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Graf von Molisa erfuhr, was geschehen war, trotz seiner Wuth aber respektierte er die Vorrechte des Ortes. Dabei aber umstellte er den ganzen Palast mit Bewaffneten, welche beauftragt waren, alle Einpassirenden, ganz besonders aber alle Auspassierenden genau zu überwachen.

      »Mein Vater wußte recht wohl, daß diese Bewaffneten ganz besonders seinetwegen dastanden, und daß für seine Gattin die Ehre, für ihn aber das Leben auf dem Spiele stand.

      »Auf ein Verbrechen kommt es unseren Edelleuten nicht an. Der Straflosigkeit sicher, hatte der Graf von Molisa schon seit langer Zeit aufgehört, ein Register über die Meuchelmorde zu führen, welche er selbst verübt, oder durch seine Sbirren hatte verüben lassen.

      »Die Leute des Grafen hielten gut Wache. Man sagte, daß Angiolina lebend mit zehntausend und mein Vater todt mit fünftausend Ducaten bezahlt werden würde.

      »Mein Vater blieb eine Zeit lang in dem bischöflichen Palast versteckt; unglücklicherweise aber war er nicht der Mann, der einen solchen Zwang lange ertragen konnte. Seiner Gefangenschaft überdrüssig, beschloß er eines Tages seinem Verfolger den Garaus zu machen.

      »Nun hatte der Graf von Molisa die Gewohnheit, alle Tage eine oder zwei Stunden vor dem Ave Maria seinen Palast zu Wagen zu verlassen und eine Spazierfahrt bis an das Capuzinerkloster zu machen, welches ungefähr zwei Meilen von der Stadt entfernt war. Hier angelangt, befahl der Graf seinem Kutscher allemal, wieder nach dem Palast zurückzufahren; der Kutscher lenkte um und es ging dann in kurzem Trabe, beinahe im Schritt, nach der Stadt zurück.

      »Auf der Mitte des Weges von Larino nach dem Kloster befindet sich der Brunnen des heiligen Pardo, des Schutzpatrones dieser Gegend, und hie und da um den Brunnen herum gibt es Strauchwerk und Hecken.

      »Giuseppe Palmieri verließ den bischöflichen Palast in Mönchskleidung und täuschte die Wachsamkeit aller ihm auflauernden Verfolger.

      »Unter seiner Kutte hielt er ein paar Degen und ein paar Pistolen verborgen.

      »An dem Brunnen des heiligen Pardo angelangt, fand er den Ort günstig gelegen. Er machte Halt und versteckte sich hinter einer Hecke.

      »Der Wagen des Grafen kam vorüber. Er ließ ihn fahren. Es war noch eine Stunde Tag.

      »Eine halbe Stunde später hörte er das Rollen des zurückkommenden Wagens. Nun warf er sein Mönchsgewand ab und stand in seinen gewöhnlichen Kleidern da.

      »Der Wagen näherte sich. Mit der einen Hand faßte Giuseppe Palmieri die entblößten Degen, mit der andern die gespannten Pistolen und stellte sich mitten auf die Straße.

      »Als der Kutscher diesen Mann, von dem er schlimme Absichten vermuthete, erblickte, lenkte er die Pferde ein wenig seitwärts, mein Vater aber brauchte nur eine kleine Bewegung zu machen, um sich den Pferden gegenüber zu befinden.

      »Wer bist Du und was willst Du?« fragte der Graf indem er sich in seinem Wagen erhob.

      »Ich bin Giuseppe Maggio Palmieri,« antwortete ihm mein Vater, »ich will dein Leben.«

      »Versetze diesem Schurken einen Peitschenhieb über das Gesicht und fahr zu!« sagte der Graf zu einem Kutscher.

      Dann warf er sich wieder in seinen Wagen zurück.

      »Der Kutscher hob die Peitsche, ehe dieselbe aber niederfallen konnte, drückte mein Vater eines seiner Pistolen auf ihn ab. Der Kutscher stürzte von seinem Sitz zur Erde herab.

      »Die Pferde blieben unbeweglich stehen. Mein Vater trat an den Wagen und öffnete den Schlag.

      »Ich komme nicht hierher, um Dich zu ermorden, obschon ich das Recht dazu hätte, weil ich mich im Fall gerechter Nothwehr befinde, sondern um mich ehrlich mit Dir zu schlagen, sagte er zu dem Grafen. »Wähle!! hier sind zwei Degen von gleicher Länge, hier sind auch zwei Pistolen. Von diesen beiden Pistolen ist blos noch eine geladen. Es wäre dies ein wahrhaftes Gottesurtheil.«

      »Und mit einer Hand bot er ihm die beiden Degengriffe, mit der andern die beiden Pistolenholftern.

      »Mit einem Untergebenen schlägt man sich nicht, sagte der Graf. »Man prügelt ihn einfach durch.«

      »Und einen Stock hebend, schlug er meinen Vater ins Gesicht. Mein Vater ergriff die noch geladene Pistole und schoß dem Grafen die Kugel durchs Herz.

      »Der Graf zuckte kein Glied und stieß keinen Laut aus. Er war todt.

      »Mein Vater legte ein Mönchsgewand wieder an, steckte seine Degen in die Scheide, lud seine Pistolen wieder und kehrte ebenso unbemerkt in den bischöflichen Palast zurück, als wie er denselben verlassen.

      »Was die Pferde betraf, so setzten sie sich, als sie sich frei fühlten, von selbst wieder in Bewegung, und da sie den Weg, den sie täglich zweimal zurücklegten, ganz genau kannten, so kehrten sie nach dem Palast des Grafen zurück. Seltsamerweise aber setzten sie, anstatt vor der hölzernen Brücke stehen zu bleiben, welche nach dem Thor des Schlosses führte, als ob sie gewußt hätten, daß jetzt nicht mehr ein Lebender, sondern ein Todter im Wagen saß, ihren Weg weiter fort und blieben erst an der Schwelle einer kleinen Kirche stehen, die unter dem Schutze des heiligen Franciscus stand und in welcher der Graf, wie er wiederholt gesagt, begraben zu sein wünschte.

      »In der That ließ auch die Familie des Grafen, welche diesen Wunsch kannte, seine Leiche in dieser Kirche bestatten und errichtete ihm ein Grabmal.

      »Dieser Vorfall machte großes Aufsehen. Der zwischen meinem Vater und dem Grafen bestandene Zwist war allgemein bekannt, und es versteht sich von selbst, daß mein Vater alle Sympathien für sich hatte. Niemand zweifelte, daß er der Urheber des Mordes sei, und als ob er selbst wünschte, daß man nicht daran zweifle, hatte er der Witwe des Kutschers eine Summe von zehntausend Francs zustellen lassen.

      »Der jüngere Bruder des Grafen erbte das ganze Vermögen, erklärte sich aber auch gleichzeitig zum Erben seiner Rache. Er war es, welcher Angiolina entführen helfen gewollt. Er war ein Elender, der mit einundzwanzig Jahren schon drei oder vier Mordthaten begangen. Was die von ihm außerdem verübten Gewaltthaten betraf, so waren dieselben gar nicht zu zählen.

      »Er schwur, daß dieser Schuldige ihm nicht entrinnen solle, verdoppelte die Zahl der Wächter, welche den bischöflichen Palast umringt hielten, und übernahm selbst das Commando derselben.

      »Maggio Palmieri fuhr fort sich in dem bischöflichen Palast verborgen zu halten. Seine Familie und die seiner Gattin brachten ihnen Alles, was sie an Lebensmitteln und Kleidungsstücken brauchten.

      »Angiolina war im fünften Monat schwanger. Die beiden jungen Ehegatten lebten nur sich und ihrer Liebe und waren so glücklich, als man es ohne die Freiheit sein kann.

      »So vergingen zwei Monate. Der 26. Mai war da, der Tag, wo man in Larino das Fest des heiligen Pardo feiert, welcher, wie ich schon bemerkt habe, der Schutzpatron dieser Stadt ist.

      »An diesem Tage findet eine große Prozession statt. Die Besitzer von Meiereien schmücken ihre Wagen mit Draperien, Guirlanden, Kränzen und Fähnchen von allen Farben, und bespannen sie mit Stieren, deren Hörner vergoldet und die mit Blumen und Bändern bedeckt sind.

      »Diesen Wagen folgt die Prozession, welche, von der ganzen Bevölkerung von Larino und den umliegenden Dörfern begleitet und das Lob des Heiligen singend, die Büste desselben durch die Straßen trägt.

      »Nun mußte diese Prozession, um in die Kathedrale zu gelangen, oder um dieselbe zu verlassen, an dem bischöflichen Palast vorbei, welcher den beiden jungen Leuten zur Freistätte diente.

      »In dem Augenblick, wo die Prozession und das Volk, auf dem großen Platze der Stadt Halt machend, singend den Wagen umtanzte, näherte Angiolina, an den Gottesfrieden glaubend, sich dem Fenster – eine Unklugheit, vor welcher ihr Gatte sie doch wohlmeinend gewarnt hatte.

      »Das Unglück wollte, daß der Bruder des Grafen diesem Fenster gerade gegenüber auf dem Marktplatze stand. Er erkannte Angiolina durch die Fensterscheibe hindurch, entriß einem Soldaten das Gewehr, legte an und gab Feuer.

      »Angiolina stieß nur einen Schrei aus und sprach nur zwei Worte: »Mein Kind!«

      »Bei dem Knall des Schusses,

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