten Pfadfinderheimabend über Integration von Minderheiten und über den Umgang mit Migranten geredet. Und dass die Verschiedenartigkeit keine Bedrohung sein muss, sondern eine Bereicherung darstellen kann, wenn man bereit ist, vorurteilslos aufeinander zuzugehen und so weiter. Die Kinder müssten echt begriffsstutzig sein, wenn sie den Zusammenhang nicht kapieren!«

      Daria nickte zustimmend. »Wenn ich so drüber nachdenke, ist unser Spiel gar nicht übel! Die Schwerpunkte ›Abenteuer‹, ›weltweite Verbundenheit‹ und ›Gemeinschaft‹ haben wir damit jedenfalls abgearbeitet!«

      »Hach, was sind wir doch für coole Vorzeige-Pfadis!« Miriam rollte die Augen und bleckte ihr fürchterliches

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