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muß sein, liebe Gräfin, ich habe Sartines wegen einer wichtigen Arbeit beschieden.«

      »Wie Sie wollen, Sire; doch ich hoffe, Sie werden wenigstens zu Nacht speisen?«

      »Oh! ja, ich werde vielleicht zu Nacht speisen  . . . ja, ich habe ziemlich Hunger, ich werde zu Nacht speisen.«

      »Laß auftragen, Chon,« sagte die Gräfin zu ihrer Schwester, indem sie ihr ein besonderes Zeichen machte, das ohne Zweifel auf eine zum Voraus getroffene Uebereinkunft Bezug hatte.

      Chon entfernte sich.

      Der König hatte das Zeichen in einem Spiegel gesehen, und obgleich er es nicht begreifen konnte, vermuthete er doch eine Falle.

      »Doch nein, nein,« rief er; »es ist mir unmöglich, zu Nacht zu speisen  . . . ich muß auf der Stelle aufbrechen. Ich habe die Unterschriften; es ist heute Sonnabend.«

      »Gut, es sei, ich will vorfahren lassen.«

      »Ja, liebe Schöne.«

      »Chon!«

      Chon trat wieder ein.

      »Die Pferde des Königs!« sagte die Gräfin.

      »Gut,« versetzte Chon mit einem Lächeln. Und sie entfernte sich abermals. Einen Augenblick nachher hörte man ihre Stimme im Vorzimmer rufen:

      »Die Pferde des Königs!«

       XXXIII.

      Der König belustigt sich

      Entzückt über seinen Autoritätsstreich, der die Gräfin dafür bestrafte, daß sie ihn hatte warten lassen, und ihn zugleich von der Unannehmlichkeit der Vorstellung befreite, ging der König auf die Thüre des Salon zu.

      Chon kehrte zurück.

      »Nun! sehen Sie meine Bedienung?«

      »Nein, Sire, es ist Niemand von Eurer Majestät in den Vorzimmern.«

      Der König ging ebenfalls an die Thüre und rief:

      »Meine Bedienung!«

      Niemand antwortete: es war, als hätte das stumme Schloß nicht einmal ein Echo.

      »Wer Teufels sollte glauben,« sprach der König in das Zimmer zurückkehrend, »wer sollte glauben, ich sei der Enkel von demjenigen, welcher einst sagte: ‚Ich habe warten müsset!’ «

      Und er ging auf das Fenster zu und öffnete es.

      Doch die Esplanade war ebenso leer als die Vorzimmer: man sah weder Pferde, noch Piqueurs, noch Wachen. Die Nacht allein bot sich den Augen und der Seele in ihrer ganzen Ruhe und in ihrer ganzen Majestät, erleuchtet von einem bewundernswürdigen Monde, der zitternd wie bewegte Wellen die Gipfel der Bäume des Waldes von Chateou zeigte und Millionen von leuchtenden Flittern der Seine entriß, dieser riesigen, trägen Schlange, deren Windungen man von Bougival bis Maisons, das heißt auf fünf bis sechs Stunden, verfolgen konnte.

      Inmitten von Allem dem improvisirte eine Nachtigall einen von den wunderbaren Gesängen, wie man sie nur im Monat Mai hört, als könnten ihre freudigen Noten eine ihrer würdige Natur einzig und allein während dieser ersten Frühlingstage finden, welche man, wenn sie kaum gekommen sind, entfliehen fühlt.

      Diese ganze Harmonie ging verloren für Ludwig XV., der sehr wenig Träumer, wenig Dichter, wenig Künstler, aber sehr materiell war.

      »Hören Sie, Gräfin,« sagte er ärgerlich, »ich bitte, befehlen Sie. Was Teufels! dieser Scherz muß einmal ein Ende haben.«

      »Sire,« erwiederte die Gräfin mit dem reizenden Schmollen, das ihr beinahe immer gelang, »ich habe hier nicht zu befehlen.«

      »In jedem Fall ich auch nicht,« versetzt Ludwig XV., »denn sehen Sie, wie man mir gehorcht!«

      »Ebenso wenig Sie, als ich, Sire.«

      »Wer denn? Sie etwa, Chon?«

      »Ich,« erwiederte die junge Frau, welche auf der andern Seite des Zimmers auf einem Fauteuil saß und das Gegenstück zu der Gräfin bildete, »ich habe Mühe genug, »zu gehorchen, und will nicht die des Befehlens übernehmen.«

      »Aber wer ist denn Gebieter hier?«

      »Bei Gott! Sire, der Herr Gouverneur.«

      »Herr Zamore?«

      »Ja.«

      »Es ist richtig, man läute irgend Jemand.«

      Die Gräfin streckte mit einer bewundernswürdigen Nachläßigkeit den Arm nach einer seidenen Schnur aus, welche in einer Eichel von Perlen endigte, und läutete.

      Ein Lackei, den man aller Wahrscheinlichkeit nach zum Voraus unterrichtet hatte, fand sich im Vorzimmer und erschien.

      »Der Gouverneur!« sagte der König.

      »Der Gouverneur wacht über dem kostbaren Leben Eurer Majestät,« antwortete ehrfurchtsvoll der Diener.

      »Wo ist er?«

      »Auf der Runde.«

      »Aus der Runde?« wiederholte der König.

      »Mit vier Officieren,« erwiederte der Lackei.

      »Gerade wie Herr Malbrouck!« rief die Gräfin.

      Der König konnte sich eines Lächelns nicht erwehren.

      »Ja, das ist drollig,« sagte er, »doch man kann dessen ungeachtet einspannen.«

      »Sire, der Herr Gouverneur hat die Ställe schließen lassen, aus Furcht, sie konnten irgend einem Bösewicht als Versteck dienen.«

      »Wo sind meine Piqueurs?«

      »In den Gesindestuben, Sire.«

      »Was machen sie?«

      »Sie schlafen.«

      »Wie! sie schlafen?«

      »Auf Befehl.«

      »Ans wessen Befehl?«’

      »Auf Befehl des Gouverneur.«

      »Doch die Thore?« versetzte der König.

      »Was für Thore, Sire?«

      »Die Thore des Schlosses.«

      »Sie sind geschlossen.«

      »Sehr gut. Aber man kann sich die Schlüssel verschaffen?«

      »Sire, die Schlüssel sind an dem Gürtel des Gouverneur.«

      »Das ist ein gutgehaltenes Schloß,« sprach der König. »Teufel, welche Ordnung!«

      Der Lackei entfernte sich, als er sah, daß der König keine Fragen mehr an ihn richtete.

      Auf einem Lehnstuhle ausgestreckt, zerbiß die Gräfin eine schöne Rose, bei der ihre Lippen von Korallen zu sein schienen.

      »Sire,« sagte sie mit dem schmachtenden Lächeln, das nur ihr gehörte, »ich habe Mitleid mit Eurer Majestät, nehmen Sie meinen Arm, und wir wollen nachsuchen. Chon, leuchte.«

      Chon ging voran und bildete die Vorhut, bereit, die Gefahren zu bezeichnen, wenn sich solche bieten sollten.

      Bei der Wendung des ersten Corridor fing ein Wohlgeruch, der den Appetit des ersten Feinschmeckers erregt hätte, an, die Nase des Königs zu kitzeln.

      »Ah! ab!« sagte er stillstehend, »was bedeutet dieser Geruch, Gräfin?«

      »Sire, es ist der des Abendbrods. Ich glaubte, der König würde mir die Ehre erweisen, mit mir in Luciennes zu Nacht zu speisen, und ich richtete mich darnach ein.«

      Ludwig XV. athmete wiederholt den gastronomischen Wohlgeruch ein, während er sich überlegte, daß sein Magen bereits seit einiger Zeit Zeichen seines Daseins von sich gab; daß er, wenn man auch großen Lärmen machte, eine halbe Stunde brauchen wurde, um seine Piqueurs zu wecken, eine Viertelstunde, um die Pferde anspannen zu lassen, und zehn Minuten, um nach Marly zu fahren, und daß er in Marly, wo er nicht erwartet wurde, nur ein en cas finden könnte; er athmete abermals den verführerischen Geruch ein, und blieb mit der Gräfin vor der Thüre des Speisesaals stehen. Скачать книгу