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triefte von seiner weißen Schnauzen. Orange funkelte er in der steigenden Sonne.

      Schließlich ertönte eine dumpfe Stimme aus den Eingeweiden der Steppdecke. Sie klang als habe der Sprecher sich ein Kissen auf die Zunge gelegt und Wattebäuschen in die Nase gestopft.

      ‚Schrecklich! Grauenvoll!‘, bibberte Shmosh und versuchte hinter dem winzigen Hogelgard in Deckung zu gehen, den Hammer vor die Augen gehoben.

      ‚Ich bin Ma Gier!‘

      Hogelgard schnaubte und stieß Nimrod den Ellenbogen in die Seite. ‚Kein besonders einfallsreicher Name für einen Magier, oder?‘ Nur mit Mühe unterdrückte er ein Lachen.

      ‚Und ich komme“, fuhr Ma Gier fort, „die Herrschaft über das verborgene Königreich zu beanspruchen. Zunächst die Gewalt über das goldene Tor!‘

      Shmosh vernahm eines seiner Stichworte und reagierte sofort. ‚Hey, Meister, Gewalt is’ nicht. Niemand tut dem Tor weh!‘

      ‚So, meinst du?‘, nuschelte Ma Gier zwischen ausgespuckten Flusen, beugte sich vor und ließ das Kaninchen von der Leine.

      Vor Schreck verharrten die Wächter einen Moment lang wie gelähmt. Erst als sie das plüschige Tier mit seinem Puschelschwänzchen rasend auf sich zu hoppeln sahen, kam wieder Bewegung in ihre Glieder.

      Nimrod reagierte als erster und präsentierte dem Kaninchen die Klapplanze, doch Ma Gier entriss sie ihm blitzartig wie ein Peitschenhieb mit einem seiner losen Fäden. ‚Wo ist der Schlüssel?‘, wisperte er halb erstickt.

      ‚Verrat es ihm nicht!‘, brüllte Hogelgard. ‚Alles, was er sieht, kann er mit den fiesen Fäden schnappen! Die sind verdammt wendig.‘

      ‚Was du nicht sagst‘, schrie Nimrod zurück und flüchtete vor dem Kaninchen einen Baum hinauf, der eher ein Beerenstrauch war und sich unter dem Zwergengewicht gefährlich durchbog. Mümmelnd und mit der Nase wackelnd drehte das Kaninchen seine Runden um den dürren Ast, starrte mit seinem bohrenden Hasenblick zu ihm herauf und hielt ihn so in Schach.

      ‚Einen Wächter hätten wir. Wer ist der nächste?‘, versuchte Ma Gier zu kreischen, verschluckte sich aber an den Daunenfedern, die aus einem der Brandlöcher quollen.

      Ohne Vorwarnung rannte ihm Hogelgard entgegen. Das Schwert wirbelte in seiner Hand ungesehen von links nach rechts und wieder zurück. Ein loses Fadenende der Steppschrecke bekam es dennoch zu fassen, worauf ein erbitterter Kampf entbrannte. So schnell Ma Gier dem Kobold auch die Waffe entriss, so schnell zauberte der sein Ersatzschwert hervor, und während ein weiterer Faden nun nach jenem schnappte, sauste der Kobold nach vorn und holte sein altes zurück. Wieder schnappte ein Faden danach, bekam es zu fassen und zog es zu sich. Schon hatte Hogelgard wieder das vorherige in Händen. Die Gegner umwirbelten einander, bis wieder eine dichte Staubwolke aufwallte und sie vollständig vor den Blicken der anderen verbarg. Nur Stöhnen, Ächzen und Klirren in reger Abwechslung verrieten, dass beide noch lebten und weitere Schläge austauschten.

      Unterdessen bog sich der Hauptzweig des Strauchs immer weiter unter Nimrods Last durch und knackte verdächtig. Der Schlüsselhüter zog die Füße ein, um den schnappenden Kiefern des Kaninchens zu entgehen.

      Es hätte wohl ewig derartig weiterlaufen können – Decke gegen Kobold, Zwerg auf Zweig, Kaninchen geifernd darunter – oder zumindest solange, bis der Zweig des Zwerges endgültig brach, da spitzte das Kaninchen plötzlich die Löffel und wandte sich ab. Nimrod atmete auf, stutzte jedoch mittendrin und verschluckte sich beinahe am eigenen Atem.

      Shmosh versuchte seinen Hammer über dem Kopf ins Schwingen zu bringen, doch das Sirren und Swooshen hatte die Aufmerksamkeit des weißen Ungetüms geweckt und seine mümmelnden Zähne auf den Plan gerufen. Es setzte zu einem weiten Hoppelhüpfer an, als sich Nimrod einem kleinen Schlüsselbund in seiner Tasche entsann.

      Die eine Hand fest um den Zweig geschlungen, fummelte er es mit der anderen heraus und klimperte damit. Wieder drehte sich der Kopf des Kaninchens, und es hoppelte zu ihm zurück.

      ‚Gut, es funktioniert! Oh je, es funktioniert.‘

      In diesem Moment gab der Strauch mit einem Knacken unter ihm auf und Nimrod fiel zu Boden. Jetzt war Schnelligkeit gefragt. Seine Hirnwindungen ratterten. Das Kaninchen war nahe, die rot glühenden Augen hielt es starr auf den Schlüsselbund gerichtet. Schlüssel, ja richtig, das musste funktionieren, überlegte der Zwerg noch, als sein Arm bereits ausholte. Nimrod warf den Schlüsselbund in hohem Bogen von sich und schrie: ‚Hol‘ das Schlüsselchen! Sei ein braves, Ninchen, na los! Hol’s!‘

      Das Kaninchen hoppelte hinterher. Seine Schneidezähne schlugen gegen das Metall, und es kehrte um.

      ‚Oh nein, es kommt zurück.‘ Nimrod begann erneut zu rennen, doch das Kaninchen war schneller. Kaum hatte es ihn erreicht, ließ es den Schlüsselbund vor seine Füße klimpern, setzte sich auf die Hinterbollen und wackelte mit dem Stummelschwänzchen. Nimrods Augenbrauen wanderten nach oben. Zitternd streckte er eine Hand an der Kaninchennase vorbei, griff nach den Schlüsseln und schleuderte sie noch weiter fort. Wieder hoppelte das Kaninchen hintendrein.

      Shmosh hatte die Ablenkung genutzt, um den Hammer in Schwung zu bringen. Nun ließ er ihn über seinem Kopf kreisen und stimmte im Takt des Stöhnens und Ächzens der Kontrahenten im Staub ein Schlaflied an. Er schmetterte aus voller Kehle, während der Hammer munter summte. Auf halber Strecke zurück zu Nimrod kippte das Kaninchen um und fiel auf die Seite. Die Schlüssel schepperten zu Boden. Auch das Ächzen und Stöhnen verstummte schlagartig. Stattdessen drang ein Schnarchen aus der Staubwolke, die sich allmählich legte und eine zusammengerollte Steppdecke mit gekräuselten Fäden und Fühlern enthüllte. Hogelgard war über und über von einer Dreckschicht bedeckt. Den Bart braun verfärbt wie vom Wetter gegerbt, stand er achsel- wie schwertzuckend neben der schlummernden Steppschrecke. ‚Sie muss vor lauter Erschöpfung umgefallen sein‘, sagte er mit knirschenden Sandpartikeln zwischen den Zähnen und spuckte staubigen Belag aus.

      Doch Nimrod widersprach sogleich. ‚Damit hattest du nichts zu tun. Ausnahmsweise.‘

      Er deutete auf Shmosh, doch sein Blick glitt an jenem vorbei zum Tor. Im Sand davor lag ein schlafender Hirschkäfer, der im Traum ab und an ein Grunzen vernehmen ließ. Nimrod eilte sofort darauf zu. Bei dem Insekt angekommen, begann er die Pforte in Augenschein zu nehmen und begutachtete jeden Millimeter. Am Schloss entdeckte er schließlich, wonach er gesucht hatte: Kratzspuren. Er nahm den Käfer auf die Hand. ‚Seht euch das an, natürlich eingebaute Knackwerkzeuge. Ma Gier, Das Kaninchen; alles ein Ablenkungsmanöver für ihren dritten … Mann, wenn man so möchte.‘

      Shmoshs Stimme bebte. ‚Puh, dann war’s aber ganz schön knapp.‘

      ‚Wir haben ihn nicht mal bemerkt‘, brummte Hogelgard.

      ‚So sollte es ja auch sein.‘ Nimrod rieb sich die Nase. ‚Wenn Shmosh nicht …‘

      ‚Ich weiß.‘ Hogelgard legte Nimrod eine Hand auf die Schulter, die jener dankbar ergriff. Als sie die Nähe bemerkten, rückten sie voneinander ab und blickten verlegen zu Boden.

      ‚Ähm‘, druckste Nimrod, als ihm eine Ablenkung einfiel. ‚Schlussendlich war es doch gut, dass ich den Schlüssel vergraben habe, nicht wahr?‘, stichelte er.

      ‚Ja‘, stimmte Hogelgard knurrend zu. ‚Der wäre sonst sofort in den Fäden gelandet.‘

      Nimrod nickte zufrieden.

      ‚Aber es war auch gut, dass ich mein Schwert so …‘, er fuchtelte damit herum, ‚… behände und fix gebrauchen kann.‘

      ‚Ja, in der Tat‘, musste nun wiederum Nimrod zugeben. ‚Das ist wahr.‘

      Dann sahen die beiden einander an. ‚Aber ohne Shmoshs Schlaflied begleitet vom singenden Hammer hätten wir ganz schön alt ausgesehen‘, sprachen sie wie aus einem Munde.

      Shmosh grinste breit. Eine Träne im Augenwinkel funkelnd, drückte er die beiden Wächter an sich, und dieses Mal strampelten sie nicht. Ein jeder drückte den Yeti

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