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Geiste mit den Pariser Herrlichkeiten beschäftigte, stimmte nun nicht mehr ein in das elegisch-zärtliche Duett, welches Dieudonné vom Morgen bis zum Abend sang.

      Dieudonné’s bemerkte es bald, und sein erregbares Gemüt wurde schmerzlich dadurch berührt.

      Er kam also in trüber Stimmung nach Paris, und nachdem er die Adresse seines Bruders, dessen Brief ihn seiner Ruhe so schonungslos entrissen, aufgesucht und gefunden hatte, begab er sich zu dem Baron, der als Aristokrat vom reinsten Wasser natürlich in der Vorstadt Saint-Germain wohnte.

      Der Baron de la Graverie war beinahe neunzehn Jahre älter als sein Bruder; er war mitten im Monarchenthum, im Jahre des Regierungsantrittes Ludwigs XVI. geboren. Im Jahre 1784 hatte er die Adelsprobe von 1399 abgelegt und war Page geworden. Nach der Erstürmung der Bastille im Jahre 1789 war er mit seinem Oheim ins Ausland gegangen. Er hatte daher seinen Bruder nie gesehen und bei diesem Mangel an persönlicher Bekanntschaft war auch keine innige Zuneigung zu erwarten.

      Zu dieser Gleichgültigkeit kam der Neid über die glücklichen Vermögensverhältnisse des Chevalier; denn der Baron de la Graverie war, wie sich später zeigen wird, keineswegs frei von Charakterschwächen. Er, der ruinierte, mit Sorgen kämpfende Royalist, konnte es seinem jüngeren Bruder nicht verzeihen, dass er das ganze Vermögen der Tante geerbt hatte; ein Vermögen, auf welches er als der ältere Bruder nähere Ansprüche zu haben glaube.

      Wie hatte der Chevalier dieses Vermögen erworben? Dadurch, dass er einer Gesellschaft alter Stiftsdamen den Hof gemacht hatte!

      Wenn der jüngere Bruder, wie es seine Schuldigkeit war, Malteserritter geworden wäre, so würde ihm der Baron diese Erbschleicherei – wie er es nannte – vielleicht verziehen haben. Aber Dieudonné hatte sich vermählt, und der Baron fand ganz unbegreiflich, dass ein jüngerer Sohn. d. i. ein ganz neutrales, unberechtigtes Wesen, die unerhörte Kühnheit haben könne, eine Frau zu nehmen; denn er entzog dadurch den möglicherweise zu erwartenden Söhnen des altern Bruders ein Vermögen, welches, nachdem es dem Vater entzogen worden, wenigstens den Kindern hätte zufallen können.

      Der Baron machte den Chevalier daher schon bei der ersten Unterredung mit seinen Ansichten über diesen Punkt bekannt und setzte mit staunenswerter Dreistigkeit hinzu, er hoffe, der Himmel, welcher der jungen Frau schon einmal die Mutterfreuden versagt, werde den Ehegatten auch ferner keine Nachkommenschaft schenken, damit die ältere Linie in Besitz des ihr gebührenden Nachlasses der Stiftsdame komme.

      Diese Worte erbitterten Mathilde, die ihren Gemahl zu dem Baron begleitet hatte, und erpressten dem armen Dieudonné einige heiße Tränen. Er fühlte, dass er gewiss ein zärtlicher Vater werden würde, und beweinte die von dem Baron prophezeite Vereitelung seiner Vaterhoffnungen. Er sah abwechselnd seine Gemahlin und seinen Bruder an und schien diesen zu fragen, wie er ihm seine Vermutung mit der hübschen, liebenswürdigen, zärtlichen Mathilde zum Vorwurf machen könne. Waren denn die von seiner Liebe verdoppelten, verdreifachten Reize der jungen Frau keine genügende Rechtfertigung? Oder hatte der Baron, wie Alcest, dem schönen Geschlecht ewigen Hass geschworen?

      Allein bei reifer Überlegung bedachte er doch, dass er in Frankreich geblieben war und weder die Strapazen des Krieges noch die Drangsale der Auswanderung kennen gelernt hatte; er war reich, sein Bruder hingegen hatte aus der Fremde nur seinen Degen und seine Epauletten zurückgebracht. Er schwankte einen Augenblick und fragte sich, ob er durch die Annahme des Vermächtnisses der Tante Beauterne seinem Bruder nicht Unrecht getan habe.

      Ohne die Sache weiter in Erwägung zu ziehen und ohne die Winke Mathildens zu beachten, entschuldigte er sich wegen eines Versehens, dessen Folgen er erst jetzt einsehe, bot dem Baron die Hälfte des von der Stiftsdame hinterlassenen Vermögens an und erbot sich, die Schenkungsurkunde noch denselben Tag zu unterzeichnen.

      Der Baron willigte ein, ohne sich lange bitten zu lassen.

       VI

      Der Chevalier de la Graverie unter den grauen Musketieren

      Wie herzlos auch der Baron war, so schien er doch gerührt durch das Zartgefühl seines Bruders, und als die von dem Notar des Barons erfasste Schenkungsurkunde von dem Chevalier unterzeichnet war, umarmte der ältere Bruder den jüngeren mit einer Herzlichkeit, in welcher er fast seine Würde als Oberhaupt der Familie vergaß. Der Chevalier zerfloss in Thronen; er war gewiss dankbarer für diese einfache brüderliche Demonstration, als der Baron für die Rente von fünfzehntausend Livres, die ihm so unerwartet zufiel und die mit dem was er schon besaß, sein Gesamteinkommen genau auf fünfzehntausend Francs brachten.

      Nach der brüderlichen Umarmung erklärte der Baron, er werde Dieudonné künftig wie seinen eigenen Sohn lieben und für seine Anstellung bei Hofe sorgen.

      Um ihm einen unleugbaren Beweis seiner väterlichen Fürsorge zu geben, bat er für ihn um eine Stelle unter den sogenannten »grauen Musketieren« und in der Meinung, ihm eine höchst angenehme Überraschung zu bereiten, sagte er ihm kein Wort von seinen Bemühungen.

      Eines Abends als sich Dieudonné zu Tische setzte, fand er unter seiner Serviette den vom Könige Ludwig unterzeichneten Bestallungsbrief, der ihn zum Mitglied des bevorzugten und in hohem Ansehen stehenden Corps ernannte.

      Es war in der Tat eine große Ehre; die jungen Edelleute aus den ersten Familien Frankreichs bewarben sich um den Eintritt in die sogenannte Maison-Rouge. Denn sowohl die »schwarzen« als die »grauen Musketiere« hatten rote Uniform und führten ihren Namen nach der Farbe ihrer Pferde. Überdies stand jeder Musketier im Rang eines Lieutenants.

      Aber wie groß auch diese Ehre war, so müssen wir doch gestehen, dass der Chevalier de la Graverie seit dem Empfange des Briefes, der ihn seiner süßen Ruhe entrissen, keine peinlichere Erschütterung empfunden hatte, als die, welche ihm der Anblick des Pergaments verursachte. Er verlor fast das Bewusstsein, und der kalte Schweiß rann ihm von der Stirn.

      Als er einigermaßen wieder zur Besinnung gekommen war, wies er diese Ehre mit einer Entschiedenheit zurück, die man von seinem gutmütigen, Lenksamen Temperament nicht erwartet hätte. Er weigerte sich aus vielen Gründen, unter denen der triftigste war, dass er, im Gegensatz zu seinem berühmten Vorgänger d'Artagnan, nicht die mindeste Freude am Soldatenleben fand.

      Der Baron de la Graverie erfuhr diese Weigerung durch einen Brief, den der Chevalier in der ersten Aufwallung schrieb.

      Er geriet darüber in gewaltigen Zorn: diese Weigerung: des Chevaliers kompromittierte ihn im höchsten Grade; er hatte seinen ganzen Einfluss geltend gemacht, um die Unterschrift des Königs zu erlangen, und die Erklärung, dass ein La Graverie nicht fähig sei, einen militärischen Posten zu bekleiden, musste ihn, den Baron, dem Gespött des Hofes preisgeben.

      Er antwortete daher seinem Bruder, er müsse die rote Uniform anziehen, auf seinen Willen komme es dabei gar nicht an, und dem Könige schrieb er, sein Bruder sei für die ihm erwiesene Gnade so von Dankbarkeit durchdrungen, dass er nicht wisse, wie er dieselbe zu erkennen geben solle, und daher ihn, den Baron, beauftragt habe, Sr. Majestät die Gefühle seines von Dank überwallenden Herzens auszudrücken.

      Der arme Dieudonné konnte nun nicht mehr zurücktreten; der Baron hatte ja in seinem Namen geantwortet und gedankt.

      Der Chevalier hatte eine tiefe Ehrfurcht vor der Familienhierarchie. Der Baron, als das Haupt der Familie, hatte, alle Mühen und Sorgen des Lebens auf sich genommen und ihm nur die Freuden und Genüsse gelassen: ja ungeachtet der keinen Augenblick bereuten Abtretung der Hälfte seines Erbteils fragte er sich zuweilen, ob es nicht unrecht sei, dass er seinem älteren Bruder die andere Hälfte vorenthielt.

      Die Vorwürfe des Undanks, die ihm der Baron von Zeit zu Zeit persönlich machte, machten daher einen so tiefen Eindruck auf ihn, dass er nichts zu Antworten wusste und stumm blieb.

      Mathilde sah ihren Schwager mit einem bittenden Blicke an; denn die Verlegenheit ihres armen Gatten that ihr weh. Sie hatte noch nicht Zeit gehabt, ihr naives, unbefangenes Deutsches Gemüt in der Berührung mit der französischen Gesellschaft abzustreifen: sie betrachtete Dieudonné als den Antinous des achtzehnten Jahrhunderts, und zweifelte nicht, dass die schöne Musketieruniform manche an ihm vermutete Vorzüge hervorheben werde; sie hatte sich also aus ehelicher Koketterie entschlossen, die Bemühungen ihres Schwagers

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