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ist eine Gottlosigkeit. Sire, Alles dies bewegt sich, schreit, spricht, verbindet sich, correspondirt, intriguirt, droht. Einige Worte, welche unbehutsamen Brüdern entschlüpft sind, deuten sogar an, daß sie einen Führer erwarten.«

      »Wohl, Sartines, wenn dieser Führer gekommen ist, nehmen Sie ihn fest, werfen ihn in die Bastille, und Alles ist abgemacht.«

      »Sire, diese Leute haben viele Mittel.«

      »Sollten Sie weniger haben, Sie, der Polizeilieutenant eines großen Königreichs?«

      »Sire, man bat von Eurer Majestät die Austreibung der Jesuiten erwirkt; man hätte die der Philosophen fordern sollen.«

      »Gehen Sie, das sind abermals Ihre Federnschneider.«

      »Sire, es sind gefährliche Federn, die Federn, die man mit dem Messer von Damiens schneidet.«

      Ludwig XV. erbleichte.

      »Diese Philosophen, welche Sie verachten  . . .« fuhr Herr von Sartines fort. »Nun?«

      »Nun, ich sage Ihnen, sie werden die Monarchie zu Grunde richten.«

      »Wie viel Zeit brauchen sie hiezu. mein Herr?«

      Der Polizeilieutenant schaute Ludwig XV. mit erstaunten Augen an und erwiederte:

      »Kann ich das wissen, Sire? Fünfzehn Jahre, zwanzig Jahre, dreißig Jahre vielleicht.«

      »Nun, mein lieber Freund, in fünfzehn Jahren werde ich nicht mehr sein; sprechen Sie hierüber mit meinem Nachfolger,« sagte Ludwig XV. und wandte sich gegen Madame Dubarry um.

      Diese schien hierauf zu warten.

      »Oh! mein Gott,« rief sie mit einem schweren Seufzer, »was sagst Du mir da, Chon?«

      »Ja, was sagt sie?« fragte der König, »Ihr seht Beide sehr traurig aus.«

      »Ah! Sire,« versetzte die Gräfin, »es ist wohl Grund dazu vorhanden.«

      »Sprecht, was ist geschehen?«

      »Armer Bruder!«

      »Armer Jean!«

      »Glaubst Du wirklich, daß man ihn wird abschneiden müssen?«

      »Man hofft, es werde nicht nöthig sein.«

      »Was abschneiden?« fragte Ludwig XV.

      »Den Arm, Sire.«

      »Dem Vicomte den Arm abschneiden! und warum dies?«

      »Weil er schwer verwundet ist.«

      »Schwer am Arm verwundet?«

      »Oh mein Gott! ja, Sire.«

      »In einem Streite, bei einem Bader, in einem Spielhause!  . . .«

      »Nein, Sire, auf der Landstraße.«

      »Aber wie ist das gekommen?«

      »Es ist ganz einfach dadurch gekommen, daß man ihn ermorden wollte.«

      »Ah! armer Vicomte,« rief Ludwig XV., der die Leute sehr wenig beklagte, aber vortrefflich die Miene anzunehmen wußte, als beklagte er sie; »ermordet! Ah! das ist sehr ernst, sprechen Sie, Sartines.«

      Viel weniger unruhig, als dies der König dem Anscheine nach war, aber in Wirklichkeit viel mehr bewegt als dieser, näherte sich Herr von Sartines den zwei Schwestern und fragte ängstlich:

      »Ist es möglich, daß sich ein solches Unglück zugetragen hat, meine Damen?«

      »Leider ja, mein Herr, es ist möglich,« sprach Chon ganz thränenreich.

      »Ermordet!  . . . Und. wie dies?«

      »In einem Hinterhalt.«

      »In einem Hinterhalt!  . . . Ah! Sartines,« rief der König, »mir scheint, das gehört zu Ihrem Ressort.«

      »Erzählen Sie uns das, Madame,« sagte Herr von Sartines, »doch ich bitte Sie, lassen Sie die Dinge nicht durch Ihre gerechte Entrüstung übertreiben. Wir werden strenger sein, wenn wir gerechter sind, und von Nahem und kalt gesehen, verlieren die Thatsachen oft von ihrem Ernste.«

      »Oh! man hat es mir nicht gesagt,« rief Chon, »ich habe die Sache mit meinen eigenen Augen gesehen.«

      »Nun, was hast Du gesehen; große Chon-?« fragte der König.

      »Ich habe gesehen. wie sich ein Mann auf meinen Bruder warf, ihn den Degen in die Hand zu nehmen zwang und schwer verwundete.«

      »War dieser Mann allein?« fragte Herr von Sartines.

      »Durchaus nicht, er hatte sechs Andere bei sich.«

      »Der arme Vicomte!« sagte der König und schaute dabei beständig die Gräfin an, um genau den Grad ihres Kummers zu ermitteln und den seinigen darnach zu regeln. »Armer Vicomte! genöthigt, sich zu schlagen.«

      Er sah in den Augen der Gräfin, daß sie keines Wegs scherzte.

      »Und verwundet,« fügte er mit kläglichem Tone bei.

      »Wodurch ist dieser Streit entstanden?« fragte der Polizeilieutenant, der die Wahrheit in den Ausweichungen zu erhaschen suchte, welche Chon machte, um ihm zu entgehen.

      »Auf die frivolste Weise, mein Herr, wegen einiger Postpferde, die man dem Vicomte streitig machte, während dieser Eile hatte, mich zu meiner Schwester zurückzuführen, der ich diesen Morgen einzutreffen versprochen.«

      »Ah! das schreit nach Rache,« sagte der König, »nicht wahr, Sartines?«

      »Ich glaube wohl, Sire, und werde Erkundigungen einziehen,« antwortete der Polizeilieutenant. »Der Name des Angreifers, wenn es beliebt? seine Eigenschaft, sein Stand?«

      »Sein Stand? Es war ein Militär, ein Officier von den Dauphin-Gendarmen, wie ich glaube. Was seinen Namen betrifft  . . . er heißt Baverney, Faverney, Taverney; ja, so ist es, Taverney.«

      »Madame, er wird morgen in der Bastille schlafen,« sprach Herr von Sartines.

      »O nein!« sagte die Gräfin, welche bis jetzt das diplomatischste Stillschweigen beobachtet hatte, »o nein!«

      »Wie so, o nein?« versetzte der König. »Ich bitte, warum sollte man den Burschen nicht einkerkern? Sie wissen, daß mir die Militäre unerträglich sind.«

      »Und ich, Sire,« wiederholte die Gräfin mit derselben Sicherheit, »ich sage Ihnen, daß man dem Menschen, der Herrn Dubarry ermordet hat, nichts thun wird.«

      »Ah, bei Gott! Gräfin, das ist sonderbar,« rief Ludwig XV; »ich bitte, erklären Sie mir das.«

      »Das ist sehr leicht. Es wird ihn Jemand vertheidigen.«

      »Wer ist dieser Jemand?«

      »Derjenige, auf dessen Eingebung er gehandelt hat.«

      »Dieser Jemand wird ihn gegen uns vertheidigen? Oh! oh! was Sie da sagen, ist stark, Gräfin.«

      »Madame,« stammelte Herr von Sartines, der den Streich kommen sah und vergebens eine Parade dagegen suchte.

      »Gegen Sie, ja gegen Sie, und es gibt keine oh! oh! Sind Sie der Gebieter?«

      Der König fühlte den Streich, den Herr von Sartines hatte kommen sehen, und umpanzerte sich.

      »Ah! gut,« sagte er, »wir werfen uns auf das Gebiet der Staatsraison und suchen für ein armseliges Duell Gründe aus der andern Welt.«

      »Ei! Sie sehen wohl,« sagte die Gräfin, »sie verlassen mich bereits und die Ermordung von vorhin ist nur noch ein Duell, nun, da Sie vermuthen, woher die Sache kommt.«

      »Gut! sind wir hiebei,« sagte Ludwig XV., während er den Hahnen an dem Brunnen drehte, der zu spielen anfing und die Vogel singen, die Fische schwimmen, die Mandarine heraustreten ließ.

      »Sie wissen nicht, woher der Schlag kommt?« fragte die Gräfin, und zerrte dabei Zamore, der zu ihren Füßen lag, an den Ohren.

      »Meiner Treue, nein,« antwortete Ludwig XV.

      »Sie vermuthen es auch nicht?«

      »Ich

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