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von Versailles, Madame,« sagte mit halber Stimme Herr von Stainville und überreichte der Dauphine einen Brief, den er bis jetzt unter seinem gestickten Hute verborgen gehalten hatte.

      Die Dauphine nahm ihn und las auf dem Umschlag:

      »An den Herrn Baron von Stainville, Gouverneur von Straßburg.«

      »Der Brief ist nicht für mich, sondern für Sie, mein Herr,« sagte sie, »entsiegeln Sie ihn und lesen Sie ihn mir vor, wenn er überhaupt etwas enthält, was mich interessirt.«

      »Der Brief ist allerdings an meine Adresse, Madame, doch sehen Sie, hier auf dieser Ecke steht das zwischen mir und meinem Schwager, Herrn von Choiseul, verabredete Zeichen, welches andeutet, daß der Brief für Eure Hoheit allein bestimmt ist.«

      »Oh!. das ist wahr, ein Kreuz; ich sah es nicht; geben Sie.«

      Die Prinzessin öffnete den Brief und las folgende Zeilen:

      Die Vorstellung von Madame Dubarry ist entschieden, wenn Sie eine Pathin9 findet. Wir hoffen noch, daß sie keine finden wird. Das sicherste Mittel, diese Vorstellung kurz abzuschneiden, wäre, wenn Ihre Königliche Hoheit die Frau Dauphine sich beeilen würde. Ist Ihre Königliche Hoheit die Frau Dauphine einmal in Versailles, so wird es Niemand wagen, eine solche Ungeheuerlichkeit vorzuschlagen.«

      »Sehr gut!« sagte die Dauphine, nicht nur ohne die geringste Aufregung zu zeigen, sondern auch ohne daß es schien, als hätte ihr dieser Brief das mindeste Interesse eingeflößt.

      »Wird sich Eure Königliche Hoheit zu Ruhe begeben?« fragte schüchtern Andrée.

      »Nein, ich danke, mein Fräulein,« erwiederte die Erzherzogin; »die frische Luft hat mich wieder belebt; sehen Sie, wie stark und heiter gestimmt ich nun bin.«

      Sie schob den Arm der Gräfin zurück und machte ein paar Schritte mit derselben Geschwindigkeit und derselben Kraft, als ob nichts vorgefallen wäre.

      »Meine Pferde,« sagte sie, »ich reise ab.«

      Herr von Rohan schaute ganz erstaunt Herrn von Stainville an und schien ihn mit dem Blicke um eine Erläuterung dieser plötzlichen Veränderung zu fragen.

      »Der Herr Dauphin wird ungeduldig,« sagte der Gouverneur dem Cardinal in das Ohr.

      Die Lüge wurde mit so viel Geschicklichkeit an den Mann gebracht, daß sie Herr von Rohan für eine Indiscretion hielt und sich damit begnügte.

      Was Andrée betrifft, so hatte sie ihr Vater daran gewöhnt, jede Laune eines gekrönten Hauptes zu ehren; sie war also nicht erstaunt über diesen Widerspruch von Marie Antoinette; als diese sich gegen sie umwandte und auf ihrem Antlitz nur den Ausdruck einer unaussprechlichen Sanftmuth wahrnahm, sagte sie auch zu ihr:

      »Ich danke, mein Fräulein, Ihre Gastfreundschaft hat mich innig gerührt.«

      Dann sich an den Baron wendend sprach die Dauphine:

      »Mein Herr, Sie mögen erfahren, daß ich, als ich Wien verließ, das Gelübde that, das Glück des ersten Franzosen zu machen, den, ich, die Grenze von Frankreich berührend, begegnen würde. Dieser Franzose ist Ihr Sohn  . . . Doch damit ist nicht gesagt, daß ich hiebei stehen bleibe und daß das Fräulein  . . . wie heißt doch Ihre Tochter, mein Herr?«

      »Andrée, Euere Hoheit.«

      »Und daß Fräulein Andrée vergessen sein soll.«

      »Oh! Eure Hoheit,« sagte das Mädchen.

      »Ja, ich will ein Ehrenfräulein aus ihr machen; nicht wahr, mein Herr, wir sind im Stande, unsere Proben abzulegen?« fuhr die Dauphine, sich an Herrn von Taverney wendend, fort.

      »Oh! Eure Hoheit,« rief der Baron, denn dieses Wort verwirklichte alle seine Träume; »von dieser Seite sind wir nicht unruhig: wir haben mehr Adel, als Reichthum. Doch ein so hohes Glück  . . .«

      »Gebührt Ihnen  . . . der Bruder wird den König im Heere vertheidigen, die Schwester wird der Dauphine zu Hause dienen; der Vater gibt dem Sohne Rathschläge der Loyalität, der Tochter Rathschläge der Tugend  . . . und so werde ich würdige Diener haben, nicht wahr, mein Herr?« fuhr Marie Antoinette fort, indem sie sich an den jungen Mann wandte, der nur niederknieen konnte, indeß die Aufregung seine Stimme auf den Lippen erstickte.

      »Aber  . . .« murmelte der Baron, dem zuerst die Fähigkeit der Ueberlegung kam.

      »Ja, ich begreife,« erwiederte die Dauphine, »nicht wahr, Sie haben Vorbereitungen zu treffen?«

      »Allerdings, Madame,« sprach Taverney.

      »Ich gebe dies zu, doch diese Vorbereitungen können nicht lange dauern.«

      Ein trauriges Lächeln, das über die Lippen von Andrée und Philipp schwebte und bitter auf denen des Barons sich abzeichnete, hielt sie auf diesem Wege zurück, der für die Eitelkeit der Taverney grausam wurde.

      »Nein, gewiß nicht, wenn ich nach Ihrem Verlangen, mir zu gefallen, urtheile,« fügte die Dauphine bei. »Uebrigens warten Sie, ich lasse Ihnen eine von meinen Carrossen hier, sie wird Sie in meinem Gefolge führen  . . . Herr Gouverneur kommen Sie mir zu Hülfe.«

      Der Gouverneur näherte sich.

      »Ich lasse Herrn von Taverney, den ich mit Fräulein Andrée nach Paris nehme, eine Carrosse zurück,« sagte die Dauphine. »Ernennen Sie Jemand, der diese Carrosse begleiten und als zu den meinigen gehörend anerkennen lassen soll.«

      »Auf der Stelle, Madame,« antwortete der Baron von Staiville; »treten Sie vor, Herr von Beausire.«

      »Ein junger Mann von vierundzwanzig bis fünfundzwanzig Jahren mit sicherem Gang, lebhaften und gescheiten Augen trat aus den Reihen der Escorte hervor und näherte sich den Hut in der Hand.

      »Sie werden eine Carrosse für Herrn von Taverney zurückbehalten und dieselbe sodann begleiten,« sagte der Gouverneur.

      »Seien Sie dafür besorgt, daß sie uns bald einholt,« sprach die Dauphine; »ich bevollmächtige Sie, wenn es sein muß, die Relais zu verdoppeln.«

      Der Baron und seine Kinder verwirrten sich in Ausdrücken des Dankes.

      »Diese plötzliche Abreise ist Ihnen nicht zu unangenehm, nicht wahr, mein Herr?« fragte die Dauphine.

      »Wir sind zu den Befehlen Eurer Hoheit,« antwortete der Baron.

      »Gott befohlen!« sprach die Dauphine mit einem Lächeln. »In den Wagen, meine Herren!  . . . Herr Philipp, zu Pferde!«

      Philipp küßte seinem Vater die Hand, umarmte seine Schwester und schwang sich in den Sattel.

      Eine Viertelstunde nachher blieb von dieser ganzen, wie die Wolke am vorhergehenden Tage wirbelnden, Cavalcade in der Allee von Taverney nichts mehr übrig, wenn nicht ein junger Mann, der auf dem Weichsteine am Thor saß und bleich und traurig mit gierigem Auge die letzten Staubmassen verfolgte, welche in der Ferne auf der Landstraße die raschen Füße der Pferde aufjagten.

      Dieser junge Mann war Gilbert.

      Der Baron, der mit Andrée allein geblieben, hatte mittlerweile das Wort noch nicht finden können.

      Es war ein sonderbares Schauspiel, das der Salon von Taverney bot.

      Die Hände gefaltet, dachte Andrée an die Menge seltsamer, unerwarteter, unerhörter Ereignisse, welche plötzlich ihr so ruhiges Leben durchzogen hatten, und glaubte zu träumen.

      Der Baron riß an seinen grauen Augbrauen, aus deren Mitte lange, gekrümmte Haare hervorsprangen, und zerknitterte seinen Jabot.

      Nicole schaute, an die Thüre gelehnt, ihre Gebieter an.

      La Brie ließ die Arme hängen, sperrte den Mund auf und schaute Nicole an.

      Der Baron erwachte zuerst.

      »Verruchter!« rief er La Brie zu, »Du bleibst hier wie eine Bildsäule, und dieser Edelmann, dieser Gefreite vom Hause des Königs wartet außen.«

      La Brie machte einen Seitensprung, verwickelte sein linkes Bein mit dem rechten, und verschwand

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<p>9</p>

 Eine Dame von hinreichend vornehmem Stande, um vorstellen zu können.