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Gräfin!« rief Ludwig XV., der seine Würde wieder zu gewinnen suchte, »wissen Sie, daß Sie einen König Lügen strafen?’

      »Sire, es ist wahr, ich bin vielleicht etwas lebhaft; doch wenn Sie glauben, ich werde Herrn von Choiseul meinen Bruder umbringen lassen  . . .«

      »Gut, es ist also Herr von Choiseul,« versetzte der König mit einem Stimmausbruch, als hätte er diesen Namen nicht erwartet, den er seit zehn Minuten in dem Gespräche erscheinen zu sehen befürchtete.

      »Ah, bei Gott! Sire, wenn Sie hartnäckig nicht sehen wollen, daß er mein grausamster Feind ist, Sire, so sehe ich es doch, und zwar ganz klar, denn er gibt sich nicht einmal die Mühe, den Haß, den er gegen mich hegt, zu verbergen.«

      »Vom Hassen der Leute bis zum Ermorden ist es weit, liebe Gräfin.«

      »Bei den Choiseul berühren sich alle Dinge.«

      »Ah! liebe Freundin, abermals Staatsräson.«

      »Mein Gott! mein Gott! ist das nicht zum Rasendwerden, Herr von Sartines?«

      »Nein, denn das, was Sie glauben  . . .«

      »Ich glaube nur, daß Sie mich nicht vertheidigen, und ich sage sogar, daß Sie mich verlassen,« rief die Gräfin voll Heftigkeit.

      »Oh! ärgern Sie sich nicht, Gräfin,« sprach Ludwig XV. »Sie sollen nicht nur nicht verlassen, sondern sogar vertheidigt sein, und zwar so gut  . . .«

      »So gut!«

      »So gut, daß es dem Angreifer des armen Jean theuer zu stehen kommen wird.«

      »Ja, so ist es, man zerbricht das Instrument und drückt die Hand.«

      »Ist es nicht gerecht, sich an denjenigen zu halten, welcher den Schlag ausgeführt hat, an Herrn von Taverney?«

      »Es ist allerdings gerecht, aber nur gerecht; was Sie für mich thun, würden Sie für den ersten Kaufmann der Rue Saint-Honoré thun, den ein Soldat im Schauspiel schlüge. Ich sage Ihnen, ich will nicht behandelt sein wie alle Welt. Wenn Sie für diejenigen, welche Sie lieben, nicht mehr thun, als für die Gleichgültigen, so ziehe ich die Einsamkeit und Dunkelheit der letzteren vor: sie haben wenigstens keine Feinde, von denen sie ermordet werden.«

      »Ah! Gräfin, Gräfin,« sprach Ludwig XV. mit traurigem Ton, »ich bin zufällig so heiter, so glücklich, so zufrieden aufgestanden, und nun verderben Sie mir meinen schönen Morgen!«

      »Das ist bei Gott anbetungswürdig. Ich habe also einen schönen Morgen, ich, deren Familie man niedermetzelt.«

      Trotz der innern Furcht, welche dem König der um ihn her tosende Sturm einflößte, konnte er sich eines Lächelns bei dem Worte niedermetzeln nicht erwehren.

      Die Gräfin stand wüthend auf und rief:

      »Ah! so beklagen Sie mich?«

      »La, la, la, ärgern Sie sich nicht.«

      »Aber ich will mich ärgern.«

      »Sie haben Unrecht; Sie sind entzückend, wenn Sie lächeln, während Sie der Zorn häßlich macht.«

      »Was liegt mir daran, brauche ich schön zu sein, da ich trotz meiner Schönheit Intriguen geopfert werde?«

      »Stille, Gräfin.«

      »Nein, wählen Sie zwischen mir und Ihrem Choiseul.«

      »Liebe Schöne, es ist mir unmöglich, zu wählen, Ihr seid mir Beide nothwendig.«

      »Dann ziehe ich mich zurück.«

      »Sie?«

      »Ja, ich überlasse das Feld meinen Feinden. Oh! ich werde vor Kummer sterben, aber Herr von Choiseul ist dann befriedigt, und das wird Sie trösten.«

      »Nun! ich schwöre Ihnen, Gräfin, daß er Ihnen nicht im Geringsten grollt, und daß er Sie in seinem Herzen trägt. Es ist im Ganzen ein galanter Mann,« fügte der König mit einer Betonung bei, daß Herr von Sartines die letzten Worte wohl hören mußte.

      »Ein galanter Mann? Sie bringen mich in Verzweiflung, Sire. Ein galanter Mann, der die Leute ermorden läßt!«

      »Oh! wir wissen noch nicht,« versetzte der König.

      »Und dann,« wagte der Polizeilieutenant zu bemerken, »ein Streit zwischen Leuten vom Degen ist so piquant, so natürlich!«

      »Ah! ah!« versetzte die Gräfin, »und Sie auch, Herr von Sartines?«

      Der Lieutenant begriff den Werth dieses tu quoque und wich vor dem Zorne der Gräfin zurück.

      Es trat ein Augenblick dumpfen, drohenden Stillschweigens ein.

      »Sie sehen, Chon,« sagte der König unter dieser allgemeinen Bestürzung, »Sie sehen, das ist Ihr Werk.«

      Chon schlug mit einer heuchlerischen Traurigkeit die Augen nieder.

      »Der König wird vergeben,« sprach sie, »wenn der Schmerz der Schwester den Sieg über die Seelenstärke der Unterthanin davongetragen hat.«

      »Gutes Stück!  . . .« murmelte der König. »Keinen Groll, Gräfin.«

      »Oh! nein, Sire, ich habe keinen Groll.  . . . Ich gehe nur nach Luciennes und von Luciennes nach Boulogne.«

      »Am Meer?« fragte der König.

      »Ja, Sire, ich verlasse ein Land, wo der Minister dem König bange macht.«

      »Madame!« rief Ludwig XV. verletzt.

      »Wohl, Sire, erlauben Sie mir, daß ich mich entferne, um mich nicht länger gegen die Eurer Majestät schuldige Achtung zu verfehlen.«

      Die Gräfin stand auf und beobachtete aus einem Augenwinkel die Wirkung, welche ihre Bewegung hervorbrachte.

      Ludwig XV. stieß einen Müdigkeitsseufzer aus, einen Seufzer, welcher bedeutete:

      »Ich langweile mich bedeutend hier.«

      Chon errieth den Sinn des Seufzers und begriff, daß es für ihre Schwester gefährlich wäre, den Streit weiter zu treiben.

      Sie hielt ihre Schwester am Rocke zurück, ging auf den König zu und sprach:

      »Sire, die Liebe, meiner Schwester für den armen Vicomte hat sie zu weit fortgerissen. Ich habe den Fehler begangen und meine Sache ist es, ihn wieder gut zu machen. Ich stelle mich in den Rang der demüthigsten Unterthanen Seiner Majestät, ich fordere Gerechtigkeit für meinen Bruder; ich klage Niemand an: die Weisheit des Königs wird zu unterscheiden wissen.«

      »Ei mein Gott! Gerechtigkeit ist Alles, was ich verlange, ja, doch die Gerechtigkeit muß gerecht sein. Wenn ein Mensch ein Verbrechen nicht begangen hat, so werfe man ihm dieses Verbrechen nicht vor; hat er es begangen, so bestrafe man ihn.«

      Während er diese Worte sprach, schaute Ludwig XV. die Gräfin an und suchte wo möglich die Brocken des freudigen Morgens, den er sich versprochen und der nun auf eine so traurige Weise endigte, wieder zu erhaschen.

      Die Gräfin war so gut, daß sie Mitleid mit der Unthätigkeit des Königs hatte, die ihn überall, ausgenommen bei ihr, traurig und gelangweilt machte.

      Sie wandte sich halb um, denn sie hatte bereits auf die Thüre zuzuschreiten angefangen, und sprach mit einer anbetungswürdigen Resignation:

      »Verlange ich etwas Anderes? aber man weise meinen Verdacht nicht zurück, wenn ich ihn äußere.«

      »Ihr Verdacht ist mir heilig, Gräfin,« rief der König; »er verwandle sich ein wenig in Gewißheit, und Sie werden sehen. Doch ich bedenke, es gibt ein einfaches Mittel.«

      »Welches, Sire?«

      »Man rufe Herrn von Choiseul hierher.«

      »Oh! Eure Majestät weiß wohl, daß er nie kommt. Er verachtet es, in das Gemach der Freundin des Königs einzutreten. Seine Schwester ist nicht wie er; ihr wäre nichts lieber.«

      Der König lachte.

      »Herr von Choiseul äfft den Herrn Dauphin nach,« fuhr die Gräfin ermuthigt fort. »Man will sich

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