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      Die Mohicaner von Paris

      Erstes bis viertes Bändchen

       I

      In welchem der Verfasser den Vorhang von dem Theater aufhebt, wo sein Drama spielen soll

      Will der Leser mit mir eine Pilgerfahrt nach den Tagen meiner Jugend machen und die Hälfte vom Laufe meines Lebens, das heißt ein Vierteljahrhundert zurückgehen, so werden wir miteinander am Anfange des Jahres der Gnade 1827 Halt machen, und wir werden den Generationen, die aus dieser Zeit datieren, sagen, was das physische und moralische Paris der letzten Jahre der Restauration war.

      Beginnen wir mit dem physischen Anblick des neuen Babylon

      Von Osten nach Westen war Paris im Jahre 1827 Ungefähr, was es 1854 ist. Paris am linken Ufer der Seine ist natürlich stationär und zielt eher darauf ab, sich zu entvölkern, als zu bevölkern; im Gegensatze zur Civilisation, welche vom Osten nach dem Westen fortschreitet, schreitet Paris, diese Hauptstadt der civilisirten Welt, vom Süden nach dem Norden fort; Montrouge reißt Montmartre an sich.

      Die einzigen wirklichen Arbeiten, welche auf dem linken Ufer von 1827 bis 1854 gemacht wurden, sind der Platz und die Fontaine Cuvier, die Rue de l’Ecole-Polytechnique, die Rue de l’Quest, die Rue de Bonaparte, der Orleans-Bahnhof, der der Barrière du Maine; endlich die Sainte-Clotilde-Kirche, die sich auf der Place Belle-Chasse erhebt, der Palast des Staatsrathes auf dem Quai d’Orsay und das Hotel des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten auf dem Quai des Invalides.

      Ganz anders war es auf dem rechten Ufer, das heißt in dem zwischen dem Pont d’Austerliz und dem Pont d’Jena begriffenen Raume, längs dem Fuße des Montmartre. Im Jahre 1827 erstreckte sich Paris in Wirklichkeit im Osten nur bis zur Bastille, – und es war noch das ganze Boulevard Beaumarchais zu bauen; im Norden nur bis zur Rue de la Tour d’ Auvergne und der Rue de la Tour-des-Dames, und im Westen nur bis zum Schlachthause du Roule, und der Allee des Veuves.

      Dach vom Quartier des Faubourg Saint-Antoine, das von der Place de la Bastille bis zur Barrière du Trone geht; dem Quartier Popincourt, das dem Faubourg Saint-Antoine bis zur Rue Ménilmontant geht; vom Quartier des Faubourg du Temple, das von der Rue Ménilmontant zum Faubourg Saint-Martin geht, vom Quartier Lafayette, das dem Faubourg Saint-Martin bis zum Faubourg Peissonnière geht; dem Quartier Turgot endlich, vorn Quartier Trudaine, vom Quartier Berda, vom Quartier Tivoli, vom Quartier der Place de l’Europe, vom Quartier Beaujon; von den Rues de Milan. de Madrid, Chaptal, Boursauld, de Laval, de Lendres, d’Amsterdam, de Constantinopel, de Berlin, u.s.w.  u.s.w. war nach nicht die Rede. Quartiere, Plätze, Squares, Straßen, der Zauberstab der Fee, die man die Industrie nennt, hat sie alle aus der Erde hervorspringen gemacht, um als Gefolge für die Fürsten des Handels zu dienen, welche man die Eisenbahnen von Lyon, von Straßburg, von Brüssel, und vom Havre nennt.

      In fünfzig Jahren wird Paris den ganzen Raum ausgefüllt haben, der heute zwischen seinen Vorstädten und seinen Festungswerken leer bleibt; dann wird Alles, was Vorstadt ist, Paris sein, und neue Vorstädte werden sich an allen Oeffnungen dieser ungeheuren Ringmauer ausdehnen.

      Wir haben gesehen, was das physische Paris 1827 war; sehen wir nun, was das moralische war.

      Karl X. regierte seit zwei Jahren; seit fünf Jahren war Herr von Villèle Präsident des Conceil; seit drei Jahren war Herr Delavau auf Herrn Anglès, der so schwer im Prozesse Manbreuil compromittirt, gefolgt.

      König Karl X.war gut; er hatte ein zugleich schwaches und redliches Herz und ließ um sich die zwei Parteien wachsen. welche ihn, während sie ihn zu befestigen glaubten. stürzen sollten: die Ultra-Partei und die Priester-Partei.

      Herr von Villèle war weniger ein Staatsmann, als ein Börsenmann; er wußte die öffentlichen Fonds in Bewegung zu setzen, zu verrücken, umzurühren, unter einander zu mengen; das war aber Alles. Uebrigens persönlich ein ehrlicher Mann, der sich von den Finanzen nach fünf Jahren, so arm. als er eingetreten war, und nachdem ihm Milliarden durch die Hände gegangen, zurückziehen sollte.

      Herr Delavau war ohne persönlichen Werth, ganz und gar, nicht dem König, sondern der doppelten Partei, weiche in seinem Namen regierte,. Ergeben. Sein Personalchef forderte Beichtzettel von den Angestellten und selbst von den Agenten; man konnte nicht als Polizeispion angenommen werden, wenn man nicht wenigstens in einer der dem Tage der Zulassung vorhergehenden zwei Wochen gebeichtet hatte.

      Der Hof war traurig und wurde nur erheitert durch die Jugend. das Bedürfniß nach Zerstreuung und die künstlerische Seite des Charakters der Frau Herzogin von Berry.

      Die Aristokratie war ängstlich und gespalten: ein Theil klebte an den halb liberalen Traditionen von Ludwig XVIII. und behauptete, die Ruhe der Zukunft hänge von einer weisen Vertheilung der Gewalt unter die drei großen Staatskörper, den König, die Kammer der Pairs und die Deputirten-Kammern ab; der andere Theil warf sich mit aller Heftigkeit rückwärts, wollte 1827 wieder mit 1788 verknüpfen, leugnete die Revolution, leugnete Bonaparte, leugnete Napoleon, und glaubte keine andere Stütze nötig zu haben, als die an welcher sich Ludwig IX., ihr Ahnherr, und Ludwig XIV., ihr Vorfahre, festgehalten hatten, nämlich das göttliche Recht.

      Das Bürgerthum war, was es zu allen Zeiten gewesen ist: ein Freund der Ordnung, ein Begünstigter des Friedens; es wünschte eine Aenderung und zitterte, diese Aenderung könnte stattfinden; es schrie gegen die Nationalgarde, gegen den Verdruß, Wachdienste thun zu müssen, und wurde wüthend. als man im Jahre 1828 die Nationalgarde auflöste. Im Ganzen folgte es dem Leichenbegängnisse des Generals Foy, nahm Partei für Grégoire und für Manuel, unterschrieb bei den Touquet-Ausgaben und kaufte zu Millionen die Tabaksdosen mit der Charte.

      Das Volk war offen von der Opposition,. ohne genau zu wissen, ob es bonapartistisch oder republikanisch; es wußte nur, daß die Bourbonen nach Frankreich im Gefolge der Engländer, der Oesterreicher und der Kosaken zurückgekehrt waren. Da es aber die Engländer, die Oesterreicher und die Kosaken haßte. So haßte es natürlich auch die Bourbonen und wartete nur auf den Augenblick, sich Ihrer zu entledigen . . . Jede neue Verschwörung wurde mit freudigem Zuruf begrüßt: für das Volk waren Didier, Berton, Carré Märtyrer; die vier Sergenten von la Rochelle Götter!

      Nachdem wir nun auf drei successiven Stufen vom König zur Aristokratie, von der Aristokratie zum Bürgerthum und vom Bürgerthum zum Volke herabgestiegen sind, steigen wir noch eine Stufe tiefer herab, und wir werden uns an den nur von den bleichen Laternen der Rue de Jerusalem beleuchteten Rändern der Gesellschaft befinden.

      Nehmen Sie an, wir seien an den Abend der Fastnacht von 1827 versetzt.

      Seit zwei Jahren gibt es keine Polizei-Maskeraden mehr; die Wagen, deren doppelte Reihe die Boulevards durchfurcht ganz beladen mit Poissarden und Malins, welche, so oft sie sich kreuzen, anhalten, sind Privatwagen.

      Einige von diesen Wagen geübten im Grunde einem vortrefflichen jungen Manne Namens Labattue, der drei oder vier Jahre später an einer Brustkrankheit in Pisa sterben wird,. und obgleich er Alles in der Welt thut, daß man erfahre, daß diese ungeheuren Maskeraden, diese Hornbläser, diese Reiter ihm gehören, wollen die Zuschauer doch beharrlich nichts von seinem Namen wissen und thun Lord Seymour die Ehre an.

      Unter den Cabarets sind am meisten in der Mode: bei der Courtille Desnoyers, der Salon de Flore, die Courtille; bei der Barrière du Maine Tonnelier.

      Die besuchten Bälle sind: die Chaumière, gehalten von Lahire; – zwei Racen, welche heute zu verschwinden im Begriffe sind, tanzen dort auf dem Vulcan der sie verschlingen soll: die Studenten, die Grisetten; die Lorette und die Arthurs, welche ihre Stelle eingenommen haben, sind noch unbekannt: Gavarni wird für sie sein reizendes Auslader-Costume1 schaffen; der Prade der dem Justizpalaste gegenüber blinkt; das Colyssée. Das hinter dem Chateau d’Eau steht; die Porte Saint-Martin und Frankoni, welche allein mit der großen Oper das Privilegium der Maskenbälle haben.

      Wohl verstanden, wir sprechen hier von der Oper nur der Erinnerung wegen: in der Oper tanzt man nicht, man geht spazieren, die Frauen im Domino, die Männer im schwarzen Frack.

      Auf den andern Bällen, bei Desnoyers, im Salon de Flore. bei Tonnelier. in der Caumière, im Prado, im Colyssée. bei der Porte Saint-Martin, bei Frankoni tanzt man auch nicht: man chahuttirt.

      Die

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<p>1</p>

Les débardeurs, Auslader der Schiffe, haben in Paris eine besonders reizende Tracht.