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unwillkürliche, aber sehr bemerkbare Erfolg hatte eine allmähliche Annäherung zwischen den beiden Ärzten wider Willen und der schönen Patientin zur Folge; sie gingen ihr nicht mehr von der Seite, und nach vierzehn Tagen waren sie tägliche Gäste im Hotel La Graverie.

      Man fand sie auf den Promenaden, bei den Wettrennen immer beisammen; sie erschienen mit einander in den Ballsälen und Theatern; wer Mathilde erscheinen sah, konnte zehn gegen eins wetten, dass der Chevalier de la Graverie ihr auf dem Fuße folgte, und nach ihm die beiden Cavalieri serventi kamen.

      Es war ein sonderbarer, aber sehr anziehender Familienkreis. Es war keine kosende, früher oder später zur tödlichen Langweile führende Fortsetzung der Flitterwochen unter vier Augen; es war auch kein Kleeblatt nach italienischem Zuschnitt, sondern ein aus vier Personen bestehendes Hauswesen, in welchem der Herr vom Hause, sein Freund und der Schützling der Dame gleiche und ehrlich verteilte Rechte hatten. Jeder erhielt mit sorgfältig bemessener Genauigkeit den ihm gebührenden Anteil an zauberischem Lächeln und freundlichem Dank; alle Drei hatten abwechselnd das Recht der schönen Mathilde den Arm zu bieten, ihren Shawl oder Fächer zu tragen.

      Madame de la Graverie war in der Austeilung ihrer Gunstbezeigungen so streng gerecht, dass Niemand eifersüchtig oder unzufrieden wurde.

      Am zufriedensten unter dem Männerkleeblatt, am dankbarsten nicht nur gegen Mathilde, sondern gegen die beiden Andern war Dieudonné, der innerlich frohlockte bei dem Gedanken, dass er zwei neue Ventile gefunden, durch die er das ihm vormals so drückende Übermaß seiner Zärtlichkeit auslassen konnte.

      Wie es Mathilde anfing, ihren kleinen Hof in dieser ruhigen, zufriedenen Stimmung zu erhalten? Wir gestehen aufrichtig, dass dies eines der weiblichen Geheimnisse ist, die wir ungeachtet oft wiederholter gewissenhafter Studien noch nicht zu ergründen vermochten.

      Am merkwürdigsten war, dass sich die bösen Zungen mit dieser sonderbaren Genossenschaft fast gar nicht beschäftigten. Die junge Blondine schien so naiv, es lag eine solche Arglosigkeit in ihrem Benehmen gegen die beiden Offiziere, Alles an ihr war so natürlich, dass man gewiss für sehr boshaft gegolten haben würde, wenn man den mindesten Verdacht geäußert hätte.

      Der Baron de la Graverie war der Engel mit dem Flammenschwert, der die drei Glücklichen aus ihrem Paradies vertrieb.

      Eines Nachmittags war Mathilde etwas unwohl, Herr von Pontfarcy, so hieß der Husarenlieutenant, hatte Dienst, und so kam es, dass der Chevalier de la Graverie und der Kapitän Dumesnil allein auf der Promenade in den elysäischen Feldern erschienen.

      Obgleich die gewöhnlich unzertrennliche Gesellschaft nur zur Hälfte anwesend war, schien der Chevalier ungemein heiter und aufgeweckt. Ungeachtet seines für sein Alter schon sehr respectabeln Bauches begann er oft zu hüpfen und zu tänzeln, lachte über jede Kleinigkeit und rieb sich schmunzelnd die Hände. Der Kapitän Dumesnil stimmte als Hausfreund pflichtschuldig in diese Heiterkeit mit ein.

      Auf ihrem Spazirgange begegnete ihnen ein Mann, der mit dem Schicksal keineswegs so zufrieden schien, wie der Chevalier.

      Dieser Mann war der Baron de la Graverie.

      Er blickte sorgenvoll vor sich nieder, und hatte den Hut so tief in’s Gesicht gedrückt, dass sie ihn anstießen, ohne ihn zu erkennen. Aber er schaute auf, als er angestoßen wurde, und erkannte sie.

      »Mordieu! Chevalier, es ist mir lieb, dass ich Dir begegne,« sagte der ältere Bruder und nahm den Arm des jüngeren.

      »Wirklich!« sagte Dieudonné und schnitt ein Gesicht; denn er fühlte seinen Arm wie in einen Schraubstock eingezwängt.

      »Ja, ich wollte zu Dir gehen —«

      Dumesnil schüttelte den Kopf, denn es beschlich ihn eine trübe Ahnung.

      Aber der Chevalier bekam schnell seine heitere Laune wieder und antwortete:

      »Es ist doch sonderbar! So eben sagte ich zu Dumesnil: Ich muss doch zu meinem Bruder gehen, um ihm die freudige Nachricht zu überbringen —«

      »Die freudige Nachricht!« wiederholte der Baron mit trübseligem Lächeln. »So! Du hast mir eine freudige Nachricht mitzuteilen? Der Tausch wird nicht zu deinem Vorteil ausfallen, denn ich habe Dir eine ziemlich unangenehme Nachricht zu melden.«

      Ein so aufmerksamer Beobachter wie Dumesnil konnte leicht sehen, dass diese Nachricht, die dem Chevalier so unangenehm sein sollte, dem Baron große Freude machte.

      Dumesnil schauderte, und da der Chevalier Arm in Arm mit dem Kapitän ging, so schauderte er selbst noch mehr aus Sympathie als aus banger Ahnung.

      »Was ist’s denn?« stammelte der arme Dieudonné erblassend; denn er erschrak schon im Voraus über das Leuchten der Bombe, die der Baron in sein Glück schleudern wollte.

      »Nichts für den Augenblick —«

      »Wie, nichts für den Augenblick?«

      »Nein; ich will Dir’s sagen, wenn wir in meiner Wohnung sind, wenn Du so gütig sein willst, mich dahin zu begleiten.«

      Dumesnil sah, dass der Baron seinen Bruder ohne Zeugen zu sprechen wünschte, und da der Erstere nicht verhehlte, dass er eine unangenehme Mitteilung zu machen habe, war ihm an der Zuhörerschaft nicht viel gelegen.

      »Es fällt mir eben ein, lieber Dieudonné,« sagte er, »dass mein Oberst mich erwartet.«

      Er reichte dem Chevalier die Hand und verneigte sich gegen den Baron.

      Aber Dieudonné war nicht der Mann, dem drohenden Unglück allein die Stirn zu bieten; er bemächtigte sich des Armes wieder, den ihm der Kapitän entzogen hatte.

      »Diesen Morgen,« sagte er, »erklärten Sie ja, Sie wären für den ganzen Tag frei. Sie müssen bleiben, und mein Bruder wird mir seine Mitteilung in Ihrer Gegenwart machen. Sie haben ja so eben meine Freude getheilt, es ist also billig, dass Sie auch Ihren Anteil an meinem Verdruss bekommen.«

      »Im Grunde,« sagte der Baron, »weiß ich nicht, warum ich den Herrn Kapitän von einer Mitteilung ausschließen soll, die ihn eben so gut angeht wie Dich.«

      Der Kapitän Dumesnil hob den Kopf, wie ein Schlachtross beim Klang der Trompeten, und errötete leicht.

      »Der Teufel hole den alten Voltigeur, der uns den Tag verdirbt,« flüsterte er dem Chevalier zu.

      Dann sagte er in einem Tone, in welchem zugleich eine Bitte und eine Drohung lag:

      »Herr Baron, Sie haben gewiss wohlbedacht was Sie tun wollen; ich erlaube mir indes die Bemerkung, dass die fraglichen Mitteilungen zuweilen eben so gefährlich sind für den, der sie macht, als schmerzlich für den, der sie vernimmt.«

      »Herr Kapitän,« erwiderte der Baron, »ich weiß welche Pflichten ich als Haupt der Familie La Graverie habe, und ich allein habe zu beurteilen, was die Ehre derselben erheischt.«

      »Mein Gott! was bedeutet das?« dachte der arme Chevalier. »Dumesnil scheint recht gut zu wissen, was mein Bruder mir sagen will, und er hat kein Wort davon gesprochen. – Sage mir lieber auf der Stelle Alles, Baron; die Ungewissheit, die Erwartung ist gewiss peinlicher, als deine Mitteilung.«

      »Komm doch mit mir,« sagte der Baron.

      Beide nahmen nun, ohne ein Wort zu sprechen, in Begleitung Dumesnil’s den Weg zu der Vorstadt Saint-Germain. Auf dem langen Wege bis zur Rue de Varennes wurde kein Wort gesprochen.

      Die Angst des armen Dieudonné, wurde noch größer, als sein Bruder sie in das entlegenste Zimmer seiner Wohnung führte und sorgfältig die Tür verschloss.

      Nachdem der Baron diese Vorkehrungen getroffen, zog er einen Brief aus der Tasche, überreichte ihn offen seinem jüngeren Bruder, fasste dessen Hand und sagte mit dem Tone des Mitleids!

      »Armer Bruder! Unglücklicher Chevalier!«

      Diese Einleitung klang so traurig, dass Dieudonné Bedenken trug, den Brief zu nehmen.

      Dumesnil, der einen verstohlenen Blick auf den Brief warf, erkannte die feinen zierlichen Schriftzüge, und ehe der Chevalier einen Entschluss gefasst hatte, nahm der Gardekapitän den Brief.

      »Mordieu!« sagte der Kapitän.

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