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unter Drogen stand. Alles war einem egal, man dümpelte einfach nur vor sich hin, ohne die Umwelt richtig wahrzunehmen. Meist hatte sie in diesem Stadium die größten Probleme, ihre nichtrealen Erlebnisse von der Wirklichkeit zu unterscheiden.

      Aber sie hatte sich vorgenommen, tapfer dagegen anzukämpfen. Seitdem achtete sie auf eine gesündere Ernährung, joggte regelmäßig mit Nick und ging zeitig zu Bett. Irgendwann würde es ihr wieder besser gehen, davon war sie felsenfest überzeugt.

      Vielleicht waren auch die Differenzen untereinander daran schuld. Einmal hatte sie ein Gespräch zwischen Nick und Jonas belauscht. Zu ihrem Entsetzen musste sie mit anhören, wie Jonas Nick dazu aufgefordert hatte, die Beziehung sofort zu beenden, sonst würde er die Gruppe verlassen. Er solle gefälligst die Finger von ihr lassen und sie dorthin zurückschicken, wo sie hergekommen war. Das war mehr, als sie ertragen konnte, und sie hatte sich gekränkt abgewandt.

      Insgeheim wünschte sie sich, dass sich die Türen der alten Villa nicht öffnen ließen und ihnen der Zugang zum Tunnelsystem verwehrt blieb. Mit etwas Glück würde es nur wenig zu entdecken geben und einer vorzeitigen Heimreise stand nichts mehr im Weg.

      „Wir sind gleich da“, frohlockte Nick, doch sie konnte seinen Enthusiasmus nicht teilen. Antriebslos öffnete sie die Augen.

      „Na Sophie, ausgeschlafen?“ Maike lächelte.

      „Ja, so in etwa …“, antwortete sie lakonisch.

      „Du klingst wenig begeistert“, stellte Maike nüchtern fest. „Lass dich einfach überraschen. Manchmal geht von diesen Gebäuden ein unwiderstehlicher Zauber aus. Die alten Mauern können so viel erzählen, von den Menschen, die sie einst bewohnt haben. Es ist ein bisschen wie Magie, die man einfangen und auf Bildern konservieren kann.“

      „Ich weiß nicht so recht, ich finde diese Vorstellung eher beängstigend. Vielleicht möchten die ehemaligen Bewohner gar nicht, dass man in ihren Sachen wühlt?“

      „Da könntest du recht haben, Sophie. Es gibt tatsächlich Orte, die sich wehren, die einen nicht hereinlassen. Da nützt die beste Planung nichts. Aber heute bin ich ganz zuversichtlich.“ Maike lächelte versonnen und blickte wieder aus dem Fenster.

      Eines musste man Maike lassen, sie verhielt sich stets korrekt ihr gegenüber. Wenn das kein gutes Zeichen war, was dann?

      „So, Leute, da vorn ist es.“

      Nick deutete in die Richtung und Sophie presste ihre Nase an der Seitenscheibe platt. „Müssen wir etwa über diesen Zaun klettern? Und ist der steile Hang nicht extrem gefährlich?“ Sie war irritiert, denn von solchen Strapazen war nie die Rede gewesen.

      „Nun ja, wir werden schon ein halbes Stündchen laufen müssen. Wir parken etwas abseits im Wald, damit uns der Besitzer nicht sofort aufspüren kann.“

      „Warum hast du vorher nichts gesagt?“, fragte sie vorwurfsvoll.

      „Sophie, du hattest die Karte doch vor dir auf dem Tisch liegen.“

      Stimmt, aber damals war sie mit ihren Gedanken ganz woanders gewesen. Dabei konnte sie perfekt Karten lesen und auch dementsprechend navigieren.

      „Na wunderbar“, seufzte sie verärgert.

      Nick lachte. „Man merkt dir an, dass das deine erste Tour ist. Die frische Waldluft wird dir guttun und im Handumdrehen sind wir an der Villa.“

      „Dein Wort in Gottes Ohr …“, murmelte sie.

      Maike verkniff sich ein Grinsen, während Jonas stur die Fahrbahn fokussierte. Aber der Kerl ging wahrscheinlich eh zum Lachen in den Keller. Sie hatte ihn noch nie fröhlich oder ausgelassen erlebt, stets taxierte er mit ernster Miene seine Umgebung.

      Endlich setzte Jonas den Blinker, trat auf die Bremse und bog auf einen holprigen Waldweg. Die vierköpfige Crew stieg aus und es herrschte Aufbruchsstimmung.

      Maike sog den erdigen Geruch des Waldes in ihre Lungen. „Einfach herrlich, ich bin gern hier draußen. Jetzt komm schon, Sophie, setz ein Lächeln auf und genieße den Ausflug.“

      Nur zu gern hätte sie sich zu einem Lächeln durchgerungen, aber der Anblick des vollgestopften Kofferraumes ließ ihre Laune auf den Nullpunkt sinken. Wann hatten die Jungs den Wagen überhaupt so vollgepackt? Das war ihr total entgangen.

      „Wer soll denn den ganzen Krempel schleppen? Und wozu braucht ihr ein Stativ und die Kamera?“

      „Wir wollen im Inneren der Villa Videos drehen und sie dann ins Netz stellen“, klärte Maike sie auf.

      „Das hattet ihr mit keinem Wort erwähnt. Ich bin davon ausgegangen, dass wir uns nur kurz umsehen.“

      Sie war unglaublich frustriert und die Hoffnung, sich schnell wieder aus dem Staub machen zu können, fiel wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Nick legte seinen Arm um ihre Schultern und zwinkerte ihr zu.

      „Hey, ist doch alles nur halb so schlimm, zerbrich dir darüber nicht den Kopf. Wir sind es gewohnt, wie Packesel durch die Pampa zu marschieren. Morgen wirst du über deine Sorgen lachen.“

      Sophie entging nicht, wie Jonas sich mit einem wütenden Gesichtsausdruck abwandte. Peinlich berührt löste sie sich aus Nicks Umarmung und schulterte den Rucksack. Ihr war unbegreiflich, wie es das Trio all die Jahre miteinander ausgehalten hatte. Die drei konnten unterschiedlicher nicht sein.

      Nachdem jeder sein Equipment aus dem Kofferraum genommen hatte, setzte sich der Tross in Bewegung. Ein schmaler Trampelpfad führte direkt zur Villa.

      „Sieht wohl so aus, als wären wir nicht die Einzigen, die sich auf den Weg zur Villa machen“, mutmaßte Nick.

      „Hauptsache, wir stoßen nicht auf eine andere Gruppe, dann können wir das Ganze vergessen.“ In Maikes Stimme lag eine gehörige Portion Skepsis.

      Sophie spitzte die Ohren und schickte ein stilles Stoßgebet zum Himmel, dass mindestens vier weitere Teams genau diesen Gedanken heute in die Tat umsetzen würden. Verstohlen hielt sie nach weiteren Personen Ausschau.

      Der Pfad zog sich quälend in die Länge und sie stolperte mehr als einmal über das Wurzelwerk der Bäume. Ihr blieb kaum Zeit, sich am Grün des Waldes zu erfreuen, denn Nick legte ein ordentliches Tempo vor. Die Riemen des vollgestopften Rucksacks schnitten schmerzhaft in ihre Schultern und sie war ständig bemüht, ihr angestrengtes Atmen zu unterdrücken. Vor Maike körperliche Schwäche zu zeigen, kam für sie nicht infrage.

      „Wir haben es geschafft“, verkündete Jonas.

      Tatsächlich, das graue Mauerwerk der Villa war deutlich zu erkennen und der verschlungene Pfad endete vor einem Maschendrahtzaun. Sophie hatte sich das Gebäude viel imposanter vorgestellt, so wie Maike und Nick davon geschwärmt hatten. Wahrscheinlich sollte sie froh darüber sein, denn so würden die Videoaufnahmen in einem überschaubaren Rahmen bleiben.

      „Na sieh mal einer an, die Tür ist schon eingebaut.“ Nick zog den Draht auseinander und eine Öffnung kam zum Vorschein. „Passt, wackelt und hat Luft“, stellte er zufrieden fest. „Jonas, du kriechst zuerst durch und nimmst unsere Sachen entgegen.“

      Sophie bemerkte an Nicks Tonfall, dass er dazu übergegangen war, das Kommando zu übernehmen. Maike und Jonas störten sich nicht daran und ließen ihn gewähren. Ihr war vorher gar nicht bewusst gewesen, dass er die Touren im Alleingang managte. Seine Autorität vermittelte ihr die nötige Sicherheit, um die bevorstehende Straftat durchzuziehen. In ihren Augen begingen sie Hausfriedensbruch, auch wenn es die drei anders sahen.

      Nachdem Sophie sich als Letzte durch die Öffnung gezwängt hatte, klopfte sie sich den Staub von den Hosenbeinen. Jetzt wurde es ernst. Mit schnellen Schritten durchquerten sie den Garten in Richtung Haus und Sophie wurde immer nervöser. Sie fühlte sich beobachtet und hätte schwören können, dass die ehemaligen Besitzer der Villa hinter den Fenstern lauerten, um das Geschehen aus sicherer Entfernung mitzuverfolgen.

      „Wo gehen wir rein?“

      Jonas musterte skeptisch den Haupteingang. Acht Stufen aus behauenem

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