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mehr über einem Kopfe schwebe, erwartete er Alain, um ihm seine Arme zu öffnen, ihn an sein Herz zu drücken und ihn um Verzeihung zu bitten wegen des Unrechtes, welches ihm das böse Kind zugefügt hatte.

      Vielleicht, wäre Thomas Langot nicht gewesen, so hätten diese Arme den Sohn umfaßt und Alles wäre vergessen gewesen.

      Aber anstatt Alain’s war es ein Gerichtsdiener, der sich an der Barriere zeigte, welche der Obstgarten auf der Meyerei bildete.

      Dieser Gerichtsdiener, an den Thomas Langot den jungen Mann gewiesen, war der Ueberbringer einer Vorladung und einer förmlichen Aufforderung Rechenschaft abzulegen.

      Jean Montplet war wie vernichtet. Er weinte, er, der seit dem Tode seiner armen Frau keine Thräne vergossen hatte. Dann, als diese Thränen versiegt waren, blieb er zwei Stunden lang vor diesem schlecht geschriebenen Stück Papier sitzen und drehte es beständig zwischen seinen Fingern herum, wie es ein Verurtheilter mit einem Todesurtheile thun würde, und fragte sich, wie so viel Undankbarkeit in so wenigen Zeilen enthalten fein könne.

      O! Ich kann Euch versichern, es war ein großer und tiefer Schmerz, den Jean Montplet beim Anblicke dieses Stück Papiers empfand! So groß, so tief, daß er ihn heftig erschütterte und das Nationalgefühl auslöschte.

      Der arme Vater vergaß, daß er Normand war, schüttelte den Kopf, um seinen eigenen Gedanken zu antworten, und entsagte der Klage.

      Er theilte ein Vermögen in zwei Theile, machte den einen zu Gelde, welches er zu dem Notar eines Sohnes, einem Winkelsachwalt in Isigny, Namens Richard, trug, und beauftragte ihn, Alain zu sagen, wenn er, Jean Montplet darauf bestanden, dieses Geld zu behalten, so sei es nur geschehen, um es ihm eines Tages mit Wucher wiederzugeben.

      Dann kehrte Jean Montplet, der diesmal vollständig verwittwet war, da er die Mutter und das Kind verloren hatte, zurück, um sich in die Meyerei einzuschließen, die selbst sehr verändert war, seit der Entfernung des Undankbaren, der die Seele des Hauses und die Freude des Herzens gewesen.

      Von jetzt an lebte er in seiner Einsamkeit oder vielmehr in seiner Abgeschiedenheit eben so traurig, eben so düster und eben so verzweifelt, wie er in der Vergangenheit heiter lächelnd und freudig gelebt hatte.

      Was Jean Montplet’s Schmerz noch verdoppelte, war, daß er erfuhr, Alain sei nach Paris abgereist.

      Und in der That richtete das Leben in der Provinz nicht so schnell zu Grunde, wie es den Wünschen Thomas Langot’s entsprach.

      Er bedurfte der Stadt Paris, dieses Strudels und Abgrundes zugleich, dieser Stadt Paris, welche berauscht und verschlingt.

      Alain war also in Paris, wo er mit Jean Montplet’s Thalern ein lustiges Leben führte.

      Dieses Leben wollen wir nicht zu beschreiben versuchen, übrigens liegt das Herz des Buches, welches wir schreiben nicht hier, und wir sind erst bei der Vorrede, kaum bei der Exposition angekommen.

      Die Geschichte aller verlornen Söhne ist dieselbe: da ist die Tafel, das Spiel und die Weiber.

      Alain Montplet brachte ein Jahr in Paris zu. Man rechnet vier Monate für die Maison-d’Or, vier Monate für Frascati und vier Monate für das Quartier-Breda, und Ihr habt beinahe die topographische Geschichte seines Lebens während dieses Jahres.

      Brutal, absprechend und selbst grob, wie er es war, konnte Alain nicht umhin, häufig in unangenehme Streitigkeiten verwickelt zu werden.

      Er hatte zweimal einen ernstlichen Streit. Der eine war auf dem Balle im Opernhause.

      Als er betrunken war, beleidigte er einen jungen Mann, an dessen Arme er ein Frauenzimmer zu erkennen glaubte, welches eine Geliebte gewesen.

      Alain Montplet verstand sich nur auf Eins, nämlich zuzuschlagen, und er schlug zu.

      Er war stark wie ein Stier. Der junge Mann, den er geschlagen hatte, beugte sich unter dem Schlage und versuchte nicht einmal, ihn zurückzugeben.

      Aber am folgenden Morgen um sieben Uhr ließen ihm zwei junge Männer, die unserem Helden unbekannt waren, die Karte überreichen.

      Alain Montplet stand brummend auf.

      Die beiden Unbekannten waren die Zeugen des jungen Mannes, den er auf dem Opernballe beleidigt hatte.

      Alain Montplet, der in die Maison-d’Or gegangen war, hatte den Opernball, das masquierte Frauenzimmer und den Streit vergessen.

      Die beiden jungen Leute erinnerten ihn höflich an Dies alles; nach und nach wurde es in Alain’s Kopfe hell. Es wurde ihm erklärt, daß es in Paris nicht ganz so sei, wie in Maisy, wo es hinreichend sei, der Stärkste zu sein, um Recht zu haben; es wären unter gebildeten Leuten andere Formen zu beobachten, und um die Ungleichheit der Kräfte auszugleichen, habe die Civilisation kleine Instrumente erfunden, wovon man einige Degen und andere Pistolen nenne, und vermöge welcher der Zwerg dem Riesen, der Schwache dem Starken gleich werde.

      In Folge Dessen nahm Monsieur Hector de Ravennes, der die Ueberlegenheit der Stärke des jungen Bauern anerkannte und darauf verzichtete, mit Faustschlägen gegen ihn zu kämpfen, sein Recht in Anspruch, sich auf andere Weise Genugthuung zu verschaffen.

      Alain Montplet wurde also aufgefordert, sich zwei Zeugen zu wählen, und sich am folgenden Tage um neun Uhr Morgens in der Allee-de-la-Muette einzufinden.

      Er konnte seine Degen mitbringen; sein Gegner brachte auch die einigen mit.

      Man wollte durchs Loos entscheiden, welcher man sich bedienen sollte.

      Alain begriff während dieser ganzen Auseinandersetzung, daß es eine ernstliche Sache sei, und daß es sich ums Leben handelte.

      In Maisy war es bequemer, besonders für ihn.

      Wenn er einen Streit gehabt, hatte man sich mit den Fäusten geschlagen; man kam mit einem abgebrochenen Zahne, einer zerquetschten Nase oder einem angelaufenen Auge davon; aber Das war Alles.

      In Paris ging es, wie es ihm schien, anders zu.

      Nun war man in Paris – und nicht in Maisy; in dem Departement der Seine und nicht im Departement Calvados.

      Man mußte sich also der Sitte des Ortes fügen.

      Der junge Landmann war tapfer.

      Er war also weit entfernt, den Zweikampf, wozu er aufgefordert wurde, auszuschlagen.

      Aber er hatte nie einen Degen in der Hand gehabt und es war ihm nie der Gedanke in den Sinn gekommen, daß er einst Veranlassung haben werde, einen zu führen.

      Er wußte ebenso wenig mit Pistolen umzugehen; aber er hatte seine Flinte viel gehandhabt und wußte sich derselben auf ausgezeichnete Weise zu bedienen.

      Nur sah er ein, daß eine große Aehnlichkeit zwischen der Flinte und der Pistole obwalte, so daß er mit der Pistole wenigstens ein Leben vertheidigen konnte.

      Er verlangt also, daß man anstatt des Degens die Pistole anwende.

      Aber auf diesen Vorschlag wurde ihm eine zweite Theorie, ebenso logisch wie die erste, auseinandergesetzt.

      Nämlich, daß Der, welcher beleidige oder schlage, sich durch die zugefügte Beleidigung oder den gethanen Schlag der gänzlichen Verfügung seines Gegners aussetze; sonst würde der Mann, der eine Ueberlegenheit in irgend einer Waffe zu haben fühle, beleidigen, schlagen und dann seine Waffe bestimmen können.

      Diese bewunderungswürdige Erfindung der Degen und Pistolen, welche der physischen Stärke ein Gleichgewicht bildet, würde sonst völlig unnütz werden.

      Alain Montplet hatte den Vortheil gehabt, zu beleidigen und zu schlagen. Es blieb dem Monsieur Hector de Ravennes gegen diese beiden Vortheile, die sich ein Gegner angemaßt hatte, der einzige Vortheil, die Waffen zu wählen.

      Auf diesen Vortheil machte er Anspruch und wählte den Degen.

      Alain Montplet wollte noch einige Bemerkungen machen, aber er erhielt die Antwort, daß man beauftragt sei, Genugthuung von ihm zu verlangen und nicht, seine Erziehung zu vervollständigen; wenn er an der Wahrheit, der ihm mitgetheilten Worte zweifle, könne er sich bei seinen Secundanten erkundigen, und wenn ihm Das noch ungenügend erscheine, könne er die Duellgesetze befragen,

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