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ich bin überzeugt, daß dies schon bedeutende Folgen herbeigeführt hat. Der Prinz kommt sicherlich früher herunter als gewöhnlich, ja er erwartet mich vielleicht schon; Sie haben mir heute Morgen Neuigkeiten mitgebracht, vielleicht kann ich Ihnen heute Abend, wenn Sie wieder hier vorbeikommen, auch einige mittheilen. Doch was schwatze ich denn. Man kommt ja hier nicht vorbei; man kommt blos hierher, wenn man sich verirrt. Mergellina ist der Nordpol von Neapel und ich sitze hier zwischen Eisbergen.«

      Dann küßte er seine Gattin auf die Stirn und sagte:

      »Auf Wiedersehen, theures Kind. Erzähle nur dem Doctor alle deine kleinen Geschichten. Bedenke, daß deine Gesundheit meine Freude und daß dein Leben mein Leben ist. Auf Wiedersehen, lieber Doctor.«

      Dann warf er einen Blick auf die Wanduhr.

      »Ein Viertel auf elf!« rief er, »ein Viertel auf elf!« Und Hut und Parapluie gen Himmel reckend, eilte er die Stufen der Rampe oder Terrasse hinunter.

      Cirillo sah ihn sich entfernen, hatte aber nicht einmal so viel Geduld, daß er gewartet hätte, bis der Chevalier zum Garten hinaus war, sondern drehte sich sofort nach Luisa herum.

      »Er ist hier, nicht wahr?« fragte er im Tone der ängstlichsten Theilnahme.

      »Ja, ja, ja!«, murmelte Luisa, indem sie vor Cirillo auf die Knie niedersank.

      »Todt oder lebendig?«

      »Lebendig!«

      »Gott sei gepriesen!« rief Cirillo, »und Sie, Luisa?«

      Er betrachtete sie mit einem Gemisch von Bewunderung und Zärtlichkeit.

      »Und ich?« fragte sie an allen Gliedern zitternd.

      »Sie,« sagte Cirillo, indem er sie aufhob und an sein Herz drückte, »Sie sollen gesegnet sein.«

      Und Cirillo sank nun einerseits auf einen Stuhl nieder und trocknete sich die Stirn.

       Zweites Capitel.

      Die beiden Verwundeten

      Luisa begriff nicht den Auftritt, der so eben stattgefunden. Sie errieth blos, daß sie einer Person das Leben gerettet, welche Cirillo theuer war – dies war Alles.

      Als sie den guten Doctor unter der Last der Gemüthsbewegung, die er erfahren, erbleichen sah, goß sie ihm ein Glas frisches Wasser ein und reichte es ihm.

      Er trank es halb aus.

      »Und nun,« sagte Cirillo, indem er sich rasch erhob, »nun lassen Sie uns keine Minute versäumen. Wo ist er?«

      »Dort,« sagte Luisa, indem sie nach dem Ende des Corridors zeigte.

      Cirillo machte eine Bewegung in der angedeuteten Richtung. Luisa hielt ihn zurück.

      »Aber –« sagte sie zögernd.

      »Nun, aber?« wiederholte Cirillo.

      »Hören Sie mich und ganz besonders entschuldigen Sie mich, mein Freund,« sagte sie zu ihm mit ihrer liebkosenden Stimme und indem sie ihre beiden Hände auf seine Schultern legte.

      »Ich höre, sagte Cirillo lächelnd. »Er liegt doch nicht etwa in den letzten Zügen?«

      »Nein, Gott sei Dank. Er befindet sich sogar, glaube ich, so gut, als ein Mensch in seiner Lage sich befinden kann, wenigstens war dies der Fall, als ich ihn vor zwei Stunden verließ. Dies ist es, was Sie erfahren mußten, ehe Sie ihn sehen. Ich wagte nicht, Sie rufen zu lassen, weil Sie der Freund meines Gatten sind und weil ich instinctartig fühlte, daß mein Gatte von all diesem nichts erfahren dürfe. Ich wollte keinem Arzte, dessen ich nicht sicher wäre, ein wichtiges Geheimniß anvertrauen, denn es liegt hier ein wichtiges Geheimniß zu Grunde, nicht wahr, mein Freund?«

      »Ja, ein furchtbares Geheimniß, Luisa.«

      »Ein königliches Geheimniß, nicht wahr?«, hob diese wieder an.

      »Ruhig! Wer hat Ihnen dies gesagt?«

      »Der Name eines der Mörder selbst.«

      »Sie erkannten diesen?«

      »Michele, mein Milchbruder, erkannte Pasquale de Simone. Aber lassen Sie mich ausreden. Ich wollte Ihnen also sagen, daß ich nicht wagte, Sie rufen zu lassen, und da ich auch keinen andern Arzt holen lassen wollte, als Sie, so bat ich eine zufällig anwesende Person, dem Verwundeten die erste Pflege zu widmen.«

      »Gehört diese Person dem Fache der Heilkunde an?« fragte Cirillo.

      »Nein, aber sie behauptet im Besitze von Geheimmitteln zu sein.«

      »Also irgend ein Charlatan.«

      »Nein; aber entschuldigen Sie mich, lieber Doctor; ich bin so unruhig, daß mein armer Kopf sich verwirrt. Mein Milchbruder Michele, der, welchen man Michele den Narren nennt, Sie kennen ihn wohl?«

      »Ja, und beiläufig gesagt, fordere ich Sie sogar auf, ihm nicht zu trauen. Er ist ein engagierter Royalist, in dessen Gegenwart ich nicht hier vorbeikommen möchte, wenn mein Haar à la Titus gestutzt wäre und ich Pantalons anstatt kurzer Beinkleider trüge. Er spricht von weiter nichts, als daß die Jacobiner gehängt und verbrannt werden müßten.«

      »Ja, aber er ist nicht fähig, ein Geheimniß zu verrathen, bei welchem ich in irgend einem Grade betheiligt wäre.«

      »Das ist wohl möglich. Unsere Leute aus dem Volke sind ein Gemisch von Gutem und Bösem, nur behauptet bei der Mehrzahl von ihnen das Böse die Oberhand. Was wollten Sie mir also von Ihrem Milchbruder Michele erzählen?«

      »Unter dem Vorwande, mir wahrsagen zu lassen – ich schwöre Ihnen, mein Freund, daß diese Idee von ihm, aber nicht von mir ausging – hatte er mir eine albanesische Zigeunerin zugeführt. Sie hatte mir allerhand thörichte Dinge prophezeit und war mit Einem Worte noch da, als ich jenen unglücklichen jungen Mann bei mir aufnahm. Sie ist es, die mit Hilfe der Kräuter, deren Heilkraft sie zu kennen vorgibt, das Blut gestillt und den ersten Verband angelegt hat.«

      »Hm!« sagte Cirillo in unruhigem Tone.

      »Was meinen Sie?«

      »Sie hatte doch keinen Grund zu Feindseligkeiten gegen den Verwundeten, nicht wahr nicht?«

      »Nein; sie kennt ihn nicht, und schien im Gegentheile an seiner Lage großes Interesse zu nehmen.«

      »Dann fürchten Sie also nicht, daß sie, um einen Zweck der Rache zu erreichen, vielleicht giftige Kräuter in Anwendung gebracht habe?«

      »Mein Gott!« rief Luisa erbleichend, was sagen Sie! Doch nein, es ist unmöglich. Der Verwundete schien, abgesehen von großer Schwäche, sogleich Linderung zu fühlen, als der Verband angelegt war.«

      »Diese Frauen, sagte Cirillo, wie mit sich selbst sprechend, »besitzen zuweilen in der That ganz vortreffliche Geheimnisse. Im Mittelalter, ehe die Wissenschaft mit Avicenna aus Persien und mit Averrhoé aus Spanien zu uns kam, waren sie die Vertrauten der Natur, und wenn die heutige Medicin weniger stolz wäre, so würde sie gestehen, daß sie ihnen einige ihrer besten Entdeckungen verdankt. Nur, meine theuere Luisa,« fuhr er fort, indem er sich wieder zu der Gattin des Chevalier wendete, »nur sind diese Geschöpfe sehr wild und eifersüchtig, und es würde dem Kranken Gefahr bringen, wenn die Wahrsagerin erführe, daß außer ihr noch ein anderer Arzt ihm seine Sorgfalt widmet. Suchen Sie daher sie zu entfernen, damit ich den Verwundeten allein sehen kann.«

      »Daran hatte ich auch schon gedacht, mein Freund, und ich wollte Sie eben davon in Kenntniß setzen,« sagte Luisa. »Jetzt, wo Sie Alles wissen und wo Sie sogar meinen Befürchtungen entgegengekommen sind, bitte ich Sie, mich zu begleiten. Sie werden in ein Nebenzimmer treten, ich werde Nanno unter irgend einem Vorwand entfernen und dann, o bester Doctor, sagte Luisa, indem sie die Hände faltete, wie sie vor Gott gethan haben würde, »dann werden Sie ihn retten, nicht wahr?«

      »Die Natur rettet, nicht wir, mein Kind, antwortete Cirillo; »wir unterstützen die Natur blos, das ist Alles, und ich hoffe, daß sie auch bereits für unsern lieben Verwundeten Alles gethan haben wird, was sie thun kann. Doch verlieren wir keine Zeit. In dergleichen Fällen hängt die Heilung in hohem Grade von der

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