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Straße seht, so benachrichtigt mich.«

      Während dieser paar Worte, welche die Dame des Wagens mit dem Postillon austauschte, war Gilbert beinahe abermals in seine Schwäche verfallen. Als die Reisende sich wieder setzte, sah sie, daß er sehr bleich war und die Augen geschlossen hatte.

      »Ah! armes Kind, es ist ihm immer noch übel,« rief sie. »Es ist auch mein Fehler, ich lasse es sprechen, während es vor Hunger und Durst stirbt, statt ihm zu essen und zu trinken zu geben.«

      Und um die verlorene Zeit wieder einzubringen, zog die Dame vor Allem aus der Tasche des Wagens ein ciselirtes Fläschchen, an dessen Hals an einer goldenen Kette ein kleiner Becher von Vermeil hing.

      »Trinken Sie zuerst ein Tröpfchen von diesem La -Cote-Wein,« sagte sie, das Glas füllend, das sie nun Gilbert reichte,

      Gilbert ließ sich diesmal nicht bitten. War es der Einfluß der hübschen Hand, die ihm den Becher bot? War das Bedürfniß dringender, als in Saint-Dizier?

      »Gut,« sprach die Dame, »essen Sie nun einen Zwieback; in ein paar Stunden werde ich Ihnen ein solideres Frühstück vorsetzen.«

      »Ich danke, Madame,« sprach Gilbert.

      Und er aß den Zwieback, wie er den Wein getrunken hatte.

      »Und nun, da sie ein wenig gestärkt sind,« fuhr die Dame fort, »nun sagen Sie nur, wenn Sie mich überhaupt zur Vertrauten nehmen wollen, sagen Sie mir, welches Interesse Sie dabei hatten, dem Wagen nachzulaufen, der, wie Sie erwähnten, der Frau Dauphine gehört.«

      »Hören Sie die Wahrheit mit zwei Worten, Madame,« sprach Gilbert. »Ich war bei dem Herrn Baron von Taverney, als Ihre Hoheit ankam und Herrn von Taverney befahl, ihr nach Paris zu folgen. Er gehorchte. Da ich eine Waise bin, so dachte Niemand an mich, und man ließ mich ohne Geld und ohne Lebensmittel zurück. Nun schwur ich, da alle Welt mit Unterstützung von guten Pferden und guten Wagen nach Versailles gehe, so würde ich auch nach Versailles gehen, aber zu Fuße, mit meinen achtzehnjährigen Beinen, und ich würde mit diesen achtzehnjährigen Beinen ebenso bald ankommen, als sie mit ihren Pferden und ihren Wagen. Leider wurden meine Kräfte zu Verräthern an mir, oder das Mißgeschick nahm vielmehr Partei gegen mich. Hätte ich mein Geld nicht verloren, so hätte ich essen können; hätte ich diese Nacht gegessen, so wäre ich diesen Morgen im Stande gewesen, die Pferde wieder einzuholen.«

      »Das gefällt mir, das nenne ich Muth!« rief die Dame, »und ich wünsche Ihnen Glück, mein Freund. Doch es scheint mir, es gibt ein Ding, das Sie nicht wissen.«

      »Was?«

      »Daß man in Versailles nicht vom Muth lebt.«

      »Ich werde nach Paris gehen.«

      »Paris hat aus diesem Gesichtspunkte betrachtet ungemein viel Aehnlichkeit mit Versailles.«

      »Wenn man nicht vom Muth lebt, so lebt man wenigstens von der Arbeit, Madame.«

      »Gut geantwortet, mein Kind. Doch von welcher Arbeit? Ihre Hände sind nicht die eines Taglöhners oder eines Lastträgers.«

      »Ich werde studiren, Madame.«

      »Sie scheinen mir bereits sehr gelehrt.«

      »Ja, denn ich weiß, daß ich nichts weiß,« antwortete pathetisch Gilbert, der sich dieses Wortes von Sokrates erinnerte.

      »Und darf ich Sie, ohne unbescheiden zu sein, fragen, welche Wissenschaft Sie vorzugsweise studiren werden, mein kleiner Freund?«

      »Madame,« sprach Gilbert, »ich glaube die beste der Wissenschaften ist diejenige, welche dem Menschen seines Gleichen nützlich zu sein erlaubt. Andererseits ist dann der Mensch so wenig, daß er das Geheimniß seiner Schwäche studiren muß, um das seiner Stärke kennen zu lernen. Ich will eines Tags wissen, warum mein Magen meine Beine gehindert hat, mich diesen Morgen zu tragen; ich will endlich wissen, ob es nicht dieselbe Magenschwäche war, die in mein Gehirn den Zorn, das Fieber, den schwarzen Dunst brachte, wodurch ich niedergeschmettert worden bin.«

      »Ah! es scheint mir, Sie werden dereinst ein vortrefflicher Arzt, denn Sie reden bereits bewunderungswürdig von der Medizin. In zehn Jahren verspreche ich Ihnen meine Kundschaft.«

      »Ich werde mir Mühe geben, diese Ehre zu verdienen, Madame,« sagte Gilbert.

      Der Postillon hielt an. Man hatte die Station erreicht, ohne einen Wagen zu sehen.

      Die junge Dame erkundigte sich. Die Dauphine war vor einer Viertelstunde vorübergekommen; sie mußte in Vitry anhalten, um frische Pferde zu nehmen und zu frühstücken.

      Der neue Postillon setzte sich in den Sattel.

      Die junge Dame ließ ihn im gewöhnlichen Gange aus dem Dorfe fahren; als man aber in einiger Entfernung von dem letzten Hause angelangt war, sagte sie:

      »Postillon, macht Ihr Euch anheischig, die Wagen der Frau Dauphine einzuholen?«

      »Gewiß.«

      »Ehe sie in Vitry sind?«

      »Teufel! sie fuhren in starkem Trab.«

      »Mir scheint, wenn wir im Galopp fahren würden?«

      Der Postillon schaute sie an.

      »Dreifache Trinkgelder« rief sie.

      »Sie hätten mir das sogleich sagen müssen,« erwiederte der Postillon, »wir wären bereits eine Viertelslieue von hier.«

      »Hier ist ein Sechs-Livres-Thaler auf Abschlag; bringen wir die verlorene Zeit wieder ein.«

      Der Postillon neigte sich rückwärts, die junge Dame vorwärts, ihre Hände kamen endlich zusammen und der Thaler ging von der Hand der Reisenden in die des Postillon über.

      Die Pferde erhielten ihren Gegenschlag. Die Chaise flog schnell wie der Wind fort.

      Während des Umspannens war Gilbert ausgestiegen und hatte sein Gesicht und seine Hände an einem Brunnen gewaschen: sein Gesicht und seine Hände gewannen viel dabei; dann hatte er auch seine prächtigen Haare gekämmt.

      »In der That,« sagte die junge Frau in ihrem Innern, »in der That, er ist nicht zu häßlich für einen zukünftigen Arzt.«

      Und sie lächelte, während sie ihn anschaute.

      Gilbert erröthete, als wüßte er, was seine Reisegefährtin lächeln machte.

      Sobald das Zwiegespräch mit dem Postillon beendigt war, kehrte die Reisende zu Gilbert zurück, dessen Paradoxen, Ungereimtheiten und Sentenzen sie Ungemein belustigten.

      Nur von Zeit zu Zeit unterbrach sie sich mitten in einem Gelächter, das durch irgend eine auf eine Meile nach Scheinphilosophie riechende Antwort hervorgerufen wurde, um nach der Straße hinaus zu schauen. Wenn dann ihr Arm das Gesicht von Gilbert streifte, wenn ihr rundes Knie an die Seite ihres Gefährten drückte, ergötzte sich die Reisende, die Röthe der Wangen des zukünftigen Arztes mit seinen gesenkten Augen contrastiren zu sehen.

      So legte man ungefähr eine Lieue zurück. Plötzlich stieß die junge Frau einen Freudenschrei aus und warf sich mit so wenig Zurückhaltung auf den Vordersitz, daß sie diesmal Gilbert ganz und gar mit ihrem Leibe bedeckte.

      Sie hatte die letzten Fourgons des Gefolges erblickt, welche mühsam einen langen Abhang hinanfuhren, auf dem sich zwanzig Carrossen aufreihten, aus denen die Reisenden beinahe insgesammt ausgestiegen waren.

      Gilbert machte sich von den Falten des großgeblümten Kleides los, schlüpfte mit seinem Kopfe unter einer Schulter durch, kniete ebenfalls auf den Vordersitz und suchte mit glühenden Augen Fräulein von Taverney mitten unter diesen ansteigenden Pygmäen.

      Er glaubte Nicole an ihrer Haube zu erkennen.

      »Dort sind sie, Madame, sagte der Postillon, »was soll ich nun thun?«

      »Ihr müßt an Allem dem vorüberfahren.«

      »An Allem dem vorüberfahren, Madame? unmöglich. Man fährt nicht an der Dauphine vorüber.«

      »Warum?«

      »Weil es verboten ist. Pest! an den Pferden des Königs vorüberfahren! ich käme auf die Galeeren.«

      »Höret,

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