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Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1. Александр Дюма
Читать онлайн.Название Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Александр Дюма
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Zu gleicher Zeit mit dem Hunger begann die Müdigkeit, seine Gefährtin, sich der Glieder von Gilbert zu bemächtigen. Mit einer unerhörten Anstrengung holte er noch einmal die Carrossen ein, doch es war, als fände eine Verschwörung gegen ihn statt. Die Wagen hielten nur an, um umzuspannen, und spannten so rasch um, daß der arme Reisende auf der ersten Station nur fünf Minuten Ruhe gewann.
Er setzte indessen seinen Marsch wieder fort. Der Tag fing an am Horizont hervorzubrechen. Die Sonne erschien über einem großen Streifen düsterer Dünste im ganzen Glanze und in der ganzen Majestät eines Herrschers; sie versprach einen von den glühenden Maitagen, welche dem Sommer um zwei Monate vorangehen. Wie sollte Gilbert die Hitze des Mittags ertragen können?
Gilbert hatte einen Augenblick den für seine Eitelkeit tröstlichen Gedanken, die Pferde, die Menschen und selbst Gott seien gegen ihn verbunden. Aber wie Ajax zeigte er dem Himmel die Faust, und wenn er nicht, wie er sagte: »Ich werde entkommen, trotz der Götter,« so war dies der Fall, weil er besser seinen Contrat social, als seine Odyssee kannte.
Es kam, wie Gilbert vorhergesehen, ein Augenblick, wo er die Unzulänglichkeit seiner Kräfte und die Mißlichkeit seiner Lage erkannte. Es war ein furchtbarer Augenblick, der Augenblick dieses Kampfes des Stolzes gegen die Ohnmacht; einen Moment verdoppelte sich die Energie von Gilbert durch die ganze Kraft seiner Verzweiflung. Durch einen letzten Aufschwung näherte er sich wieder den Wagen, die er aus dem Gesichte verloren hatte, und sah sie durch eine Staubwolke, der das Blut, mit dem seine Augen unterlaufen waren, eine phantastische Farbe verlieh; ihr Rollen erscholl in seinen Ohren, vermischt mit dem Klingen seiner Arterien. Den Mund offen, den Blick starr, die Haare durch den Schweiß an die Stirne geklebt, sah er aus wie ein geschickter Automat, der ungefähr die Bewegungen des Menschen macht, aber mit mehr Starrheit und Beharrlichkeit. Seit dem vorhergehenden Tage hatte er zwanzig bis zwei und zwanzig Lieues zurückgelegt; endlich kam der Augenblick, wo ihn seine gelahmten Beine länger zu tragen sich weigerten; seine Augen sahen nicht mehr, seine Ohren hörten nicht mehr; es war ihm, als würde die Erde beweglich und drehte sich um sich selbst; er wollte schreien und fand keine Stimme mehr, er wollte sich aufrecht halten, denn er fühlte, daß er zu fallen im Begriffe war, und schlug die Luft wie ein Wahnsinniger mit seinen Armen.
Endlich durchbrach die Stimme seine Kehle durch ein Wuthgeschrei, und er brüllte, sich gegen Paris wendend, oder vielmehr in der Richtung, wo er glaubte, daß Paris sein müßte, gegen die Besieger seines Muthes und seiner Kräfte eine Reihe furchtbarer Verwünschungen. Dann faßte er sich mit vollen Händen an seinen Haaren, drehte sich einige Male um sich selbst und fiel auf die Landstraße, mit dem Bewußtsein und folglich mit dem Tröste, wie ein Held des Alterthums bis zum letzten Augenblick gekämpft zu haben.
Er stürzte, die Augen noch drohend, die Fäuste noch geballt, nieder.
Hierauf schloßen sich seine Augen und seine Muskeln spannten sich ab. Er war ohnmächtig.
»Aufgepaßt, Wahnsinniger!« rief ihm in der Secunde, wo er gefallen war, eine heisere Stimme, begleitet von dem Knallen einer Peitsche, zu.
Gilbert hörte nicht.
»Aufgepaßt, alle Teufel! oder ich zermalmt Dich.«
Und ein kräftiger Peitschenschlag in Form eines Aufreizungsmittels ertheilt begleitete diesen Ruf.
Gilbert wurde von dem Peitschenriemen am Gürtel getroffen.
Aber er fühlte nichts mehr und blieb unter den Füßen der Pferde, welche, ohne daß er sie in seinem Wahnsinn sah oder hörte, von einem Seitenwege kamen, der zwischen Thieblemont und Vamiere mit der Hauptstraße zusammentraf.
Ein furchtbarer Schrei drang aus dem Wagen hervor, den die Pferde fortrissen, wie es der Sturm mit einer Feder thut.
Der Postillon machte eine übermenschliche Anstrengung; doch trotz dieser Anstrengung vermochte er das erste vorgespannte Pferd nicht zurückhalten, und dieses setzte über Gilbert weg. Aber es gelang ihm, die zwei andern zu bemeistern, die er mehr unter der Hand hatte, als das erste. Eine Frau legte sich mit dem halben Leibe aus der Chaise heraus.
»Oh mein Gott!« rief sie voll Angst, »ist denn der Unglückliche zermalmt?«
»Meiner Treue, Madame,« sagte der Postillon, der durch den Staub, den die Beine seiner Pferde auftrieben, etwas zu unterscheiden suchte, »meiner Treue, das sieht gerade so aus.«
»Armes Kind! Keinen Schritt mehr. Haltet an! haltet an!«
Und die Reisende öffnete den Schlag und sprang aus dem Wagen.
Der Postillon war bereits von seinem Pferde gestiegen und beschäftigt, unter den Rädern den Körper von Gilbert, den er blutig und todt glaubte, hervorzuziehen.
Die Reisende half dem Postillon mit allen ihren Kräften.
»Das ist ein Glück,« rief er, »nicht einmal die Haut geschunden, kein Fußtritt hat ihn getroffen.« »Aber er ist ohnmächtig.«
»Aus Angst ohne Zweifel. Wir wollen ihn an den Rand des Grabens legen und fortfahren, da Madame Eile hat.«
»Unmöglich; ich kann das arme Kind nicht in diesem Zustand verlassen.«
»Bah! es ist ihm nichts geschehen und es wird ganz allein zu sich kommen.«
»Nein, nein! So jung, armer Kleiner! es ist ein Flüchtling aus einem Colleg, der eine Reise, welche seine Kräfte überstiege unternehmen wollte. Seht, wie bleich er ist; er würde sterben. Nein, nein, ich werde ihn nicht verlassen. Lege ihn in die Berline, auf den Vordersitz.«
Der Postillon gehorchte. Die Dame war bereits wieder eingestiegen. Gilbert wurde quer auf ein gutes Kissen gelegt und man lehnte seinen Kopf an die ausgestopften Wände der Carrosse an.
»Nun vorwärts,« rief die junge Dame, »wir haben zehn Minuten verloren, eine Pistole für diese zehn Minuten.«
Der Postillon ließ seine Peitsche über seinem Kopfe knallen, und die Pferde, die dieses drohende Signal kannten, brachen im Galopp auf.
XX.
Worin Gilbert anfängt, nicht mehr so sehr zu bedauern, daß er seinen Thaler verloren
Als Gilbert wieder zu sich kam, und dies geschah nach einigen Minuten, war er nicht wenig erstaunt, da er sich gleichsam quer zu den Füßen einer jungen Frau gelegt sah, die ihn aufmerksam betrachtete.
Es war eine Frau von vierundzwanzig bis fünfundzwanzig Jahren, mit grauen Augen, aufgestülpter Nase, und Wangen, welche die Sonne des Süden gebräunt hatte; ein kleiner Mund von launenhafter, zarter Zeichnung gab ihrer offenen, heiteren Gesichtsbildung einen feinen, umsichtigen Charakter. Sie hatte die schönsten Arme der Welt, die sich für den Augenblick in Aermeln von veilchenblauem Sammet mit goldenen Knöpfen modellirten. Die wellenförmigen Falten eines Kleides von grauer, großgeblümter Seide füllten beinahe den ganzen Wagen, Denn Gilbert bemerkte mit nicht weniger Erstaunen hierüber, als über alles Andere, daß er sich in einem Wagen befand, der im Galopp von drei Postpferden fortgezogen wurde.
Da das Antlitz der Dame lächelnd war und Theilnahme ausdrückte, so schaute sie Gilbert an, bis er sich überzeugt hatte, daß er nicht mehr träume.
»Nun, mein Kind,« sagte die Dame nach kurzem Stillschweigen, »es geht Ihnen besser?«
»Wo bin ich?« fragte Gilbert, der sich zu rechter Zeit dieser Phrase der