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und gedankt. Dieudonné konnte nicht mehr zurücktreten, er war grauer Musketier vom Kopf bis zu den Füßen und stand von nun an unter dem Befehl des Marschalls Marmont, Herzogs von Ragusa und Oberbefehlshabers sämtlicher Leibgarde des Königs.

      So legte denn der unglückliche Chevalier acht Tage später die Uniform mit der stillen, frommen Ergebung eines Pudels an, den man in einen Troubadour verkleidet, um ihn auf dem Seil tanzen zu lassen.

      Die Uniform war prächtig: roter Frack, Beinkleider von weißem Casimir, hohe Reiterstiefel, Helm mit flatterndem Rossschweif, Panzer mit Kreuz und goldener Sonne. Aber der arme Dieudonné fühlte sich sehr unbehaglich in dieser prächtigen Uniform. Er hatte seine ungebührlich hohe Meinung von sich selbst, und fand sich linkisch und lächerlich in dem Panzer. Er war klein und beleibt, und sein rötliches bartloses Gesicht würde sich in dem Gewand eines Chorknaben recht hübsch ausgenommen haben, war aber in der Uniform höchst lächerlich.

      In Zivilkleidern war der Chevalier indes eben nicht hässlicher, als die meisten andern Männer, und die Redensart: er ist nicht übel, mit welcher man bei gewissen Personen männlichen Geschlechts den Mangel an Grazie zu bemänteln sucht, konnte auf den Chevalier eben so gut, ja noch besser als auf manchen Andern eine Anwendung finden.

      Aber die Uniform machte diese Mängel sehr bemerkbar. War er zu Fuß, so schienen die hohen Stiefel ans seinem Bauch hervorzukommen, wie der Stiel aus einem Fangbecher, und Mancher, der ihn vorübergehen sah, fragte seinen Nachbar, »Können Sie mir sagen, wer der Rossschweif ist, der da vorbeigeht?«

      Doch dies war noch die leidliche Seite der Situation. Um sich einen Begriff von den Qualen zu machen, die der Mensch erdulden kann, ohne zu sterben, musste man den Chevalier de la Graverie zu Pferde sehen.

      Wenn er im Alter von zehn Jahren oben auf einer Treppe gewesen war, so pflegte er seine Tante zu rufen, um sich hinunterführen zu lassen. Wenn er als fünfzehnjähriger Knabe dann und wann den Esel des Gärtners bestieg, so ging eine seiner Gönnerinnen voran und eine andere hinterher, damit der Esel, wenn es ihm etwa einfallen sollte durchzugehen, sowohl beim Zügel als beim Schweif gehalten werden konnte.

      Wie fleißig daher der Chevalier die Reitschule besuchte und wie beharrlich er die Theorie studierte, so war es ihm doch unmöglich, seine zugleich runden und steifen Gliedmaßen mit den Bewegungen des Pferdes in Einklang zu bringen.

      Der Chevalier hatte ein recht lammfrommes Pferd verlangt, aber sein Bruder wählte für ihn ein fehlerfreies, aber feuriges Schlachtross. Dieudonné hatte es so klein als möglich gewünscht, aber die Pferde sämtlicher Garden mussten eine bestimmte Größe haben, unter welcher keines zugelassen wurde. Der Chevalier, der schon den Schwindel bekam, wenn er von einer unbeweglichen Treppe hinunter sah, verlor fast die Besinnung, wenn er ein kräftiges, mutiges Pferd ritt.

      Es war in der Tat ein Wunder, dass er auf seinem Bayard – diesen Namen hatte der Baron dem Pferde zur Erinnerung an das Ross der vier Haimonskinder gegeben – das Gleichgewicht behielt; denn er thronte im Sattel etwa mit derselben Grazie und Solidität, wie ein Mehlsack auf dem Rücken eines Maulesels. In schwierigen Fällen leisteten ihm seine rechts und links reitenden Kameraden gute Dienste. Denn zum Glück für ihn wurden Letztere durch seine Sanftmut und Anspruchslosigkeit gerührt, und sie schämten sich, ein so harmloses Wesen zur Zielscheibe ihres Spottes zu machen.

      Dieudonné würde gern seinen Abschied genommen haben. um diesen Drangsalen ein Ende zu machen, wenn er nicht gefürchtet hätte, seiner Frau einen Kummer zu machen und mit seinem älteren Bruder in offene Fehde zu kommen.

      Vor Allem fürchtete er den Tag, wo ihn die Reihe treffen würde, den Wagen des Könige zu eskortieren. Man ritt dann nicht in Reihe und Glied, sondern galoppierte einzeln und ohne strenge Ordnung, Der König, der sehr regelmäßig lebte, fuhr täglich zu einer bestimmten Stunde aus, Ludwig XVIII. tat heute genau dasselbe was er gestern getan hatte. Von seinem Einzuge in Paris am 3. Mai 1814 bis zu seinem Tode, 16. September 1824, war die Einteilung seiner Zeit folgende: Um sieben Uhr Morgens stand er auf, empfing den Oberkammerherrn oder Herrn von Blacas um acht Uhr; seine Geschäfte erledigte er von neun bis zehn Uhr, dann frühstückte er in Gesellschaft der diensttuenden Kavaliere und anderer Personen, welche ein für allemal Zutritt bei ihm hatten, nämlich mit den Großwürdenträgern und den Kapitänen der Gardekompanien.

      Nach dem Frühstück, welches in der ersten Zeit nur fünfundzwanzig Minuten dauerte, aber sich mit der Zeit bis auf drei Viertelstunden ausdehnte, ging man in das Kabinett des Königs, wo fünf Minuten vor elf, nie früher oder später, die Konversation begann. Nachdem sich die immer mit zwei Damen anwesende Herzogin von Angouleme entfernt hatte, pflegte der König zur Erheiterung der Zuhörer ein lustiges, auch wohl etwas schlüpfriges Geschichtchen zu erzählen. Zehn Minuten nach elf Uhr entließ er die Anwesenden, um bis zwölf Uhr die Privataudienzen zu erteilen.

      Um zwölf Uhr hörte er mit seinem aus mindestens zwanzig Personen bestehenden Gefolge die Messe. Nach seiner Rückkehr in die Appartements empfing er seine Minister oder führte den Vorsitz im Staatsrate, der sich einmal wöchentlich versammelte. Dann las er ein paar Stunden oder zeichnete Häuserpläne, die er nachher ins Feuer warf.

      Um drei oder vier Uhr, je nach der Jahreszeit, fuhr er in einer großen Kutsche spazieren und zwar so schnell, dass er oft fünf, sechs, ja zehn Lieues zurücklegte. Zehn Minuten vor sechs traf er wieder in den Tuilerien ein. Um sechs Uhr speiste er en famille er ah mit gutem Appetit, aber nur von gewählten Speisen.

      Die königliche Familie blieb bis acht Uhr beisammen: dann fanden sich alle Personen ein, die Zutritt bei Hofe hatten. Um neun Uhr begab sich Ludwig XVIII. in den Sitzungssaal, wo er das Losungswort für die Schlosswache gab. Den zwanzig Minuten dauernden Aufenthalt des Königs im Saale benutzten einige Personen, um ihre Aufwartung zu machen. Dann begab sich der König in sein Zimmer, las im Horaz Virgil oder Racine und ging um elf Uhr zu Bett.

      Mitten unter dieser langen Reihe von »kleinen Pflichten,« die sich der König aufgebürdet hatte und die er pünktlich und gewissenhaft erfüllte, hatte nur ein einziger Paragraph ein Interesse für den Chevalier de la Graverie. Dieser Paragraph lautete:

      »Se. Majestät bringt täglich das Wetter sei gut oder schlecht, von drei Uhr bis drei Viertel auf sechs im Freien zu.«

      Die Leibgarde lieferten die Eskorte für die Spazierfahrten, die Musketiere so gut wie die andern. Aber da die Garden sehr zahlreich waren, so kam jeder nur einmal monatlich an die Reihe.

      Der Zufall wollte, dass der Chevalier erst fünfundzwanzig Tage nach seinem Eintritt zur Eskorte beordert wurde. Es war ein verhängnisvoller Tag. Mathilde und der Baron waren sehr erfreut: sie hofften Beide, Dieudonné weide vom König bemerkt werden. Der Nebelstern konnte ja bei dem mindesten Schimmer ein Stern erster Größe werden. Leider war das künftige Gestirn hinter einer düsteren Wolke – der Furcht versteckt!

      Die Stunde schlug, die Eskorte wartete zu Pferde im Hof. Der König kam herunter, und kaum war er eingestiegen, so setzte sich der Zug wie gewöhnlich in Galopp.

      Wer den Chevalier gesehen hätte, würde Mitleid mit ihm gehabt haben. Er war außer Stande, sein Pferd zu lenken. Zum Glück war das Pferd so gut dressiert, dass es den Reiter lenkte. Das kluge Tier schien die Verlegenheit des Chevaliers zu begreifen und nahm von selbst seinen Platz in der Eskorte ein.

      Zu dem Sattelknopf konnte der arme Dieudonné seine Zuflucht nicht nehmen, denn die eine Hand hielt den Zügel, die andere den Säbel er sah sich in der größten Gefahr zu stürzen, und um sich im Sturz nicht aufzuspießen, hielt er den Säbel von der eigenen teuren Person so weit als möglich entfernt.

      Die Spazierfahrt wurde sehr weit ausgedehnt. Der König machte die Runde um die halbe Stadt Paris, Ein guter Reiter wäre sehr müde geworden, der Chevalier de la Graverie war wie gerädert, und ungeachtet der Winterkälte triefte er von Schweiß, als ob er in die Seine gefallen wäre.

      Er überließ seinem Reitknecht das Pferd, und anstatt,wie gewöhnlich, mit seinen Cameraden in den Tuilerien zu speisen, warf er sich in einen Fiaker und fuhr nach Hause.

      Mathilde erschrak, als sie ihn erblickte; er schien um zehn Jahre älter geworden zu sein.

      Der Chevalier ließ sein Bett mit Zucker räuchern, begab sich zur Ruhe und stand erst nach drei Tagen wieder auf.

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