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jetzt die Carrosse der jungen Frau für einen verspäteten Wagen gehalten und in der ganzen Eile nichts Anderes gesehen hatte, als ein Verlangen, die Reihe wieder einzuholen.

      »Der Wunsch, sich zu unterrichten, ist gut,« antwortete die junge Dame, »Indiscretion taugt nichts«

      »Entschuldigen Sie, Madame,« versetzte Gilbert erröthend.

      »Nun? was machen wir?« fragte die Reisende den Postillon.

      »Verdammt! wir bleiben hinter ihnen bis Vitry. Dort, wenn Ihre Hoheit anhält, bitten wir um Erlaubniß, vorüberfahren zu dürfen.«

      »Ja, doch man wird sich erkundigen, wer ich bin, und vernehmen  . . . Nein, nein, das taugt nichts; suchen wir etwas anderes.«

      »Madame,« sprach Gilbert, »wenn ich Ihnen einen Rath zu geben wagte  . . .«

      »Thun Sie dies immerhin, mein Freund, wenn er gut ist, wird man ihn befolgen.«

      »Man sollte einen Seitenweg einschlagen, der um Vitry führte, und so käme man vor die Frau Dauphine, ohne sich gegen die Achtung verfehlt zu haben.«

      »Das Kind spricht wahr!« rief die junge Frau. »Postillon, gibt es keinen Seitenweg?«

      »Um wohin zu gehen?«

      »Wohin Ihr wollt, wenn wir nur die Frau Dauphine hinter uns lassen.«

      »Ah! ja wohl,« sagte der Postillon, »dort ist die Straße von Marolle, welche sich um Vitry windet und mit der Hauptstraße in Lachaussée wieder zusammentrifft.«

      »Bravo!« rief die junge Frau, »das ist gut.«

      »Ader Madame weiß, daß ich die Post verdoppele, wenn ich diesen Umweg mache,« entgegnete der Postillon.

      »Zwei Louis d’or für Euch, wenn Ihr vor der Dauphine in Lachaussée seid.«

      »Befürchtet Madame nicht, der Wagen könnte brechen?«

      »Ich befürchte nichts. Bricht die Chaise, so setze ich meinen Weg zu Pferde fort.«

      Und der Wagen wandte sich rechts, verließ die Hauptstraße, gelangte auf einen Seitenweg mit tiefen Fahrgeleisen, und folgte einem Flüßchen mit bleichem Wasser, das sich zwischen Lachaussée und Mutigny in die Marne wirft.

      Der Postillon hielt Wort, er that Alles, was Menschen möglich, um die Chaise zu zerbrechen, aber auch um anzukommen.

      Zwanzigmal wurde Gilbert auf seine Gefährtin geworfen, welche auch zwanzigmal in die Arme von Gilbert fiel.

      Dieser wußte artig zu sein, ohne lästig zu werden. Er wußte seinem Mund zu befehlen, nicht zu lächeln, während seine Augen der jungen Frau sagten, sie sei sehr hübsch.

      Die Vertraulichkeit entsteht rasch aus Stößen und aus der Einsamkeit. Nachdem man zwei Stunden auf dem Seitenwege gefahren war, kam es Gilbert vor, als kenne er seine Gefährtin seit zehn Jahren, und die junge Frau hätte geschworen, sie kenne Gilbert seit seiner Geburt.

      Gegen eilf Uhr erreichte man wieder die Hauptstraße von Vitry nach Chalons. Ein Courrier, den man befragte, gab zur Antwort, die Dauphine frühstücke nicht nur in Vitry, sondern sie habe sich so müde gefühlt, daß sie ein paar Stunden ruhen werde. Er fügte bei, man habe ihn auf die nächste Station vorausgeschickt, um die Vorspannbeamten aufzufordern, sich gegen drei oder vier Uhr Nachmittags bereit zu halten.

      Diese Nachricht erfüllte die Reisende mit Freude, sie gab dem Postillon die zwei versprochenen Louis d’or und sagte, sich gegen Gilbert wendend:

      »Ah! bei meiner Treue, wir werden auf der nächsten Station auch zu Mittag speisen.

      Doch es war entschieden, daß Gilbert auf dieser Station noch nicht speisen sollte.

       XXI.

      Worin man mit einer neuen Person Bekanntschaft macht

      Oben auf der Steige, welche die Postchaise eben hinanfuhr, erblickte man das Dorf Lachaussée, wo umgespannt werden sollte.

      Es war ein reizender Haufen strohbedeckter Häuser, welche nach der Laune der Bewohner mitten auf dem Wege, an der Ecke eines kleinen Gehölzes, in der Nähe einer Quelle und häufiger noch längs dem von uns erwähnten großen Bache standen, über welchen vor jedem Hause Brücken oder Bretter geworfen waren.

      Doch für den Augenblick war das Merkwürdigste dieses hübschen Dörfchens ein Mann, der, den Bach abwärts, mitten auf der Straße aufgepflanzt, als hätte er den Befehl von einer höheren Macht erhalten, seine Zeit damit hinbrachte, daß er bald die Landstraße mit den Augen verfolgte, bald mit dem Blicke einen herrlichen Schimmel mit langer Mähne untersuchte, der, an den Laden einer Hütte gebunden, die Bretter durch ein Zerren mit dem Kopfe erschütterte und eine Ungeduld ausdrückte, welche den Sattel, den er auf dem Rücken trug, entschuldigen zu sollen schien; denn dieser Sattel offenbarte, daß er in Erwartung seines Herrn hier stand.

      Wie gesagt, müde, vergeblich die Straße entlang zu schauen, näherte sich der Fremde von Zeit zu Zeit dem Pferde, untersuchte es als Kenner, strich ihm mit geübter Hand über das fleischige Kreuz oder drückte mit dem Ende seiner Finger die schlanken Beine. Wenn er sodann den Fußtritt vermieden hatte, den bei jedem Versuche dieser Art das ungeduldige Thier ausschleuderte, kehrte er auf sein Observatorium zurück und überschaute die immer noch verlassene Landstraße.

      Als er noch nichts kommen sah, klopfte er endlich an den Laden.

      »Hollah! Ihr Leute!« rief er.

      »Wer klopft?« fragte eine männliche Stimme.

      Und der Laden öffnete sich.

      »Mein Freund,« sagte der Fremde, »wenn Ihr Euer Pferd verkaufen wollt, so ist der Käufer gefunden.«

      »Sie sehen wohl, daß kein Strohwisch am Schweife hängt,« antwortete den Laden wieder schließend eine Art von Bauern.

      Diese Antwort schien den Fremden nicht zu befriedigen, denn er klopfte zum zweiten Male.

      Es war ein Mann von etwa vierzig Jahren, groß und kräftig, mit rother Gesichtshaut, blauem Barte und knorriger Hand unter einer großen Spitzenmanchette. Er trug einen galonnirten Hut schief aufgesetzt, nach der Mode der Provinzofficiere, welche die Pariser erschrecken wollen.

      Er klopfte zum dritten Male und sagte sodann ungeduldig werdend:

      »Wißt Ihr, daß Ihr gar nicht höflich seid, mein Lieber, und daß ich Euern Laden sogleich einstoßen werde, wenn Ihr ihn nicht öffnet?«

      Der Laden öffnete sich wieder bei dieser Drohung und dasselbe Gesicht erschien.

      »Wenn man Ihnen aber sagt, daß das Pferd nicht verkäuflich ist,« erwiederte zum zweiten Male der Bauer. »Was Teufels! das muß Ihnen genügen!«

      »Und wenn ich Euch sage, daß ich eines Läufers bedarf!«

      »Wenn Sie eines Läufers bedürfen, so gehen Sie auf die Post. Es sind dort sechzig. ans den Ställen Seiner Majestät und Sie haben die Wahl. Doch lassen Sie das Pferd der Person, die nur eines besitzt.«

      »Und ich wiederhole Euch, daß ich dieses haben will.«

      »Kein schlechter Geschmack, ein arabisches Pferd.«

      »Ein Grund mehr, daß es mich gelüstet, es zu kaufen.«

      »Es ist möglich, daß es Sie gelüstet, dieses Pferd zu kaufen, doch leider ist es nicht verkäuflich.«

      »Wem gehört es denn?«

      »Sie sind sehr neugierig!«

      »Und Du bist sehr schweigsam.«

      »Nun! es gehört einer Person, die bei mir wohnt und dieses Thier liebt, wie sie nur ein Kind lieben könnte.«

      »Ich will mit dieser Person sprechen.«

      »Sie schläft.«

      »Ist es ein Mann oder eine Frau?«

      »Es ist eine Frau.«

      »Nun, so sage der Frau, wenn sie fünfhundert Pistolen

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