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der Kopflinie und hier ist endlich die zwischen dem zwanzigsten und dem dreißigsten Jahre plötzlich unterbrochene Lebenslinie.«

      »Und Du siehst nicht, woher die Gefahr kommt? Du kennt nicht die Ursachen, welche bekämpft werden müßten?« rief die junge Frau, aufgestachelt von der Angst, welche ihr Milchbruder für sie an den Tag gelegt und welche sie durch ihre Augen, durch das Zittern ihrer Stimme und die Aufregung ihres ganzen Wesens ebenfalls zu erkennen gab.

      »Die Liebe, immer die Liebe!« rief die Zauberin; »eine unheilvolle, unwiderstehliche, tödtliche Liebe!«

      »Aber kennst Du wenigstens den, welcher der Gegenstand derselben sein wird?« fragte Luisa, indem sie aufhörte sich zu wehren und zu läugnen, denn der Ton der Ueberzeugung, in welchem die Wahrsagerin sprach, verfehlte nicht, allmälig seine Wirkung zu äußern.

      »Dein Loos ist ein düster umwölktes, armes Geschöpf!« antwortete die Sibylle. »Ich sehe ihn, aber ich kenne ihn nicht. Er erscheint mir wie ein Wesen, welches nicht dieser Welt angehört. Er ist das Kind des Eisens und nicht des Lebens. Er ist – unmöglich! und dennoch ist es so – er ist von einer Todten geboren!«

      Die Wahrsagerin stand mit starrem Blicke da, als ob sie unbedingt in dem Dunkel der Zukunft lesen wollte. Ihr Auge erweiterte sich und nahm die runde Form des Auges der Katze oder der Eule an, während sie mit der Hand eine Geberde machte, als ob sie einen Schleier zu entfernen suchte.

      Michel und Luisa sahen einander an. Der kalte Schweiß perlte auf der Stirn des Lazzarone. Luisa war weißer als der battistene Pudermantel, in welchen sie sich gehüllt.

      »Ha!« rief Michel nach einem Augenblick des Schweigens, indem er sich mit Gewalt aus der abergläubischen Angst aufrüttelte, welche ihn zu Boden drückte; »wie albern sind wir, daß wir auf diese alte Närrin hören! Daß ich gehängt werde, ist allerdings wohl möglich. Ich bin ein unruhiger Kopf und in unserer Lage, mit meinem Charakter, sagt man oft ein Wort, man wird handgemein, man fährt mit der Hand in die Tasche, man zieht ein Messer heraus, man öffnet es, man läßt sich vom Teufel blenden, man sticht seinen Gegner nieder; er fällt, er ist todt, man wird von einem Sbirren festgenommen, man wird von dem Polizeicommissär verhört, dann von dem Richter verurtheilt, Meister Donato, der Henker, packt einen an der Schulter, wirft einem den Strick um den Hals und patsch! da hängt man. Aber Du, Schwesterchen, was kannst Du mit dem Blutgerüst gemein haben? Welches Verbrechen könntest Du mit deinem Taubenherzen auch nur träumen? Wen könntest Du mit deinen kleinen Händen umbringen? Denn man bestraft die Leute doch nur dann mit dem Tode, wenn sie Jemanden umgebracht haben, und übrigens werden hier zu Lande die Reichen wegen so etwas gar nicht hingerichtet. Willst Du etwas Neues wissen, Nanno? Von heute an wird man nicht mehr sagen: »Michele, der Narr, sondern man wird sagen: »Nanno, die Närrin.«

      In diesem Augenblick faßte Luisa ihren Milchbruder am Arme und zeigte mit dem Finger auf die Wahrsagerin.

      Diese stand immer noch stumm und unbeweglich auf derselben Stelle. Nur hatte sie sich ein wenig vorwärts geneigt und schien durch Aufbietung ihrer ganzen Willenskraft allmälig etwas in jener Nacht zu erkennen, welche sie einen Augenblick vorher sich beklagt hatte immer dichter werden zu sehen.

      Ihr magerer Hals streckte sich aus ihrem schwarzen Mantel hervor und ihr Kopf bewegte sich von rechts nach links wie der einer Schlange, die sich zum Sprunge anschickt.

      »Ha, jetzt sehe ich ihn!« rief sie plötzlich. »Es ist ein schöner junger Mann von fünfundzwanzig Jahren mit schwarzen Augen und schwarzem Haar. Er kommt, er nähert sich. Auch er ist von einer großen Gefahr bedroht – von Todesgefahr. Zwei, drei, vier Männer folgen ihm. Sie tragen Dolche unter ihren Kleidern –«

      Dann, wie von einer plötzlichen Offenbarung betroffen, setzte sie beinahe freudig hinzu:

      »Ach, wenn man ihn doch umbrächte!«

      »Nun?« fragte Luisa erstaunt und mit zitternder Begier an den Lippen der Wahrsagerin hängend, »wenn man ihn umbrächte, was würde dann geschehen?«

      »Wenn man ihn umbrächte, so wärest Du gerettet, denn er ist es, der deinen Tod herbeiführen wird.«

      »O mein Gott!« rief die junge Frau ebenso fest überzeugt, als ob sie selbst sähe, was Nanno zu sehen glaubte, »o mein Gott! Wer er auch sein mag, schütze ihn!«

      In demselben Augenblick hörte man unter den Fenstern des Hauses den Doppelknall zweier Pistolenschüsse, dann lautes Schreien und Fluchen, dann nichts weiter als das Klirren von Eisen gegen Eisen.

      »Signora! Signora!«, rief die Zofe, welche mit verstörtem Gesicht hereingestürzt kam, »man ermordet einen Menschen unter den Mauern des Gartens.«

      »Michele!« rief Luisa, die Hände faltend und die Arme ausstreckend, »Du bist ein Mann und Du hast ein Messer. Willst Du einen Nebenmenschen ermorden lassen, ohne ihm Hilfe zu leisten?«

      »Nein, bei der Madonna, das werde ich nicht thun!« rief Michele.

      Mit diesen Worten eilte er ans Fenster und öffnete es, um auf die Straße hinabzuspringen. Plötzlich aber stieß er einen lauten Schrei aus, warf sich zurück und duckte sich nieder bis unter das Fenster.

      »Pasquale de Simone, der Sbirre der Königin!« murmelte er mit vor Furcht halb erstickter Stimme.

      »Wohlan,« rief die San Felice, »dann ist es an mir, den Unglücklichen zu retten!«

      Und sie eilte nach der Rampe.

      Nanno machte eine Bewegung, um sie zurückzuhalten, schüttelte aber den Kopf und ließ die Arme sinken.

      »Geh nur, arme Verurtheilte,« sagte sie; »möge der Schicksalsspruch der Gestirne in Erfüllung gehen.«

       Elftes Capitel.

      Der General Championnet

      Man wird sich erinnern, daß, als wir Salvato Palmieri verließen, derselbe im Begriff stand, den Verschworenen die Antwort des Generals Championnet mitzutheilen.

      Eben so wird man sich entsinnen, daß Hector Caraffa im Namen der italienischen Patrioten an den französischen General, der so eben das Commando der Armee von Rom übernommen, geschrieben hatte, um ihn von der Stimmung der Gemüther in Neapel zu unterrichten und ihn zu fragen, ob man im Falle einer Revolution auf die Unterstützung nicht blos der französischen Armee, sondern auch der französischen Regierung rechnen könne.

      Der General Championnet war zu der Zeit, bei welcher wir jetzt angelangt sind, ein Mann von sechsunddreißig Jahren mit sanften, einnehmenden Zügen.

      Hinter dieser Physiognomie, welche mehr die eines Weltmannes als die eines Soldaten war, barg sich jedoch eine gewaltige Willenskraft und ein Muth, der jede Probe bestand.

      Er war der natürliche Sohn eines Wahlpräsidenten der, weil er ihm nicht seinen Namen geben wollte, ihm den eines kleinen Landgutes in der Umgegend von Valence, seiner Vaterstadt, beilegte.

      Es war ein abenteuerlustiger Geist und Rossebändiger, ehe er Menschenbändiger ward. Mit zwölf oder fünfzehn Jahren ritt er die widerspänstigsten Thiere und zwang sie, ihm zu gehorchen.

      Mit achtzehn Jahren begann er einem oder dem andern jener beiden Phantome nachzujagen, welche man den Ruhm oder das Glück nennt, ging nach Spanien und trat unter dem Namen Bellerose unter die wallonischen Truppen.

      In dem Lager von Saint-Roch, welches man vor Gibraltar geschlagen, traf er in dem Regiment Bretagne mehrere seiner Schulcameraden und erhielt von seinem Oberst Erlaubniß, die wallonische Garde zu verlassen und, wie seine Freunde, als Freiwilliger zu dienen.

      Nach dem Friedensschluß kehrte er nach Frankreich zurück und sein Vater empfing den verlorenen Sohn mit offenen Armen.

      Bei den ersten Bewegungen von 1789 trat er aufs Neue in den Militärdienst.

      Die Kanone des 10. August donnerte und die erste Coalition bildete sich.

      Jedes Departement bot nun ein Bataillon Freiwillige.

      Das der Drôme stellte das sechste.

      Championnet ward zum Anführer desselben ernannt und marschierte damit nach Besançon. Diese Bataillone von Freiwilligen bildeten die Reservearmee.

      Als

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