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zu vergessen.

      »Aber dieser Carton gehört Dir, und Du bedarfst desselben vielleicht, mein armes Kind,« sagte sie, als sie Nicole wieder erscheinen sah.

      »Da das Fräulein desselben mehr bedarf, als ich, und da der Carton im Ganzen ihm gehört  . . .«

      »Wenn man eine Haushaltung anfangen will, so hat man nie genug Geräthschaften,« erwiederte Andrée, »Du bedarfst daher desselben in diesem Augenblick mehr als ich.«

      Nicole erröthete.

      »Du brauchst Cartons, um Deinen Hochzeitstaat hineinzulegen,« fuhr Andrée fort.

      »Oh! mein Fräulein,« entgegnete Nicole, heiter den Kopf schüttelnd, »mein Hochzeitstaat wird leicht unterzubringen sein und keinen großen Raum einnehmen.«

      »Warum? wenn Du heirathest, Nicole, sollst Du glücklich, reich werden.«

      »Reich!«

      »Ja, reich, natürlich verhältnißmäßig.«

      »Das Fräulein hat mir also einen Generalpächter ausgesucht?«

      »Nein; aber ich habe Dir eine Mitgift gefunden.«

      »In der That, mein Fräulein?«

      »Du weißt, was in meiner Börse ist?«

      »Ja, mein Fräulein, fünf und zwanzig schöne Louis d’or.«

      »Nun! Diese fünf und zwanzig Louis d’or gehören Dir, Nicole.«

      »Fünf und zwanzig Louis d’or! Das ist ein wahres Vermögen,« rief Nicole entzückt.

      »Desto besser, wenn Du das im Ernste sagst, mein armes Mädchen.«

      »Und das Fräulein schenkt mir diese fünf und zwanzig Louis d’or?«

      »Ich schenke sie Dir.«

      Nicole war zuerst erstaunt, dann erschüttert, dann traten ihr die Thränen in die Augen, und sie stürzte auf die Hand von Andrée und küßte sie.

      »Dein Mann wird nun zufrieden sein, nicht wahr?« sagte Fräulein von Taverney.

      »Gewiß, sehr zufrieden,« sprach Nicole, »wenigstens hoffe ich es.«

      Und sie bedachte, daß das, was die Weigerung von Gilbert veranlaßt, ohne Zweifel die Furcht vor Armuth gewesen sei, und daß sie nun, da sie reich geworden, dem ehrgeizigen jungen Manne vielleicht wünschenswerther erscheinen würde, Sie gelobte sich sogleich, Gilbert seinen Antheil an dem kleinen Vermögen zu geben, das sie der Großmuth von Andrée zu verdanken hatte, und wollte ihn durch die Dankbarkeit fesseln und abhalten in sein Verderben zu rennen. So viel lag wirklich Edles in dem Plane von Nicole. Ein böswilliger Ausleger ihrer Träumerei hätte vielleicht in dieser ganzen Großmuth einen kleinen Keim von Stolz, ein unwillkührliches Bedürfniß, denjenigen zu demüthigen, welcher sie gedemüthigt, entdeckt.

      Doch um solchen Pessimisten zu antworten, fügen wir rasch bei, daß wir in diesem Augenblick beinahe mit Gewißheit behaupten können, es habe die Stimme der guten Absichten bei Nicole ein großes Uebergewicht über die der schlimmen gehabt.

      Andrée sah sie nachdenken. »Armes Kind!« seufzte sie, »sie, die Sorglose, könnte so glücklich sein.«

      Nicole hörte ihre Worte und bebte. Diese Worte ließen in der That das leichtfertige Mädchen ein Eldorado von Seide, Diamanten, Spitzen, Liebe erschauen, an das Andrée, für welche das ruhige Leben das Glück war noch nicht einmal gedacht hatte.

      Und dennoch wandte Nicole die Augen von der Wolke von Gold und Purpur ab, die an ihrem Horizont vorüberzog.

      Sie widerstand.

      »Ah! mein Fräulein,« sagte sie, »ich werde vielleicht hier glücklich sein  . . . durch ein kleines Glück.«

      »Bedenke wohl, mein Kind.«

      »Ja, mein Fräulein, ich werde bedenken.«

      »Du wirst klug daran thun,. mache Dich glücklich auf Deine Weise, aber sei nicht mehr thöricht.«

      »Es ist wahr, mein Fräulein, und da sich die Gelegenheit bietet, so freut es mich, dem Fräulein zu sagen, daß ich toll, und besonders, daß ich schuldig war; doch das Fräulein wolle wir verzeihen, wenn man liebt.«

      »Du liebst also Gilbert ernstlich?«

      »Ja, mein Fräulein; ich  . . . ich liebte ihn,« sagte Nicole.

      »Das ist unglaublich!« entgegnete Andrée lächelnd; »was konnte Dir denn an diesem Jungen gefallen? Sobald ich ihn sehe, muß ich ihn anschauen, diesen Herrn Gilbert, der die Herzen verwüstet.«

      Nicole betrachtete Andrée mit einem letzten Zweifel. Bediente sich Andrée, indem sie so sprach, einer tiefen Heuchelei, oder überließ sie sich ihrer vollkommenen Unschuld?

      Andrée hatte vielleicht Gilbert nicht angeschaut, das sagte sich Nicole; aber sicherlich, sagte sie sich ebenfalls, hatte Gilbert Andrée angeschaut.

      Sie wollte in jeder Hinsicht besser unterrichtet sein, ehe sie die Frage, die sie im Sinne hatte, versuchen würde.

      »Kommt Gilbert nicht mit uns nach Paris, mein Fräulein?« fragte Nicole.

      »Warum?« versetzte Andrée.

      »Weil  . . .«

      »Gilbert ist kein Diener; Gilbert kann nicht der Intendant eines Pariser Hauses sein. Die, Müßiggänger von Taverney, mein lieber Nicole, sind wie die Vögel, die in den Zweigen meines Gärtchens und in den Hecken der Alleen zwitschern. Die Sonne, so ärmlich sie auch sein, mag, ernährt sie. Doch ein Müßiggänger in Paris kostet zu viel, und wir vermöchten den Nichtsthuer dort nicht zu dulden!«

      »Wenn ich ihn jedoch heirathe?« stammelte Nicole.

      »Nun, Nicole, wenn Du ihn heirathest, so bleibst Du mit ihm in Taverney,« sagte Andrée mit festem Tone, »und Ihr werdet das Haus hüten, das meine Mutter so sehr liebte.«

      Nicole war ganz betäubt von dem Schlage; es ließ sich unmöglich das geringste Geheimniß in den Worten von Andrée finden. Andrée verzichtete auf Gilbert ohne einen Hintergedanken, ohne einen Schatten von einem Bedauern; sie überließ einer Andern denjenigen, welchen sie am Tage zuvor noch mit ihrer Bevorzugung beehrt hatte; das war unbegreiflich.

      »Ohne Zweifel sind die Fräulein von Stand so gemacht,« sagte Nicole zu sich selbst; »deshalb habe ich so wenig tiefen Kummer in dem Kloster der Annonciaden gesehen, und was für Intriguen gab es doch!«

      Andrée errieth wahrscheinlich das Zögern von Nicole; wahrscheinlich sah sie auch ihren Geist zwischen dem Trachten nach den Pariser Vergnügungen und der ruhigen, sanften Mittelmäßigkeit von Taverney schweben, denn sie sprach mit mildem, aber festem Tone:

      »Nicole, der Entschluß, den Du zu fassen im Begriff bist, entscheidet vielleicht über Dein ganzes Leben; überlege, mein Kind; es bleibt Dir nur noch eine Stunde zu Deinem Entschluß. Ich weiß, eine Stunde ist sehr wenig, doch ich halte Dich für rasch in Deinen Entschließungen: wähle zwischen Deinem Dienst und Deinem Gatten, zwischen mir und Gilbert, Ich will nicht von einer verheiratheten Frau bedient werden, denn ich hasse die Geheimnisse des Ehestands.«

      »Eine Stunde mein Fräulein!« wiederholte Nicole; »eine Stunde!«

      »Eine Stunde.«

      »Nun, das Fräulein hat Recht, so viel brauche ich wohl.«

      »Vorwärts, lege alle meine Kleider zusammen, füge die meiner Mutter bei, die ich, wie Du weißt, als Reliquien verehre, und komm’ dann zurück und sage mir Deinen Entschluß. Wie er auch lauten mag,’ hier sind Deine fünfundzwanzig Louis d’or. Wenn Du ihn heirathest, so ist es Deine Mitgift; wenn Du mir folgst, so ist es der Lohn von Deinen zwei ersten Jahren.«

      Nicole nahm die Börse aus den Händen von Andrée und küßte sie.

      Ohne Zweifel wollte sie keine Secunde von der Stunde verlieren, die ihr von ihrer Gebieterin bewilligt worden war, denn sie eilte aus dem Zimmer, stieg rasch die Treppe hinab, durchschritt den Hof und verlor sich in der Allee.

      Andrée schaute ihr nach

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