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um Zamore abgehen zu sehen.

      Ein großer Lackei hob ihn auf das Pferd, und in der glücklichen Unbekanntschaft mit der Gefahr, welche besonders der Kindheit angehört, ritt der Negerknabe, auf seinem riesigen Thiere hockend, im Galopp weg.

      Der König, welcher allein geblieben war, fragte einen Bedienten, ob es etwas Neues in Luciennes gebe.

      »Herr Boucher ist hier und malt das große Cabinet der Frau Gräfin,« antwortete der Diener.

      »Ah! Boucher, der gute, arme Boucher, er ist hier?« sagte der König mit einer gewissen Befriedigung, »und wo dies?’

      »Im Cabinet im Pavillon; befiehlt Seine Majestät, daß ich sie zu Herrn Boucher führe?«

      »Nein, entgegnete der König, »nein, ich will lieber die Karpfen besuchen. Geben Sie mir ein Messer.«

      »Ein Messer, Sire?«

      »Ja, und ein großes Brod.«

      Der Diener kehrte bald zurück und brachte auf einer Platte von japanesischem Porzellan ein großes, rundes Brod, in welchem ein langes, schneidendes Messer stak.

      Der König machte dem Diener ein Zeichen, ihn zu begleiten, und wandte sich zufrieden nach dem Teiche.

      Es war eine Familienüberlieferung, den Karpfen zu fressen zu geben. Der große König verfehlte keinen Tag dies zu thun.

      Ludwig XV. setzte sich auf eine Moosbank, von der man eine reizende Aussicht genoß.

      Sie umfaßte zuerst den kleinen See mit seinen von Rasen bedeckten Ufern; jenseits das Dorf zwischen zwei Hügel gestellt, von denen sich der eine senkrecht erhebt, wie der moosige Felsen des Virgil, so daß die strohbedeckten Häuser, die er trägt, Kinderspielzeuge in eine Schachtel voll Farnkraut gepackt zu sein scheinen; ferner die Giebel von Saint-Germain, seine riesigen Treppen und die zahllosen Büschel seiner Terrassen; noch ferner die blauen Bergabhänge von Saunois und Cormeilles; endlich einen Himmel von rosiger und grauer Färbung, der Alles dies einschloß, wie es eine herrliche Kuppel von Kupfer gethan hätte.

      Das Wetter war stürmisch, das Blätterwerk hob sich schwarz von den zartgrünen Wiesen ab; unbeweglich und glatt, wie eine weite Oberfläche von Oel, öffnete sich zuweilen das Wasser plötzlich, wenn ans fernen grünen Tiefen ein Fisch einem silbernen Blitze ähnlich sich emporschwang, um eine Teichfliege zu haschen, welche ihre langen Füße über das Wasser schleppte.

      Dann erweiterten sich große, zitternde Kreise auf der Oberfläche des Sees, und ließen überall hin kleinere schwarze Kreise, vermischt mit weißen Kreisen, spielen.

      Man sah auch an den Ufern die ungeheuren Schnauzen der schweigsamen Fische sich erheben, welche, sicher nie Netz oder Angel zu finden, an dem herabhängenden Klee saugten, und mit ihren großen, starren Augen, welche nicht zu sehen scheinen, die kleinen, grauen Eidechsen und die grünen Frösche, die sich unter den Binsen umhertrieben, betrachteten.

      Nachdem der König als ein Mann, welcher weiß, wie man seine Zeit verliert, die Landschaft in allen Winkeln beschaut, die Häuser des Dorfes und die Dörfer der Perspektiven gezählt hatte, nahm er das Brod von dem nebenstehenden Teller und schnitt große Stücke ab.

      Die Karpfen hörten das Eisen ans der Kruste knarren und kamen, vertraut mit diesem Geräusch, das ihnen ihr Mittagsmahl ankündigte, so nahe als möglich herbei, um sich Seiner Majestät zu zeigen, damit sie ihnen die tägliche Speise zu reichen geruhe. Die Fische thaten dies ebensowohl für den ersten Bedienten, aber der König glaubte natürlich, es geschehe ihm zu Ehren.

      Der König warf eines nach dem andern die Brodstücke in das Wasser; sie tauchten zuerst unter, kamen dann wieder an die Oberfläche, wurden einige Zeit streitig gemacht, zerbröckelten plötzlich, durch das Wasser aufgelöst, und verschwanden in einem Augenblick.

      Sie boten in der That ein ziemlich belustigendes Schauspiel, alle diese Brodkrusten, wie sie, von unsichtbaren Schnauzen fortgestoßen, sich bis zu dem Augenblick, wo sie für immer untersanken, auf dem Wasser umhertrieben.

      Seine Majestät, welche die Geduld gehabt hatte, hundert Stücke Brod abzuschneiden, genoß nach einer halben Stunde die Befriedigung, kein einziges mehr obenauf schwimmen zu sehen.

      Der König langweilte sich nun auch und erinnerte sich, daß ihm Herr Boucher eine secundäre Zerstreuung bieten konnte: diese Zerstreuung war allerdings minder anziehend, als die der Karpfen, doch ans dem Lande nimmt man, was man findet.

      Ludwig XV. wandte sich also, nach dem Pavillon. Boucher war schon benachrichtigt. Während er malte, oder sich stellte, als malte er, folgte er dem König mit den Augen: er sah ihn nach dem Pavillon gehen, richtete ganz freudig seinen Jabot zurecht, zog seine Manchetten vor, und stieg auf seine Leiter, denn man hatte ihm empfohlen, sich das Ansehen zu geben, als wüßte er nicht, daß der König in Luciennes sei. Er hörte den Boden unter den Tritten des Herrn krachen, und begann an einem baußbäcken Amor zu arbeiten, der einer jungen Schäferin, welch’ in ein Leibchen von blauem Atlaß gekleidet war und einen Strohhut auf dem Kopfe trug, eine Rose raubte. Die Hand zitterte ihm, das Herz schlug ihm.

      Ludwig XV. blieb auf der Schwelle stehen.

      »Ah! Herr Boucher,« sagte er, »wie riechen Sie nach Terpentin.«

      Und er ging weiter.

      Der arme Boucher hatte, so wenig der König auch Künstler war, ein anderes Compliment erwartet, und wäre beinahe von seiner Leiter gefallen.

      Er stieg herab und entfernte sich mit Thränen in den Augen, ohne seine Palette abzukratzen und ohne seine Pinsel auszuwaschen, was er sonst jeden Abend zu thun pflegte.

      Seine Majestät zog ihre Uhr. Es war sieben Uhr.

      Ludwig XV. kehrte in das Schloß zurück, neckte den Affen, ließ den Papagei sprechen und nahm aus den Schränken, eine nach der andern, alle die chinesischen Spielereien, die sie enthielten. Es wurde Nacht.

      Seine Majestät liebte die dunkeln Gemächer nicht; man zündete Kerzen an.

      Aber sie liebte die Einsamkeit ebenso wenig.

      »Meine Pferde in einer Viertelstunde,« sprach der König. »Meiner Treue,« fügte er bei, »ich gebe ihr noch eine Viertelstunde, keine Minute mehr.«

      Hienach legte sich Ludwig XV. auf den Sopha dem Kamin gegenüber und machte es sich zur Aufgabe, zu warten, bis die fünfzehn Minuten, das heißt neunhundert Secunden, abgelaufen wären.

      Bei der vierhundertsten Schwingung der Unruhe der Pendeluhr, die einen blauen Elephanten vorstellte, auf dem eine rosenfarbige Sultanin ritt, schlief der König.

      Der Lackei, welcher nun kam, um zu melden, der Wagen sei bereit, hütete sich, wie man denken kann, wohl, den König zu wecken, als er sah, daß er schlief.

      Die Folge dieser Aufmerksamkeit für den erhabenen Schlummer war, daß der König, als er allein aufwachte, sich gegenüber Madame Dubarry erblickte, welche, wie es schien, sehr wenig geschlafen hatte, und ihn mit großen Augen anschaute. Zamore wartete an der Thüre auf den ersten Befehl.

      »Ah! Sie sind hier, Gräfin,« sagte der König, der zwar sitzen blieb, aber eine verticale Stellung nahm.

      »Ja, Sire, ich bin hier, und zwar seit sehr langer Zeit,« antwortete die Gräfin.

      »Oh! das heißt seit langer Zeit . . .«

      »Bei Gott, wenigstens seit einer Stunde. Oh! wie Eure Majestät schläft!«

      »Meiner Treue, hören Sie doch, Gräfin, Sie waren nicht hier, und ich langweilte mich ungemein  . . . dann schlafe ich so schlecht in der Nacht. Wissen Sie, daß ich wegfahren wollte?«

      »Ja, ich habe die Pferde Euerer Majestät angespannt Der König schaute auf die Uhr und rief:

      Oh! es ist schon halb eilf Uhr, ich habe beinahe drei Stunden geschlafen.«

      »Wenigstens so viel, Sire; sagen Sie, man schlafe nicht gut in Luciennes.«

      »Meiner Treue, sehr gut! Doch was Teufels sehe ich hier?« rief der König, als er Zamore erblickte.

      »Sie sehen den Gouverneur von Luciennes, Sire.«

      »Noch

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