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Verzeihung.‘ Shmosh ließ Zwerg und Kobold wieder frei.

      ‚Warum sind wir eigentlich nicht eingeschlafen?‘, fragte der Kobold und rieb sich die Rippen.

      ‚Beim Staub des Gerölls, ihr habt in friedlicher Verbundenheit von meinem Honigharz der Wildwaldwiesen gekostet und seid damit immun.‘

      Sie nickten, aber irgendetwas stimmte nicht. Es erschien den drei Wächtern auf einmal so still um sie herum. Etwas schien zu fehlen, auch wenn ihnen im ersten Moment nicht klar war, was. Dann fiel es ihnen wie Schuppen von gegrillten Fischen. Das Schnarchen hatte ausgesetzt. Genau wie das Grunzen.

      ‚Sie werden wieder wach‘, rief Nimrod aus.

      ‚Na, warte! Gezähmtes Spürkaninchen, dressierter Einbrecherkäfer, faselnde Steppdecke …‘

      ‚Meinst du nicht fasernd?‘, verbesserte Nimrod.

      ‚Auch das. Jedenfalls hab ich genug für heute.‘ Damit sammelte Hogelgard Käfer und Kaninchen ein, legte sie neben die Steppschrecke und wickelte alle drei in die losen Fäden, deren Enden er sorgfältig miteinander verknotete. Dann rieb er sich die Hände. ‚So, das Paket wäre fachmännisch verschnürt. Shmosh nutz deinen Hammer doch mal, um Hilfe herbeizusingen. Die soll das Pack abtransportieren.‘

      Nimrod Scriveldish hielt sich den Bauch.

      ‚Das ist gut, ein sirrender Hammer als … Sirene.‘

      Hogelgard rollte mit den Augen und zuckte die Achseln, während der Yeti seine Muskeln spannte. Als er sich wieder unter Kontrolle hatte, schniefte Nimrod und wischte sich Tränen aus den Augen. ‚Schade eigentlich. An das Ninchen hätte ich mich gewöhnen können. Vielleicht behalten wir es.‘ Er griff nach dem Schlüsselbund und steckte ihn wieder in die Tasche.

      ‚Ist das Kritik an mir? Fängst du schon wieder einen Streit an? Soll ich meine Löffel wetzen?‘

      ‚Solange es nur deine sind, würd’ ich’s gern sehen, aber du hast recht, für heute reicht es.‘

      Schlussendlich konnten die drei Wächter das Königreich bewahren. Nicht zum letzten Mal, aber immer gemeinsam.“

      * * *

      Die Fruhr- wie Kuhrlinge klatschten, während die Muhrlinge so taten, als klatschten sie nicht und einander verstohlene Blicke zuwarfen.

      „Die drei Typen waren aber ganz schön schräg, so verbogen wie der komische Schlüssel“, warf Rohfuß ein.

      „Manchmal trennt eben nur ein kleines R verbogen von verborgen“, sagte Guinee. „Und es ist ja wohl klar, worin hier eigentlich der verborgene Schlüssel bestand.“

      Sie stand auf und stemmte die Hände in die Hüften. „Oder etwa nicht?“ Sie warf einen Blick in die Runde. „Der Schneckenreiter hat es sogar selbst gesagt.“

      „Aahhh“, rief da Raffnuss aus. „Jetzt verstehe ich. Es ist egal, wer von uns die Uhr kaputt gemacht hat. Vielleicht trifft auch niemanden die Schuld.“

      Ein zustimmendes Raunen ging durch die Menge der Zuhörerschaft, die während der Erzählung noch weiter angewachsen war und folglich nun nebst der ganzen Stadt auch sämtliche Vögel der umgebenden Nistkreise umfasste. „Hauptsache“, fuhr Raffnuss fort, „wir sind uns einig …“

      Der Schneckenreiter zwinkerte Guinee zu und die lächelte zurück.

      „… einig, dass ich der Erste bin, der sie reparieren darf.“ Ob seiner brillanten Schlussfolgerung strahlte Raffnuss in die Runde und kassierte von Rufus prompt einen Stupser mit dem Schraubenschlüssel.

      „Also wenn einer der Erste ist, dann jawohl ich! Das geht doch eindeutig aus der Geschichte hervor. Ich bin der Schlüsselträger!“ Er hob den Schraubenschlüssel über den Kopf und begann das Gehäuse der großen Uhr zu erklimmen.

      Dem Schneckenreiter blieb nichts anderes übrig als zu seufzen. Er strich sich durch den Bart. Guinee schüttelte bloß den Kopf, während das Kabbeln und Raufen der drei Uhrwerker in eine neue Runde ging.

      Die letzten Sonnenstrahlen lagen längst in tiefem Schlummer, als es dem Schneckenreiter endlich gelang den letzten überdrehten, verängstigten und hibbeligen Uhrling ins Bett zu bugsieren.

      „Wir wissen doch gar nicht, ob es jetzt Zeit dafür ist“, hatten sie bis zuletzt gejammert. Es hatte ihm sämtliche Tricks und Kniffe seiner über die Jahre perfektionierten Überredungskunst abverlangt. Wenigstens die Kuhrlinge waren nach der Erzählung abgelenkt und ruhig gewesen und sogar freiwillig in ihre Betten geschlüpft.

      Als der Morgentau begann sich über die Uhrenzeiger der Stadt zu legen, hatte sich schließlich auch der Schneckenreiter selbst zurückziehen können. Er war durch den von einer schaukelnden Laterne in warmes Licht getunkten Seiteneingang in Globolis Gehäuse geschlüpft. Ging manches Wesen nie ohne Hut aus dem Haus, nahm die Schnecke ihres lieber gleich ganz überall hin mit. Stilvoll und geräumig hielt sie auf ihren Reisen stets ein Gästezimmerchen bereit.

      So ein Schneckenhaus war von innen schließlich weitaus geräumiger als sich von außen erahnen ließ. Geparkt hatten sie, wenn man so wollte, ein Stück den Hang hinab, den sie gekommen waren. Was sich als weise herausstellen sollte, liebte man es nicht von einem Haufen zeitloser Uhrlinge aus viel zu kurzen Träumen gerissen zu werden.

      Als der Schneckenreiter nach nächtlichem Nickerchen nun die Augen aufschlug und zum Fenster hinaussah, hatte er einen großen Tonkrug Tee vor der Nase, dessen Risse entweder davon kündeten, dass er aus verschiedenen, alten Krügen zusammengepuzzelt oder aber gesprungen und wieder geleimt worden war. So oder so, er stand auf dem Fenstersims des Schneckenhauses und lockte den Reiter mit einer einladend winkenden Dampffahne, die sich still daraus empor kräuselte.

      Außerhalb des Schneckenhauses angelangt, den Krug gut verwahrt in einer Hand, stellte der Schneckenreiter sogleich fest, dass es nicht das kuriose Aussehen jenes Gefäßes war, das ihn an diesem Morgen störte, sondern ein Geruch, der seine Nasenlöcher reizte und ihm über die Haut kribbelte wie tausend kleine Käferbeinchen.

      Ein Hauch von Vanille lag in der Luft, eine Note modriges Laub und zwei Prisen feuchten Rindenmulchs. Das war der Tee, eindeutig, aber immer noch nicht das, was ihn in Aufregung versetzte. In seinem Alter machte die Anspannung sich als Steißziepen bemerkbar, weshalb er sie nicht einfach auf sich sitzen lassen konnte. Er musste wissen, was es damit auf sich hatte.

      Hinter ihm wälzte sich nun auch Globoli aus seinem Haus und bewies sogleich den richtigen Riecher. Schmatzend verkündete er dem Schneckenreiter, was dem die ganze Zeit auf der Zunge oder mehr noch in der Nase gelegen hatte.

      „Es riecht nach Meuterei, für wahr! Globoli, du Blitz unter den Schnecken“, lobte der Reiter und leckte sich über die Lippen. Eindeutig, jetzt, da er es wusste, gab es keinen Zweifel mehr, der sauer-salzige Geschmack kündete von einem wortreichen Tag, der ihnen bevor stand. Also stärkte er zunächst seine Stimme an dem dampfenden Kräutertee.

      „Uhum.“ Ein Huster bahnte sich seinen Weg in die Freiheit, als ihm der letzte Schluck quer den Hals runterflutschte. Hatte es bislang nur meuterisch gerochen, klang es nun zusätzlich danach. Klingeln und Dongen, Scheppern und grelle Stimmen brandeten wie eine Flutwelle Kopfschmerzen über ihn hinweg. Fast mutete es wie ein Deja-Vous an, doch er wusste es besser.

      Schnurstracks sattelte er Globoli, und sie ritten die letzten Meter den Hang hinauf.

      Auf dem Uhrplatz bot sich ihnen das vertraute und doch veränderte Bild.

      „Schreibende Feder von Tintopolis, was ist denn in die gefahren?“, stieß der Schneckenreiter aus und zügelte

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