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Wahrheit zu versichern; doch sie wagte es nicht, und während sie ihr Schluchzen unterdrückte, setzte sie sich auf ihr Bett und suchte ihre Ideen zu sammeln.

      In dieser Stellung, die ein Bildhauer für eine Stafette des Zweifels gewählt hätte, fand sie die gute Céleste.

      Zwei schwere Thränen floßen noch über ihre Wangen.

      »Was hast Du, mein liebes Kind?« fragte Céleste, indem sie das Mädchen in ihre Arme schloß. »Du weinst!«

      Mina erkannte das bleiche, krankhafte Gesicht vom vorhergehenden Tage; sie erwiderte ihrer neuen Freundin den Kuß, den sie empfangen. und erzählte ihr sodann ihren Traum.

      Wonach Celeste selbst das Wort nahm, und nach einigen Minuten war die Kleine vertraut mit den Schritten von Justin: sie wußte, daß der Wagner verschwunden, und daß der Brief des Pfarrers unnütz war.

      »Und was nun?« fragte das Kind mit kläglichem Tone, indem es so ängstliche Blicke auf Céleste heftete, daß diese ihrerseits Thränen in ihren Augen fühlte; »und was nun? . . . «

      »Du bist nun bei uns und gehörst uns, mein Kind,« sprach Céleste; »Du wirst die Tochter unserer Mutter sein, die Schwester von Justin und mir, und obgleich wir nicht reich sind, werden wir doch Alles thun, um Dich glücklich zu machen.«

      »Oh! Schwester Céleste! sagte das Kind, diese ebenfalls küssend; »oh! Bruder Justin!« fügte es bei, indem es seine Händchen gegen den jungen Mann ausstreckte, dessen Kopf im Thürrahmen sichtbar wurde.

      Justin konnte nicht länger an sich halten; er stürzte ins Zimmer und küßte die Hände, die das Kind gegen ihn ausstreckte.

      In einem Augenblick war Mina von dem Leben, das sie führen sollte, unterrichtet.

      Ach! das war nicht das Leben der Luft und der Freiheit, an das sie sich auf dem Lande gewöhnt hatte; ihre kleinen Füße sollten ihren Gang am Morgen durch den Thau und die Blumen vergessen; sie sollte nicht mehr vor ihren Augen den schönen Strom haben, der majestätisch und langsam, nach dem Meere den Handel und die Industrie führend, hinfloß; doch die Arme, sie fühlte es, sie würde statt dessen gute Herzen haben, die sie liebten, sie würde die Zärtlichkeit haben, diese milde Sonne der Seele, welche nicht die Sonne des Leibes, aber doch die einzige ist, deren Wärme die mächtige, fruchtbare Gluth der andem vergessen lassen kann.

      Die Stunde, die Classe zu beginnen, war gekommen. Justin ging hinab, um seine Thüre den achtzehn Kindern zu öffnen.

      Die Schwester blieb allein bei Mina.

      Sie wollte die Kleine ankleiden; doch diese sprang, leicht wie ein Vogel, vom Bette herab und kleidete sich in einem Augenblick an; Mina wollte ihrer Schwester beweisen, sie sei kein so kleines Mädchen, als sie zu sein das Ansehen habe, und sie werde sich so benehmen, daß sie denjenigen, welche sie aufgenommen, so wenig als möglich zur Last werde.

      Nachdem ihre Toilette beendigt war, ging die Kleine in das Zimmer der Mutter, um ihr Gebet zu verrichten und zu frühstücken.

      So lange es sich um das Gebet handelte, war Alles gute das Kind kannte alle die süßen Gebete des Kindes, Ausflüsse des Glaubens, des Dankes. der Liebe.

      Als aber das Frühstück kam, da gab es für Mina eine traurige Enttäuschung.

      Fühlte bei der Mutter Boivin Mina den Hunger sich regen, so ging sie hinab; war es Sommer, so pflückte sie Früchte, brach die Hälfte von einem Laibchen ab und aß ihr Brod mit Aprikosen, Pflaumen, Erdbeeren, Kirschen oder Pfirsichen; war es Winter, so ging sie in den Stall und ins Hühnerhaus; im Stalle fand sie laue Milch, die sie selbst vom Euter von Marienne molk; im Hühnerhause fand sie noch warme Eier, welche sie unter dem Bauche der Hühner nahm.«

      Mina hatte also keine Idee. daß man etwas Anderes beim Frühstück essen könne, als Früchte, Milch oder Eier.

      In Paris war nicht hiervon die Rede.

      Die ganze Familie frühstückte am Morgen die abscheuliche Flüssigkeit, die man Kaffee mit Milch zu nennen übereingekommen ist; warum? wir wissen es nicht, da in das gräßliche Getränk, welches wir der Analyse der Gelehrten unterworfen, viel mehr Wasser kommt, als Milch, viel weniger Kaffee, als Cichorie.

      Nicht, als wüßte man das nicht; nein, Jedermann weiß es; bietet ächten Kaffee den achtmal hunderttausend Consumenten von Paris an: sie werden ihn ausschlagen, sie werden Euch sagen, der Kaffee sei erhitzend und die Cichorie erfrischend.

      Gut; doch sagt ganz einfach: »Ich frühstücke Cichorie mit Milch;« man muß den Muth seiner Nahrungsmittel besitzen.

      Nein, nein. man will durchaus das Ansehe haben, als tränke man Kaffee, weil der Kaffee nicht in Montmartire wächst, während man Cichorie an jedem Orte, außer Martinique, Bourbon und Mekka, haben kann.

      Die Linde blühe nur in Pekin, der Thee wachse nur in Paris, die Chinesen werden Thee von Paris, und die Engländer, die Franzosen, die Russen Lindenblüthe von Pekin kommen lassen.

      Das ist wenigstens unsere Meinung; man sieht, daß wir den Muth von dieser wie von andern haben.

      Die ganze Familie hatte also die melancholische Gewohnheit, einen Napf den diesem erfrischenden Getränke zu sich zu nehmen; und wenn einer unserer Leser, den es drängt, zur Entwickelung zu kommen, kraft des Grundsatzes von Horaz: Ad eventum festina, die Zeilen, die wir geschrieben, für einen wunderlichen Einfall oder für eine Abschweifung hält, so wallen wir ihn schleunigst beruhigen, indem wir ihm sagen, daß es eine zu den Arten der Kleinen gehörige Rechtfertigungsurkunde ist, damit man ihr nicht als Verbrechen den tiefen Ekel an anrechne, den sie gegen den Kaffee mit Milch von Mama Corby, Bruder Justin und Schwester Céleste an den Tag legen wird.

      Kaum hatte sie einen Löffel voll von dieser Flüssigkeit in den Mund genommen da wurde es der armen Kleinen übel und sie warf das Ganze wieder auf den Boden.

      Die drei Tischgenossen glaubten, sie habe sich gebrannt.

      Das war es nicht.

      Sie fand das Ding gräulich, untrinkbar.

      Man mochte ihr immerhin sagen, und wieder sagen und schwören, es sei Milch, sie glaubte es nicht.

      Nicht, als hätte sie einen schlimmen Charakter gehabt, nicht, als wäre sie im Geringsten halsstarrig gewesen: gewohnt, selbst die gute schwarz und weiße Kuh zu melken, glaubte die arme Kleine ganz einfach aus guter Quelle den wahren Geschmack der Milch zu kennen.

      »Dann,« sprach das anmuthige Kind mit viel Ehrfurcht gegen die dreifache Behauptung seiner Wirthe, »dann gibt es Pariser Milch und Milch von der Bouille.«

      Das war eine so unbestreitbare Wahrheit, daß keiner von den Opponenten sie zu bestreiten versuchte.

      Bemerken wir sogleich: als Mina am andern Tage sah, daß man eine besondere Suppe für sie gemacht hatte, überwand sie den Abscheu, den ihr das unbekannte Getränk, das man ihr am Tage vorher geboten, eingeflößt hatte, und verschluckte es mit einem Heldenmuth, durch den sie unsere ganze Bewunderung verdient.

      Das Frühstück war nicht das Ewige, was sie in dem traurigen Hause in Erstaunen setzte. Wie man ihr am Abend ihrer Ankunft ein Nachttuch um den Kopf gebunden hatte, bis eine Haube für sie gemacht wäre, für sie, welche gewohnt, mit bloßem Kopfe und bei offenem Fenster zu schlafen, ebenso breitete sich in vielen andern Dingen die Traurigkeit dieses Hauswesens wie ein dichter Schleier um sie aus.

      Alles setzte sie in Verwunderung: die graue Tapete des Zimmers der Schwester, die braunen Vorhänge des Zimmers der Mutter, das ernste Gesicht des jungen Schulmeisters, seine Stimme, seine schwarze Kleidung, seine alten gelben Bücher; Alles erschien ihr düster, bis auf das Violoncell, das sie in Thränen zerfließen machte, als sie es zum ersten Male am Abend um zehn Uhr, in einem Halbschlafe spielen hörte.

      Bei ihrer trefflichen Organisation betrübte sie sich indessen nicht sehr tief über Alles das, weil sie sich mit einem Anscheine von gesundem Verstande einbildete, da sie nur das Landleben kenne, so sei es möglich. daß in der Stadt Jedermann auf diese strenge Weise lebe.

      Sie machte sich also selbst Vernunft und beschloß in ihrem inneren Forum, sich dem halbklösterlichen Leben zu unterwerfen.

      Doch, ein

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