Скачать книгу

er die von uns erzählte That vollbracht hatte. »Gehen wir in den ersten Stock hierauf.«

      »Wie Du willst,« erwiderte Ludovic, »obschon es diesem Schauspiele nicht an Interesse gebricht.«

      Ein Kellner. der ihnen bei ihrem Eintritt in die Anstalt folgte, ohne Zweifel um sich zu versichern. Daß er es mit Consumenten zu thun habe, mischte sich unverzüglich ins Gespräch.«

      »Diese Herren wünschen in den ersten Stock hinaufzugehen?« fragte er.

      »Es, wäre uns in der That nicht unangenehm.« antwortete Petrus.

      »Hier ist die Treppe.« sprach der Kellner. indem er auf eine Art von schneckenförmiger Stiege deutete.«

      Die drei Freunde begannen die schwierige Aufsteigung unter dem Gezische und dem Gelächter der Masken, welche zischten und lachten, ohne zu wissen, warum – um den Lärmen zu machen, mit dem sich die Leute, die nur bespitzt sind, zu berauschen, und diejenigen, welche nun trunken sind. zu besaufen.

      Im ersten Stocke war der Saal voll wie im Erdgeschoße, es war dieselbe Anhäufung von Leuten in einer und derselben räucherigen Stube, mit neugierigen Wänden, welche durch die Risse einer schmutzigen, grauen Tapete schauten, mit grün und gelb gestreiften rothen Vorhängen und einem schwarzen Plafond.

      Von der Thürschwelle aus gesehen, war diese Welt die noch einen Grad unter der, welche man verlassen, zu stehen schien. – diese Welt beleuchtet, wenn nicht verdunkelt, durch die röthlichen und fahlen Scheine von drei bis vier Lampen, war das lebendige Bild, die fühlbare Verkörperung, der verworrenen, buntscheckigem unvereinbaren Ideen, die sich im Gehirne eines Betrunkenen durchkreuzen.

      »Ho! Ho!« sagte Jean Robert, der vorangegangen war und die Thüre aufgemacht hatte. »es scheint, die Hölle von Bordier ist gerade das Gegentheil von der Hölle von Dante: je höher man hinaufsteigt desto tiefer kommt man hinab.«

      »Nun. was sagst Du dazu?« fragte Petrus

      »Ich sage, daß es nur abscheulich war, daß es nun aber interessant wird.«

      »Gehen wir immer weiter hinauf!« sprach Petrus.

      »Thun wir das!« billigte Ludovic.

      Und die drei Freunde setzten ihre Aufsteigung auf der immer schlechteren und schmäleren Treppe fort.

      Im zweiten Stocke dasselbe Gedränge, dasselbe Schauspiel in einer ungefähr ähnlichen Decoration, wenn nicht etwa. daß der Plafond niedriger war, die Atmosphäre dicker und die athembare Luft folglich mit mehr ungesunden Dünsten beladen.

      »Nun?« sprach Ludovic . . .

      »Was sagst Du. Jean Robert?« fragte Petrus.

      »Gehen wir immer weiter hinauf!« antwortete der Dichter.

      Im dritten Stocke war es noch schlimmer.

      Es fanden sich hier auf den Tischen und unter den Tischen. auf den Bänken und unter den Bänken etwa fünfzig menschliche Geschöpfe, – wenn der unter das Niveau des Viehes gesunkene Mensch diesen Namen zu behalten verdient.«

      Diese fünfzig Geschöpfe. Männer. Weiber und Kinder, waren gelagert. ausgestreckt. eingeschlafen neben zertrümmerten Tellern und zerbrochenen Flaschen, befleckt von Brühen. geröthet von den Weinen.

      Eine einzige Lampe erleuchtete düster die Stube.

      Man würde geglaubt haben, es sei die Lampe eines Grabes, hätte nicht rauhes heiseres Schnarchen, aus der Brust mehrerer Schläfer hervorkommen. laut die materielle Existenz dieser, intellektuell todten Trunkenbolde geoffenbart.

      Es wurde Jean Robert schwach ums Herz; doch Jean Robert war Meister über sich: sein Herz hätte brechen können. sein Wille würde sich nicht gebeugt haben.

      Petrus und Ludovic schauten einander an, ganz bereit, der Eine trotz seiner Begeisterung. der Andere trotz seiner Kälte. umzukehren,

      Jean Robert aber, da er sah. daß die Treppe gleichsam an die Mauer angeklebt, zu dem höheren Stocke an die Art einer Müllerleiter aufstieg, Jean Robert betrat die Treppe und sagte, behaglicher dem Anscheine nach, je weniger er es in Wirklichkeit war:

      »Vorwärts meine Herren, Sie haben es gewollt; höher hinauf, immer höher!«

      Jean öffnete halb die Thüre des vierten Stockes.

      Die Dekoration blieb hier dieselbe, doch die Scene änderte sich.

      Fünf Männer saßen um einen Tisch. auf welchem man die Ueberreste von Würsten und Schlitten mitten unter acht bis zehn Flaschen erblickte, die sich wie Kegel, nur weniger symmetrisch geordnet, erhoben.

      Diese Männer waren im Stadtkleide.

      Wenn wir sagen im Stadtkleide, so wollen wir damit einfach sagen, sie seien nicht Costümirt gewesen, und haben nur Blousen, Kittel oder Wämmser getragen

      Die drei Freunde traten ein; der Kellner, der ihnen von Stock zu Stock gefolgt war, trat hinter ihnen ein

      Die Ankömmlinge blieben auf der Thürschwelle stehen, ließen einen Blick in der Stube umherlaufen, und Jean Robert machte ein Zeichen. welches besagen wollte: »Das ist es, was uns ansteht.«

      Die Pantomime war so ausdrucksvoll, daß Petrus erwiderte:

      »Wahrlich! wir werden hier sein wie Prinzen!«

      »In der That,« sprach Ludovic, »es wird uns nichts mehr fehlen, als athembare Luft.«

      »Gut!« versetzte Petrus. »man wird dadurch machen, daß man ein Fenster öffnet.«

      »Wo soll man den Herren den Tisch decken?« fragte der Kellner.

      »Hier!« antwortete Robert. Und er bezeichnete mit dem Finger die Seite der Stube der entgegengesetzt wo sich die fünf ersten Gäste befanden.

      Die Stube war so niedrig, daß man nothwendig beim Eintritt seinen Hut abnehmen mußte, und selbst wenn man den Hut abnahm, stieß Jean Robert, der Größte von den drei jungen Leuten, mit dem Kopfe an der Decke an.

      »Was wünschen die Herren?« fragte der Kellner.

      »Sechs Dutzend Austern, sechs Hammelcotelettes und einen Pfannkuchen,« antwortete Petrus.

      »Wie viel Flaschen?«

      »Drei Flaschen Chablis erster Qualität, mit Selerser Wasser, wenn es in diesem Hause gibt.«

      Bei dieser Frage, welche auf eine Meile nach der Aristokratie roch, wandte sich einer von den fünf ursprünglichen Gästen gegen die Ankömmlinge um und sagte:

      »Ho! Ho! wir haben es, wie es scheint, mit Muscadins zu thun.«

      »Mit Haussöhnen.«

      »Oder mit Bürgern von der hohen Pègre!3« rief ein Dritter.

      Und die fünf Trinker lachten laut auf. Da die modernen Romane und die Denkwürdigkeiten von Vidocq die Leute der guten Gesellschaft noch nicht mit den Rothwälsche-Ausdrücken vertraut gemacht hatten, so wußten die drei Abenteurer nicht, daß sie ganz einfach als Diebe behandelt worden waren; sie schenkten auch dem Gelächter, das auf die Beleidigung folgte, nur eine geringe Aufmerksamkeit.

      Jean Robert hatte schon seinen Mantel auf einen Stuhl gelegt und sein Stöckchen in die Ecke des Feunters gestellt.

      Der Kellner schickte sich an, wegzugehen, um das Abendbrod zu bestellen als derjenige von den Männern, welcher zuerst gesprochen und die jungen Leute als Muscadins behandelt hatte, den Kellner an seiner Schürze zurückhielt und ihn fragte:

      »Nun?«

      »Nun, was?« versetzte der Kellner

      »Hat man nicht schon Karten verlangt?«

      »Doch.«

      »Warum hat man sie dann nicht gebracht?«

      »Weil Sie wissen, daß man keine in diesen Stunden gibt.«

      »Wie welchen Gründen?«.

      »Fragen Sie Herrn Delavau!«

      »Wer ist das, Herr Delavau?«

      »Der

Скачать книгу


<p>3</p>

La haute pègre ist eine Association von ausgezeichneten Dieben. Vidocq hat dieser Association in seinem Werke: »Die wahren Geheimnisse von Paris« (in der Uebersetzung durch den Frank’schen erlag veröffentlichte ein besonderes Kapitel gewidmet. D. Uebers.