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gefährlichste Werk  . . . ich lade es mir auf.«

      »Ihr wißt also, was in Frankreich vorgeht?« sagte der Präsident.

      Der Illuminat lächelte.

      »Ich weiß es, denn ich habe es selbst vorbereitet: ein alter, furchtsamer, verdorbener König, minder alt, minder furchtsam, minder verdorben, minder verzweifelt, als die Monarchie, die er vertritt, sitzt auf dem Throne von Frankreich. Es bleiben ihm kaum noch einige Jahre zu leben. Die Zukunft muß von uns auf eine geeignete Weise für den Tag seines Todes angeordnet sein. Frankreich ist der Schlüssel vom Gewölbe des Gebäudes; die sechs Millionen Hände, die sich auf ein Zeichen des höchsten Kreises erheben, müssen den Stein entwurzeln, und das monarchische Gebäude wird zusammenstürzen, und an dem Tage, wo man erfährt, daß es keinen König mehr in Frankreich gibt, werden die Fürsten Europa’s, welche am frechsten auf dem Throne sitzen, fühlen, wie ihnen ein Schwindel nach der Stirne steigt, und sich von selbst in den Abgrund werfen, den der große Einsturz des Thrones vom heiligen Ludwig bereitet hat.«

      »Verzeiht, ehrenwerther Meister,« unterbrach ihn der Chef, welcher zur Rechten des Präsidenten stand und in dem man an seinem gebirgsdeutschen Accente den Schweizer erkennen konnte; »Euer Verstand hat ohne Zweifel Alles berechnet?«

      »Alles,« antwortete lakonisch der Großkophta.

      »Dennoch wird mich der sehr ehrenwerthe Meister entschuldigen, wenn ich so spreche; auf dem Gipfel unserer Berge, im Grunde unserer Thäler, auf den Ufern unserer Seen sind wir gewohnt, so frei zu reden, als der Hauch des Windes und das Gemurmel des Wassers; ich wiederhole jedoch, ich halte den Augenblick für ungünstig, denn es bereitet sich ein großes Ereigniß vor, dem die französische Monarchie seine Wiedergeburt zu verdanken haben wird. Ich, der ich die Ehre habe, mit Euch zu sprechen, erhabener Großmeister, ich habe eine Tochter von Maria Theresia sich in großem Prunke nach Frankreich wenden sehen, um das Blut von siebzehn Cäsaren mit dem des Nachfolgers von ein und sechzig Königen zu vermischen; und die Völker freuen sich blind, wie sie es immer thun, wenn man ihr Joch etwas nachläßt oder vergoldet. Ich wiederhole also in meinem Namen und in dem meiner Brüder, ich halte den Augenblick für ungünstig.«

      Jeder wandte sich voll Ernst gegen denjenigen, welcher mit so viel Ruhe und Kühnheit der Unzufriedenheit des Großmeisters Trotz bot.

      »Sprich, Bruder,« sagte der Großkophta, ohne daß er bewegt zu sein schien, »Dein Rath wird befolgt werden, wenn er gut ist. Wir Erwählten Gottes stoßen Niemand zurück und opfern nicht das Interesse einer Welt der Regung unserer Eitelkeit.«

      Der Abgeordnete der Schweiz fuhr unter dem tiefsten Stillschweigen fort:

      »Sehr ehrenwerther Großmeister, bei meinen Studien ist es mir gelungen, mich von einer Wahrheit zu überzeugen: davon, daß die Physiognomie der Menschen dem Auge, das darin zu lesen weiß, stets ihre Laster und ihre Tugenden enthüllt. Der Mensch componirt sein Gesicht, er versüßt seinen Blick, er läßt seine Lippen lächeln; alle diese Muskelnbewegungen sind in seiner Gewalt; aber der Haupttypus seines Charakters bleibt hervorspringend ein lesbares und unwidersprechliches Zeugniß von dem, was in seinem Herzen vorgeht. So hat auch der Tiger ein reizendes Lächeln und liebkosende Blicke, doch an seiner niedrigen Stirne, an seinen hervorspringenden Backenknochen, an seinem ungeheuren Hinterhaupte, an seinem blutigen Aufsperren des Rachens erkennt Ihr den Tiger. Der Hund runzelt die Stirne, zeigt die Zähne und geräth in Wuth; aber an seinem sanften, offenen Auge, an seinem gescheiten Gesichte, an seinem folgsamen Wesen erkennt Ihr, daß er dienstfertig und freundschaftlich ist. Gott hat auf das Antlitz jedes Geschöpfes seinen Namen und seine Eigenschaft geschrieben Wohl! ich habe auf der Stirne des Mädchens, das in Frankreich regieren soll, den Muth, den Stolz und die so zarte Menschenfreundlichkeit der deutschen Jungfrauen gelesen; ich habe, auf dem Antlitz des jungen Mannes, der ihr Gemahl werden wird, die ruhige Kaltblütigkeit, die christliche Milde und den gewissenhaften Geist des Beobachters gelesen. Wie sollte aber ein Volk, und besonders das französische Volk, das kein Gedächtniß für das Böse hat und nie das Gute vergißt, denn es genügt ihm an einem Karl dem Großen, an einem heiligen Ludwig und einem Heinrich IV., um zwanzig feige und grausame Könige zu beschirmen, wie sollte ein Volk, das stets hofft und nie verzweifelt, eine junge, schöne und gute Königin und einen sanften, milden und haushälterischen König nicht lieben, nach der unseligen, verschwenderischen Aera von Ludwig XV., nach dessen öffentlichen Orgien und duckmäuserischen Rachehandlungen, nach der Regierung der Pompadour und der Dubarry? Wird Frankreich nicht die Fürstin segnen, welche ein Muster der von mir erwähnten Tugenden sein und als Mitgift den europäischen Frieden bringen wird? Die Dauphine Marie Antoinette kommt über die Grenze, der Altar und das Ehebett werden in Versaille zugerichtet; ist dies der Augenblick für Frankreich und durch Frankreich Euer Reformationswerk zu beginnen? Verzeiht mir, sehr ehrenwerther Herr, aber ich mußte sagen, was ich im Grunde meines Herzens dachte, und was ich Eurer untrüglichen Weisheit zu unterwerfen für meine Pflicht halte.«

      Nach diesen Worten verbeugte sich derjenige, welchen der Unbekannte unter dem Namen des Apostels von Zürich bezeichnet hatte, erntete das schmeichelhafte Gemurmel einstimmiger Billigung und wartete auf die Antwort des Großkophta.

      Sie ließ nicht lange auf sich warten, denn dieser erwiderte bald:

      »Wenn Ihr in den Physiognomien leset, erhabene Brüder, so lese ich in der Zukunft. Maria Antoinette ist stolz; sie wird im Kampfe hartnäckig werden und unter unsern Angriffen untergehen. Der Dauphin Louis Auguste ist gut und mild, er wird im Kampfe schwach werden und wie seine Frau und mit ihr untergehen; nur wird sich jedes von ihnen durch die entgegengesetzte Tugend oder durch den entgegengesetzten Fehler zu Grunde richten. Sie schätzen sich in diesem Augenblick; wir werden ihnen nicht die Zeit gönnen, sich zu lieben, und in einem Jahre verachten sie sich. Warum übrigens sich berathschlagen, meine Brüder, von welcher Seite das Licht komme, da dieses Licht mir geoffenbart ist? da ich vom Orient komme, geleitet wie die Hirten durch das Gestirn, das eine zweite Wiedergeburt verkündigt? Morgen schreite ich zum Werke, und mit Eurer Unterstützung fordre ich zwanzig Jahre von Euch, um unser Werk zu vollbringen; zwanzig Jahre werden genügen, wenn wir vereinigt und stark auf ein Ziel losgehen.«

      »Zwanzig Jahre!« murmelten mehrere Gespenster, »das ist sehr lang.«

      Der Großkophta wandte sich an diese Ungeduldigen und sprach:

      »Ja, gewiß, es ist sehr lang für Jeden, der sich einbildet, man tödte ein Princip, wie man einen Menschen tödtet mit dem Messer von Jacques Clement oder mit dem Federmesser von Damiens, Wahnsinnige!  . . . das Messer des Menschen tödtet allerdings; aber dem wiedererzeugenden Stahle ähnlich, schneidet es einen Zweig ab, um zehn andere aus dem Stamme hervorspringen zu lassen, und an der Stelle des in seinem Grabe liegenden königlichen Leichnams, erweckt es einen Ludwig XIII., einen albernen Tyrannen; einen Ludwig XIV, einen verständigen Despoten; einen Ludwig XV., ein Idol, benetzt mit den Thränen und dem Blute seiner Anbeter, wie die ungeheuerlichen Gottheiten, die ich in Indien mit einem eintönigen Lächeln die Frauen und die Kinder, welche Guirlanden unter die Räder ihres Wagens werfen, zerquetschen sah. Ah! Ihr findet, zwanzig Jahre seien zu viel, um den Königsnamen aus den Herzen von zwanzig Millionen Menschen zu vertilgen, welche vor Kurzem noch Gott das Leben ihrer Kinder boten, um das des kleinen Königs Ludwig XV. zu erkaufen! Ah! Ihr glaubt es sei eine leichte Aufgabe, Frankreich die Lilien verhaßt zu machen, welche strahlend wie die Gestirne des Himmels, liebkosend wie die Wohlgerüche der Blumen, an die sie erinnern, tausend Jahre hindurch das Licht, die Menschenliebe, den Sieg in alle Winkel der Erde getragen haben! Versucht es doch, meine Brüder, versucht es: ich gebe Euch nicht zwanzig Jahre, ich gebe Euch ein Jahrhundert! Ihr seid zerstreut, zitternd, einander unbekannt; ich allein weiß alle Eure Namen; ich allein schätze, um ein Ganzes daraus zu machen. Euren getheilten Werth; ich allein bin die Kette, die Euch in einem großen, brüderlichen Knoten verbindet. Wohl! ich sage Euch Philosophen, Oekonomisten, Ideologen, ich will, daß Ihr in zwanzig Jahren die Grundsätze, die Ihr mit leiser Stimme am Familienherde murmelt, die Ihr mit unruhigem Auge im Schatten Eurer alten Thürme niederschreibt, die Ihr einander, den Dolch In der Hand, anvertraut, um mit diesem Dolche den Unklugen oder den Verräther niederzustoßen, der Eure Worte lauter, als Ihr sie sagt, wiederholen würde; ich will, daß Ihr diese Grundsätze ganz öffentlich auf der Straße verkündigt, daß Ihr sie am hellen Tage druckt, daß Ihr sie in ganz Europa durch friedliche Emissäre

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