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bleibt. Schwören Sie mir, Ihrem Bruder nie zu sagen, dass er von zwei Männern, die er seine Freunde nannte, zugleich betrogen worden ist. Schwören Sie mir endlich, dass Sie der Sühne, der ich meine noch übrige Lebenszeit widmen will, kein Hindernis in den Weg legen wollen.«

      »Ich schwöre es!« sagte der Baron, indem er den kostbaren Brief mit den Augen verschlang.

      »Gut. Ich zähle mit Zuversicht auf Ihren Schwur, und sage Ihnen daher nicht, was ich tun werde, wenn Sie ihn brechen.«

      Der Kapitän überreichte dem Baron den von Mathilde an Herrn de Pontfarcy geschriebenen Brief, und ging dann auf den Chevalier zu.

      »Stehe auf, Dieudonné,« sagte er. »Komm und sei ein Mann!«

      »O! ich danke Dir!« sagte der Chevalier, indem er sich mit großer Anstrengung aufrichtete und dem Kapitän in die Arme sank. »Du wirst mich also nicht verlassen?«

      »Nein, nein!« sagte Dumesnil und überhäufte seinen Freund mit Liebkosungen wie ein Kind.

      »O! ich fürchte den Verstand zu verlieren,« setzte der Chevalier noch immer schluchzend hinzu; »denn ich blicke nur mit Entsetzen in die Zukunft, die sich vor mir auftut, und der Vergleich der Vergangenheit mit der Gegenwart wird mir das Leben verhasst machen.«

      »Fasse Mut,« sagte der Baron. »Das beste Weib ist nicht die Hälfte der Tränen wert, die Du seit einer Viertelstunde vergießest, geschweige ein unwürdiges Geschöpf.«

      »O! Du weißt nicht was sie für mich war!« unterbrach ihn der arme Dieudonné. »Du findest Zerstreuung in den Talons, am Hofe,in dem Streben nach Ehre und Auszeichnung; Du findest Zerstreuung in Glanz und Prunk, der bei Dir die Stelle des Herzens vertritt, selbst in dem Neide über das Glück deiner Nebenbuhler, in den Klatschereien über bekannte Personen und auffallende Tagesbegebenheiten – ich hingegen hatte nur sie! Sie war mein ganzes Leben, meine einzige Freude, mein einziger Ehrgeiz auf der Erde! Nur die Worte, die aus ihrem Munde kamen, hatten für mich einen Wert – und jetzt, wo ich Alles dies unter meinen Füßen einsinken fühle, scheint es mir, dass ich eine öde, dürre, dunkle Wüste betrete, wo ich nur noch Zeit für meinen Schmerz habe! O mein Gott! mein Gott!«

      »Eitles Geschwätz!« höhnte der Baron.

      Der Kapitän warf ihm einen drohenden Blick zu.

      »O! Sie werden mich nicht hindern, meinem Bruder zu sagen,« wiederholte der Baron, der nur an sein Erbteil dachte, »Sie werden mich nicht hindern ihm zu sagen, was er dem Namen, den er führt, schuldig ist. Eine Frau, die seiner unwürdig, kann er auch nicht lieben —«

      »Du irrst Dich, Bruder,« unterbrach ihn der unglückliche Chevalier, »selbst in diesem Augenblicke, wo ihr Fehltritt mir das Herz bricht, wo ihre Schmach mich tief beschämt, liebe ich sie.«

      »Freund, sei ein Mann!« mahnte der Kapitän.

      »Was liegt mir noch am Leben? Nach der Weltsitte, nach den Gesetzen der Ehre muss ich mich rächen an ihrem Buhlen; er oder ich muss fallen, weil Gott sie zum Weibe, das ist zum gebrechlichen, treulosen Wesen geschaffen hat! Das Leben eines Mannes ist verwirkt, die Welt verlangt dieses Sühneopfer – als ob sich die Welt darum kümmerte, auf welche Art man mir meine Freunde raubt, als ob die Ehre mein Glück oder Elend berücksichtige. Blut muss stießen – gleichviel ob das Blut des Beleidigers oder des Beleidigten!«

      »Fürchtest Du Dich denn, Bruder?« fragte der Baron.

      Der Chevalier sah seinen Bruder mit dem Ausdruck der Verzweiflung an.

      »Ich fürchte nur ein Mörder zu werden,« sagte er mit einer Entschiedenheit, welche bewies, dass er die Wahrheit sagte. – »Lieber Dumesnil, stehe mir bei, ich darf ja die Rache nicht dem Himmel überlasten, ohne eine Memme gescholten zu werden. – Baron, ich gebe Dir mein Wort, dass morgen zu dieser Stunde Herr de Pontfarcy nicht mehr leben wird, oder dass ich von seiner Hand gefallen sein werde. Ist das Alles, was Du als Repräsentant der Familienehre verlangst?«

      »Nein, ich kenne deine Schwäche, Bruder; ich verlange eine Vollmacht, um die Scheidungsklage gegen deine unwürdige Frau einzuleiten.«

      »Diese Vollmacht hast Du wahrscheinlich schon bereit?«

      »Es fehlt nur deine Unterschrift.«

      »Ich dachte es wohl. Gib her die Vollmacht – eine Feder und Tinte —«

      »Hier ist Alles was Du wünschest, lieber Dieudonné,« sagte der Baron und überreichte seinem Bruder die Vollmacht samt einer eingetauchten Feder.

      Der Chevalier unterzeichnete, ohne eine Klage laut werden zu lassen, ohne einen Seufzer auszustoßen. Aber er zitterte so heftig, dass die Unterschrift kaum leserlich war.

      »Mille tonneres!« sagte der Kapitän, indem er seinen Freund mit sich fortzog und dem Baron noch einen vernichtenden Blick zuwarf; »man hat Viele gehängt, die es nicht so verdienten, wie das Haupt in deiner Familie!«

       IX

      Ein gebrochenes Herz

      Vor der Haustür entstand fast ein Handgemenge zwischen dem Chevalier und seinem Freunde.

      Der Chevalier wollte links gehen und der Kapitän wollte sich in der entgegengesetzten Richtung mit ihm entfernen. Dieudonné wollte durchaus nach Hause gehen, Mathilde mit Vorwürfen überhäufen und ihr für immer Lebewohl sagen; Dumesnil hingegen hatte im Interesse seines Freundes und in seinem eigenen triftige Gründe, diese Unterredung zu verhüten. Er bot daher seine Beredsamkeit auf, um Dieudonné von der Unstatthaftigkeit seines Vorhabens zu überzeugen; mit großer Mühe gelang es ihm endlich, den Chevalier de la Graverie mitzunehmen und in seine bescheidene Wohnung einzuquartieren.

      Sobald der Kapitän die nötigen Vorkehrungen zur Beherbergung seines Freundes getroffen hatte, zog er seine Uniform aus und legte einen schwarzen Anzug an, um auszugehen.

      Der Chevalier war so tief ergriffen, dass er die Absicht seines Freundes nicht merkte, bis dieser die Tür öffnete.

      Er streckte die Hände nach ihm aus wie ein Kind.

      »Dumesnil,« sagte er, »Du willst mich alleinlassen?«

      »Armer Freund,« erwiderte der Kapitän, »hast Du denn schon vergessen, dass Du den Räuber deiner Ehre, deines Glückes zur Rechenschaft zu ziehen hast?«

      »Ja, ich gestehe es, Dumesnil, ich hatte es vergessen; ich dachte an Mathilde,«

      Der arme Dieudonné brach wieder in Tränen aus.

      »Weine nur, Freund!« sagte der Kapitän. »Der liebe Gott, der Alles wohlgetan, hat die Herzen harmloser schwacher Wesen mit Ventilen versehen, um einen Schmerz auszulassen, der sie sonst tödten würde. Laß nur deinen Tränen freien Lauf, ich will Dir’s nicht widerraten.«

      »So geh, lieber Dumesnil,« sagte der Chevalier; »ich danke Dir, dass Du mich an meine Pflicht erinnert hast. – Ich habe nur noch Eine Bitte.«

      »Sprich, was wünschest Du?»

      »Ziehe die Sache nicht in die Länge; ich wünsche morgen Früh —«

      »Sei nur ruhig, lieber Freund,« sagte der Kapitän und drückte den Chevalier an sein Herz; »ich hoffe sogar, dass die Sache schon diesen Abend abgetan wird.«

      Der Chevalier blieb allein.

      Hier machen wir eine Pause, um unsere Leser um Verzeihung zu bitten.

      Wir sagten im Anfange, dieses Buch sei kein gewöhnlicher Roman. Wir geben nun den Beweis: alle Helden von Romanen sind schön, groß, von tadellosem Wuchs, mutig, klug, geistreich; sie haben schönes schwarzes oder blondes Haar, große schwarze oder blaue Augen; sie sind so reizbar, dass sie bei der geringsten Beleidigung zum Degen oder Pistol greifen; sie sind fest in ihren Entschließungen, furchtbar im Hass, feurig in der Liebe.

      Unser Held besitzt keine dieser anziehenden Eigenschaften; er ist eher hässlich als schön, mehr klein als groß, mehr beleibt als schlank; er hat keinen Mut und höchstens einen gewöhnlichen hausbackenen Verstand. Er hat weder schwarzes noch blondes, sondern semmelfarbenes Haar, weder schwarze noch blaue, sondern grüne Augen.

      Die ihm

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