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Herr Admiral, sind Ihnen die Vorrechte meines Ordens nicht bekannt? Man trinkt eine, zwei, drei Caraffen, nachdem man sie vorher mit dem Strickgürtel berührt, man bietet dem Weinhändler eine Prise Tabak und der Weinhändlerin den Aermel zum Küssen und die Sache ist abgemacht.«

      »Das ist sehr richtig. An dieses Vorrecht hatte ich nicht gedacht.«

      »Und übrigens, Herr Admiral,« fuhr Esposito mit selbstzufriedener Miene fort, »übrigens werden Sie bemerken, daß ich mich in meiner Kutte nicht gar schlecht ausnehme, Allerdings nicht so gut wie in der Uniform, das weiß ich wohl, aber die Menschen haben nicht alle einen und den selben Geschmack und man sagt in meinem Kloster –«

      »Nun, was sagt man in deinem Kloster?«

      »Man sagt, daß die Franciscaner und besonders die Capuziner von St. Ephraim sich nicht alle Tage der Fleisches enthalten, wo in dem Kalender Fasten vorgeschrieben ist.«

      »Willst Du wohl schweigen! Wenn deine Brüder Dich nun hörten –«

      »O, die könnten vielleicht noch ganz andere Geschichten erzählen. Indessen Sie haben Recht, Herr Admiral und ich bemerke übrigens auch, daß man unruhig und ungeduldig zu werden beginnt. Sehen Sie nur da drüben auf dem Kai!«

      Der Admiral schaute in der von Esposito angedeuteter Richtung und sah in der That den Molo, den Kai, die Fenster der Straße del Piliero mit Zuschauern angefüllt, welche, von dem bevorstehenden Ereigniß unterrichtet, sich anschickten, dem Triumph der Capuziner von St. Ephraim über die Mönche der andern Orden Beifall zuzujubeln.

      »Nun gut, es sei,« sagte Caracciolo. »Ich sehe schon, daß ich Dir den Willen thun muß. Heda, Leute!« rief er, »macht das Boot fertig.«

      Seine Befehle wurden mit der Schnelligkeit ausgeführt, welche den Manövers der Seeleute eigen zu sein pflegt.

      »Und,« fragte er dann Esposito, »von welcher Seite gedenkst Du den Sprung auszuführen?«

      »Nun, von derselben, von der ich ihn schon ausgeführt habe, das heißt von der Backbordseite. Damals ist er mir zu gut gelungen. Uebrigens ist dies auch die dem Kai zugewendete Seite. Man darf nicht alle diese wackern Leute täuschen, welche sich eingefunden haben, um das Schauspiel mit anzusehen.«

      »Nun gut denn, Backbord. Das Boot auf der Backbordseite ausgesetzt, Kinder!«

      Kaum hatte Caracciolo seinen Befehl ertheilt, so war das Boot mit vier Ruderern, dem Hochbootsmann und zwei Mann Reserve auch schon im Wasser.

      Nun ergriff der Admiral, in der Meinung, daß er dieses volksthümliche Schauspiel so feierlich als möglich machen müffe, sein Sprachrohr und rief:

      »Alle Mann auf die Raaen!«

      Augenblicklich sah man zweihundert Matrosen wie eine Schaar Affen in dem Takelwerk hinaufklettern und sich auf die Raaen, von der untersten bis zur obersten, stellen, während die Marinesoldaten unter Trommelschall sich auf dem Deck in Schlachtordnung mit der Front nach dem Kai aufstellten.

      Die Zuschauer blieben, wie man sich leicht denken kann, nicht gleichgültig bei allen diesen Vorbereitungen, die gewissermaßen den Prolog zu dem großen Drama bildeten, dessen Aufführung sie entgegensahen. Sie klatschten in die Hände, schwenkten die Taschentücher und riefen, je nachdem sie dem Stifter des Capuzinerordens mehr oder weniger anhingen, theils: »Es lebe der heilige Franciscus!« theils: »Es lebe Caracciolo!«

      Der Admiral Caracciolo war allerdings in Neapel bei nahe eben so populär als der heilige Franciscus.

      Die zwölf Gondeln, in welchen sich die Capuziner befanden, bildeten nun einen großen Halbkreis, welcher von dem Spiegel bis zum Bug der »Minerva« reichte und zwischen ihnen und dem Rumpf des Schiffes einen weiten leeren Raum ließ.

      Caracciolo warf einen Blick auf seinen ehemaligen Matrosen und sagte, als er ihn vollkommen entschlossen sah:

      »Also, es ist wirklich dein Ernst?«

      »Mehr als je, Herr Admiral,« antwortete Esposito.

      »Willst Du aber nicht deine Kutte ablegen? Es würde dies deine Bewegungen sehr erleichtern.«

      »Nein, Herr Admiral, der Mönch muß das Gelübde erfüllen, welches der Matrose gethan.«

      »Und hast Du mir nichts für den Fall zu sagen, daß die Sache einen unglücklichen Verlauf nähme?«

      »In diesem Falle, Excellenz, bitte ich Sie eine Messe für die Ruhe meiner Seele lesen zu lassen. Meine Collegen haben mir allerdings versprochen, deren hunderte zu lesen, aber ich kenne diese Leutchen schon. Wäre ich todt, so würde nicht ein einziger auch nur einen Finger bewegen, um mich aus dem Fegefeuer zu erlösen.«

      »Ich werde nicht eine für Dich lesen lassen, sondern zehn.«

      »Sie versprechen es mir?«

      »Auf mein Ehrenwort.«

      »Ich bin zufriedengestellt. Doch da fällt mir noch etwas ein. Haben Sie die Güte, Herr Admiral, denn ich glaube, es wird Ihnen vollkommen gleich sein, die Messen nicht auf den Namen Esposito, sondern auf den des Bruders Pacifico lesen zu lassen. Es gibt in Neapel so viele Espositi, daß der liebe Gott am Ende gar nicht wüßte, welcher damit gemeint sei.«

      »Du nennst Dich also jetzt Fra Pacifico?«

      »Ja, Herr Admiral. Ich habe mir damit einen Zügel gegen meinen früheren Charakter anlegen wollen.«

      »Aber fürchtest Du nicht, daß Gott, der noch nicht Zeit gehabt hat, deine neueren Verdienste zu würdigen, Dich nicht erkenne?«

      »Dann, Herr Admiral, wird der h. Franciscus, dessen Namen ich zu verherrlichen im Begriff stehe, da sein, um mit dem Finger auf mich zu zeigen, weil ich in einem Gewand den Tod erlitten haben werde.«

      »Es geschehe denn, wie Du willst. Auf alle Fälle rechne auf deine Messen.«

      »O, sobald der Admiral Caracciolo sagt: »Ich werde es thun,« entgegnete der Mönch, »so ist dies sicherer, als wenn ein Anderer sagte: »Ich habe es gethan.« Und nun, wenn es Ihnen beliebt, ich bin bereit, Herr Admiral.«

      Caracciolo sah, daß der Augenblick in der That gekommen war.

      »Achtung!« rief er mit einer Stimme, welche nicht blos auf dem ganzen Schiffe, sondern auch drüben auf dem Strande gehört ward.

      Der Hochbootsmann entlockte seiner Pfeife einen gellenden, lang anhaltenden Ton.

      Dieser war noch nicht verhallt, als Fra Pacifico, ohne durch ein Mönchsgewand im mindesten gehindert zu werden, in die Wanten des Steuerbord hinaufsprang, um sich dem Publicum zu zeigen, und dann mit einer Behendigkeit, welche bewies, daß ein Noviziat als Mönch seiner Matrosengeschicklichkeit noch keinen Abbruch gethan, den großen Mastkorb erkletterte, durch die Oeffnung desselben koch, nach dem kleinen emporstieg, dann, ohne sich hier aufzuhalten, auf die Bramsegelraaen hinaustrat und, enthusiasmirt durch das Beifallsgeschrei, welches sich von allen Seiten erhob, als man einen Mönch in dem Takelwerk herumvoltigieren sah, die alleräußerste Raa erkletterte, was mehr war, als er versprochen.

      Auf dieser angelangt, rief er laut:

      »Der heilige Franciscus nehme mich in seinen Schutz!« und stürzte sich, ohne einen Augenblick zu zögern, hinab ins Meer.

      Ein gewaltiger Schrei entrang sich Aller Munde.

      Das Schauspiel, welches für Viele, die es herbeigelockt, nur grotesk zu sein versprochen, hatte jenen großartigen Charakter angenommen, von welchem ein Vorgang, bei welchem das Leben eines Menschen auf dem Spiel steht, stets begleitet ist, besonders wenn dieser Mensch Muth und Entschlossenheit zeigt.

      Auf diesen Schrei, in welchem sich Angst, Neugier und Bewunderung mischten, folgte Todtenstille. Jeder wartete auf das Wiedererscheinen des Tauchers und fürchtete, daß er, gleich dem Schillers, unter dem Wasser bliebe.

      Drei Secunden, welche den Zuschauern drei Jahrhunderte zu sein schienen, vergingen, ohne daß dieses Schweigen durch das mindeste Geräusch gestört ward. Dann sah man die noch von Fra Pacificos Sturz bewegte Woge sich von Neuem spalten, um den glattrasierten Kopf des Mönches zum Vorschein kommen zu lassen, welcher, kaum aufgetaucht, mit seiner

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