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sagte die Dauphine, »weiter?«

      »Dieses Cabinet bildet einen Theil der Privatwohnung Ihrer Majestät der Kaiserin Maria Theresia.«

      »Ja.«

      »In diesem Cabinet führt sie gewöhnlich ihre vertrauliche Correspondenz.«

      »Ja.«

      »Auf einem herrlichen Schreibtisch von Boule8, der dem Kaiscr Franz I. von König Ludwig XV. geschenkt wurde.«

      »Bis dahin ist Alles wahr, was Sie sagen, mein Herr, doch Jedermann kann dies wissen.«

      »Eure Hoheit wolle Geduld fassen. Eines Tags, es war Morgens gegen sieben Uhr und die Kaiserin noch nicht aufgestanden, trat Eure Hoheit in dieses Cabinet durch eine Thüre, die ihr ausschließlich gehörte, denn unter den erhabenen Töchtern Ihrer Majestät der Kaiserin war Euere Hoheit der Liebling.«

      »Hernach, mein Herr?«

      »Eure Hoheit näherte sich dem Schreibtisch. Eure Hoheit muß sich dessen erinnern, es ist gerade fünf Jahre her.«

      »Fahren Sie fort.«

      »Eure Hoheit näherte sich dem Schreibtisch, auf welchem ein offener Brief lag, den die Kaiserin am Tage vorher geschrieben hatte.«

      »Nun?«

      »Nun! Eure Hoheit las diesen Brief.«

      Die Dauphine erröthete leicht.

      »Und nachdem Sie ihn gelesen hatte, war Eure Hoheit ohne Zweifel unzufrieden über einige Ausdrücke; denn sie nahm die Feder und . . .«

      Die Dauphine schien ängstlich zu warten, Balsamo fuhr fort:

      »Und strich mit eigener Hand drei Worte aus.«

      »Und diese drei Worte hießen?« rief die Dauphine lebhaft.

      »Es waren die ersten des Briefes.«

      »Ich frage Sie nicht nach dem Platze, wo sie standen, sondern was ihre Bedeutung gewesen?«

      »Ohne Zweifel ein zu großer Beweis von Zuneigung für die Person, an die der Brief gerichtet war; deshalb die Schwäche, von der ich sagte, man habe Ihre erhabene Mutter wenigstens in einem Punkte derselben beschuldigen können.«

      »Sie erinnern sich also dieser drei Worte?«

      »Ich erinnere mich derselben.«

      »Können Sie mir sie wiederholen?«

      »Gewiß.«

      »Wiederholen Sie die Worte,«

      »Laut?«

      »Ja.«

      »Meine liebe Freundin.«

      Marie Antoinette erbleichte und biß sich auf die Lippen.

      »Soll ich Eurer Königlichen Hoheit nun sagen, an wen dieser Brief gerichtet war?« fragte Balsamo.

      »Nein, aber Sie sollen es mir aufschreiben.«

      Balsamo zog aus seiner Tasche eine Art von Denkbuch mit goldenem Schlosse, schrieb auf eines von seinen Blättern ein paar Worte mit einem Stifte von demselben Metalle, riß das Blatt heraus und reichte es, sich verbeugend, der Prinzessin.

      Marie Antoinette nahm das Blatt, entfaltete und las es:

      Der Brief war adressirt an die Geliebte von König Ludwig XV., an die Frau Marquise von Pompadour.

      Die Dauphine erhob ihren erstaunten Blick auf diesen Mann mit den so bestimmten Worten, mit der so reinen und so wenig bewegten Stimme, welcher, obgleich sich tief verbeugend, sie zu beherrschen schien.

      »Alles dies ist wahr, mein Herr,« sagte sie, »und obgleich ich nicht weiß, durch welches Mittel Sie diese Einzelnheit erkundet haben, so wiederhole ich doch, da ich nicht zu lügen verstehe: es ist wahr.«

      »Dann erlaube mir Eure Hoheit, mich zurückzuziehen, und begnüge sich mit dieser unschuldigen Probe von meinem Wissen.«

      »Nein, mein Herr,« versetzte die Dauphine gereizt, »je gelehrter Sie sind, desto mehr Werth lege ich auf meine Weissagung. Sie haben mir nur von der Vergangenheit gesprochen, und was ich von Ihnen fordere, ist die Zukunft.«

      Die Prinzessin sprach diese paar Worte mit einer fieberhaften Aufregung, die sie vergebens vor ihren Zuhörern zu verbergen suchte.

      »Ich bin bereit,« sagte Balsamo, »und dennoch bitte ich Eure Königliche Hoheit noch einmal, mich nicht zu bedrängen.«

      »Ich habe nie zweimal wiederholt: Ich will es, und Sie werden sich erinnern, mein Herr, daß ich dies bereits einmal gesagt habe.«

      »Lassen Sie mich wenigstens das Orakel befragen, Madame,« entgegnete Balsamo mit flehendem Tone. »Ich werde dann erfahren, ob ich die Wahrsagung Eurer Königlichen Hoheit enthüllen kann.«

      »Mag sie schlecht oder gut sein, ich will sie wissen, hören Sie, mein Herr?« sprach Marie Antoinette mit wachsender Gereiztheit. »Ist sie gut, so glaube ich nicht daran und halte sie für eine Schmeichelei; ist sie schlecht, so werde ich sie als eine Warnung betrachten, und wie sie auch sein mag  . . . ich verspreche, daß ich Ihnen Dank dafür weiß. Fangen Sie also an.«

      Die Prinzessin sprach diese Worte mit einem Tone, der weder Einwendung noch Zögerung zuließ.

      Balsamo nahm die runde Caraffe mit dem kurzen, engen Hals, von der wir bereits gesprochen, und stellte sie auf eine goldene Schale.

      So beleuchtet, strahlte das Wasser von falben Reflexen, welche, vermischt mit dem Perlmutter der Wände und dem Diamant des Mittelpunkts, den aufmerksamen Blicken des Wahrsagers eine Bedeutung zu bieten schienen.

      Jeder schwieg.

      Balsamo erhob in seinen Händen die krystallene Caraffe, betrachtete sie einen Augenblick aufmerksam und stellte sie wieder, den Kopf schüttelnd, auf den Tisch.

      »Nun?« fragte die Dauphine.

      »Ich kann nicht sprechen,« sagte Balsamo.

      Das Gesicht der Prinzessin nahm einen Ausdruck an, der sichtbar bedeutete: »Sei unbesorgt; ich weiß, wie man diejenigen, welche schweigen wollen, sprechen macht.«

      »Weil Sie mir nichts zu sagen haben?« entgegnete sie laut.

      »Es gibt Dinge, die man den Fürsten nie sagen muß, Madame,« erwiederte Balsamo mit einem Tone, aus dem hervorging, daß er selbst den Befehlen der Dauphine zu widerstehen entschlossen war.

      »Besonders,« sprach diese, »wenn die Dinge, ich wiederhole es, sich in das Wort nichts übersetzen.«

      »Das ist es nicht, was mich zurückhält, Madame, im Gegentheil.«

      Die Dauphine lächelte verächtlich.

      Balsamo schien verlegen; der Cardinal fing an, ihm in das Gesicht zu lachen, und der Baron näherte sich brummend.

      »Ah! Ah!« sagte er, »mein Zauberer ist bereits abgenutzt: das hat nicht lange gedauert. Wir brauchen nun nur noch alle diese goldenen Tassen sich in Rebenblätter verwandeln zusehen, wie in dem orientalischen Mährchen.«

      »Einfache Rebenblätter wären mir lieber gewesen, als diese ganze Auskramung des Herrn, in der Absicht, mir vorgestellt zu werden,’« sagte Marie Antoinette.

      »Madame,« entgegnete Balsamo äußerst bleich, »wollen Sie sich gnädigst erinnern, daß ich diese Ehre nicht nachgesucht habe.«

      »Ei! mein Herr, es war nicht schwer zu errathen, daß ich Sie zu sehen verlangen würde.«

      »Verzeihen Sie, Madame, er glaubte gut zu handeln,« sprach Andrée mit leiser Stimme.

      »Und ich sage Ihnen, daß er Unrecht gehabt hat,« entgegnete die Prinzessin so, daß sie nur von Balsamo und Andrée gehört werden konnte. »Man erhebt sich nicht dadurch, daß man einen Greis demüthigt; und wenn sie aus dem zinnernen Becher eines Edelmanns trinken kann, so nöthigt man eine Dauphine von Frankreich nicht, aus dem goldenen Pokale eines Charlatan zu trinken.«

      Balsamo fuhr schauernd auf, als

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<p>8</p>

 Boule, 1732 in sehr dürftigen Umständen in Paris gestorben, berühmt wegen seiner Fertigkeit, in Holz zu schneiden. Der Uebers.