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Wasserhühner, die wilden Gänse, die Regenpfeifer, die Krickenten und selbst die unschuldigen Weißschwänze, so roh gejagt von den Nimrods von Saint-Denis und Bougival, gehören zu dem wilden Geflügel.

      Die Jagd dieses Wildes, wenn man sie am Ufer des Meeres ausübt, ist vielleicht heutiges Tages die einzige, welche ernstliche Gefahren bietet, die einzige, welche noch die abenteuersuchenden Geister anlocken kann, für welche die Gefahr ein Reiz ist, welche die lebhaften Gemüthsbewegungen als Genüsse aufsuchen, die sich endlich geniert und unbequem fühlen in dem gemächlichen Leben, welches die Civilisation den Bescheidensten bereitet hat.

      Nicht in den Sümpfen allein muß der Geflügelschütze sein Wild suchen! Die Felsen, die Sandbänke, die Klippen, die man besonders an der Mündung der Flüsse findet, sind viel vortheilhafter auszubeuten. Diese Felsen und Sandbänke dienen Tausenden von Wasservögeln als Zufluchtsort. Wenn die Nacht kommt, mögen nun die Vögel den Tag auf dem Oceane zugebracht, mögen sie ihre Nahrung auf den Flüssen oder auf den Teichen im Innern des Landes gesucht haben, oder dort nur auf ihren Wanderungen einen Halt machen, auf alle Fälle versammeln sie sich dort auf diesen Sandbänken und auf diesen Felsen, wie an einem verabredeten Orte, lassen sie sich in unzähligen Schaaren nieder und bilden eine buntscheckige Bevölkerung, wo die Geschlechter und Familien häufig unter einander gemischt sind.

      Aber so reichlich dieses Wild vorhanden sein mag, ist es doch oft schwierig, ja gefährlich, es auf diesen beweglichen Sandbänken, die von jeder Fluth versetzt werden, auf diesen Felsen zu suchen, die so glatt und schlüpfrig sind wie Gletscher und die wie die Gletscher einen Abgrund unter sich haben, und zwar während der dunklen und kalten Nächte der strengsten Jahreszeit, denn nur vom Monat October bis zum April ist die Jagd des wilden Geflügels wahrhaft ergiebig.

      Nach Dem, was wir eben gesagt haben, wird der Leser leicht begreifen, welches die Gefahren sind, denen, der Jäger ausgesetzt ist. So groß auch seine Gewandtheit, seine Geschicklichkeit, seine Stärke und Kühnheit ist, darf er doch keinen Augenblick vergessen, daß er auf einem dem Meere angehörigen Terrain ist, und daß die Fluth in wenigen Stunden wieder überschwemmen wird, was die Ebbe für den Augenblick verlassen hat. Einige Minuten der Zerstreuung, der Träumerei oder des Schlummers können ihm das Leben kosten, denn seine ganze Gewandtheit, seine ganze Energie, eine ganze Geistesgegenwart würde ohnmächtig werden in dem Kampf, den er gegen das wüthende Element zu bestehen haben würde, welches in ein Gebiet zurückkehrt, unerbittlich wie ein legitimer Besitzer, der auf einen Augenblick verdrängt worden.

      Diese Gefahren eines gewaltsamen Todes haben ihre kleinen Nebenumstände: diese sind der Schnupfen, der Husten, die Lungenentzündung, der Rheumatismus, der natürliche Erfolg der Unbeweglichkeit, die der Jäger bewahren muß, wenn er in der Nähe einer Wasserfläche, in einem Loch versteckt, von dem Pfeifen der Windstöße und dem Gebrüll der Wogen betäubt, erstarrt von der Feuchtigkeit, die ihn nach und nach durchdringt und sich eines ganzen Körpers von der Haut bis in das Mark der Knochen bemächtigt, wartet, daß ein Mondstrahl, zwischen zwei-Wolken durchgleitend, ihm gestattet, auf das Wild anzulegen, welches nur einige Schritte von ihm entfernt eingeschlafen ist.

      Woher kam der Vater Gabion? Man wußte es nicht.

      Welches war ein wahrer Name?

      Man wußte es nicht.

      Eines Tages – vor einigen zwanzig Jahren – war er in dem Lande erschienen und aus dem Departement la-Manche gekommen, seine Entenflinte auf der Schulter und von seinem Pudel begleitet.

      Er hatte sich also in dem Gabion (Schanzkorbe) niedergelassen und nicht mehr oder weniger als ein Montmorency oder ein Coucy den Namen seiner Besitzung angenommen.

      Da er nun aber Niemanden Unrecht oder Leid zugefügt hatte, da er am Tage schlief, in der Nacht jagte, dem Wildhändler von Isigny ein Wild brachte, den Preis dafür einstrich und das Wenige, welches er kaufte, baar bezahlte, so wurde er weder geliebt noch gehaßt, und man ließ ihn endlich nach einem Gefallen leben, ohne sich mehr um ihn zu kümmern, als er sich um die Anderen kümmerte.

      Dies war der Lehrer, den der Jägerinstinct des jungen Montplet ihn hatte entdecken lassen, und welcher ihm bald gezeigt, wie er sich anstellen müsse, um Enten und Becassinen zu schießen, und daß er nicht eher auf einen Seevogel feuern dürfe, als bis er sein Auge unterscheiden könne.

       Zweites Kapitel.

      Der Shylock des Dorfes

      Diese ausschließlich materielle Erziehung entwickelte die schon ein Wenig wilden Neigungen des Characters unseres Helden, denn der Leser ist gewiß nicht mehr im Zweifel, daß Alain Montplet unser Held ist.

      Er begeisterte sich für das Schwimmen, für den Fischfang, für die Jagd mit jener wilden Leidenschaft, welche in unseren Tagen nur eine Ausnahme bildet.

      Sie beschäftigte ihn nicht nur einen Theil seiner Tage, sondern auch während seiner Nächte.

      Die Eintheilung der Zeit, die Reihenfolge der gewöhnlichen Ordnungen war nicht vorhanden für den jungen Erben der Meyerei. Die Stunden der Mahlzeiten, die Stunden des Schlafes – Nichts war regelmäßig bei ihm. Er aß, wenn er Hunger hatte, er schlief, wenn er zu schlafen, geneigt war, und außer der Zeit, die er mit Schlafen hinbrachte, außer drei reichlichen Mahlzeiten und einigen Stunden des Schlummers, die er benutzte, wo er sich befand, war alles Uebrige seinen Lieblingsübungen gewidmet.

      Von Arbeit war natürlich nicht die Rede.

      Alain konnte lesen und schreiben, Das war Alles. Er kannte beinahe die beiden ersten mathematischen Species, aber er hatte nie über die Multiplication hinauskommen können. Es versteht sich von selber, daß die Division ein australisches Land, völlig unbekannt und unerforscht, für ihn war.

      Indessen konnten die drei Leidenschaften, zwischen welchen sich das Leben des jungen Montplet theilte, diese überschäumende Natur nicht ganz in Anspruch nehmen. Es bemächtigte sich einer eine unbestimmte Unruhe, eine Melancholie ohne Grund; eine gewohnten Zerstreuungen genügten ihm nicht mehr; es schien ihm, als ob einem Leben irgend Etwas fehle. Er hatte nie sagen können, was dieses Etwas war; dieses Etwas war ihm völlig unbekannt.

      Er empfand jenes Mißbehagen eines Jünglings von sechzehn bis siebzehn Jahren; aber als er zu diesem Alter gelangt war, veränderte sich Alles.

      Die hohe Statur Alain’s, ein kräftiges Aussehen, seine Frische und seine siebzehn Jahre machten ihn zu einem herrlichen Jungen nach der normännischen Weise. Auch machten ihn die Mädchen von Maisy, von Grand-Camp und Saint-Lo bald mit diesem unbekannten Etwas bekannt, welches er suchte, und welches zu finden er jetzt in dem Alter war.

      Mit achtzehn Jahren war Alain Montplet der Lovelace aller Schönen in baumwollenen Mützen des Landes Bessin; auch blieb er nicht in den Kreis des Districts der Mädchen von Maisy, von Grand-Camp und Saint-Lo eingeschlossen; er ging zu denjenigen von La-Cambe, von Formigny, von Trevière über und breitete seine Liebesunternehmungen bis zur Delivrande aus.

      Damals war er eine von jenen zwitterhaften Personen, Einer jener feinen Stutzer des Landes, halb Bürger, halb Bauer, die man in den kleinen Städten und den großen Marktflecken trifft, welche sich in Hemdärmeln oder in der Blouse in den Schenken, Kaffeehäusern oder in den Gängen jener Häuser umhertreiben, wie die Söhne der pariser Familien, in gelben Handschuhen und die Cigarre zwischen den Lippen, auf dem Asphalt des Boulevarddes-Italiens und auf dem Trottoirs des Stadtviertels Breda umherstolzieren.

      Man glaubte nicht nach der Benennung Lovelace – denn der Name des Helden Richardson’s ist vermöge der Elasticität der Sprache ein Beiwort geworden —, die wir mit dem Namen Alain in Verbindung gesetzt haben, daß die Liebe eine Rinde geglättet, seine Manieren civilisiert, seinen Charakter gemildert habe.

      Nein, die Liebe, die man in der Welt Alain Montplet’s antreffen konnte, war nicht von der Stärke, um ähnliche Verwandlungen hervorzubringen; nein, der junge Bursche aus der Meyerei hatte nicht, wie Phaon von der Venus jene erweichende und parfümierte Essenz erhalten, welche das Elend der glühenden Sappho herbeiführte. Er war schön nach der ursprünglichen Weise, er war stark wie ein Titane, und er theilte sein Leben zwischen seiner Liebe, einem Fischfange mit dem Vater Henin – von Diesem werden wir später zu sprechen Gelegenheit haben – und seiner Jagd in den Sümpfen der

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