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aufgezeichnet wird. Sollten Sie also vorher mit einem Anwalt sprechen wollen, schweigen Sie besser«, erklärte der Mann mit den spärlichen Haaren auf dem kugeligen Kopf. Eindringlich sah er die Gruppe mit seinen vergißmeinichtblauen Augen an. »Haben Sie das alle verstanden?«, fragte er abschließend.

      Chuck und Silky nickten, während James immer noch außer sich war. Den Beamten war nichts anderes übriggeblieben, als den Randalierenden mit den Handschellen am Stahltisch des Verhörraums zu ketten. Die anderen drei, die mit ihnen im Gefangenentransporter hergebracht worden waren, sahen Blake und McGinnis nichtssagend an.

      »Was soll der ganze Scheiß!?«, schrie James lautstark.

      Blake und McGinnis ließen sich von dem jungen Hitzkopf nicht aus der Ruhe bringen.

      »Die größte Verwundbarkeit ist die Unwissenheit, Mister Sheppard! Wissen Sie das nicht?«, fragte Blake ihn lächelnd. »Sie werden doch von allen scherzhaft ›Philosoph‹ gerufen, oder etwa nicht?«

      Das Blake ihn herausforderte gefiel James gar nicht.

      »Auch des Feindes Auge wird mit der Zeit blind«, schleuderte der Heißsporn ihm wütend entgegen. »Wir sind doch nicht hier, um uns über Sunzis Kunst der Kriegsführung zu unterhalten, Chief Inspector! Sie sollten endlich mit der Sprache herausrücken. Weshalb haben Sie uns unserer Freiheit beraubt und hierhergeschleppt? … Und weil Sie es ja anscheinend auf der intellektuellen Schiene wollen – frei nach Mark Twain: Überall gibt es einen Idioten, der die naiven Fragen stellt, vor denen jeder andere zurückschreckt! Darf ich fragen, wer von Ihnen beiden dieser Idiot ist? Sie vielleicht, Detective Inspector McGinnis?«

      »Ich rate Ihnen, Ihre Zunge zu zügeln, junger Mann«, fuhr McGinnis ihn knurrend an. »Ansonsten wäre es möglich, dass sich Ihr Aufenthalt bei uns nicht unwesentlich verlängert! Ich hoffe, ich habe mich deutlich ausgedrückt.«

      »Meine Zukunftsplanung sieht da aber ganz anders aus!« James schäumte vor Wut.

      »Immer, wenn der Mensch anfängt, seine Zukunft zu planen, fällt irgendwo das Schicksal lachend vom Stuhl, Mister Sheppard«, bemerkte McGinnis mit einem spöttischen Schmunzeln.

      »Sie haben ja einen echten Spaßvogel zum Kollegen, Chief Inspector!«, regte sich James auf.

      Blake ignorierte die Bemerkung des tobenden Studenten und blickte die anderen Studenten mit seinen kühlen, grauen Augen gelassen an.

      »Wir vermuten«, sagte er seelenruhig, so, als würde er einen Vortrag halten, »dass in der letzten Nacht eine Frau in ihrer Kommune ermordet wurde. Dementsprechend fragen wir uns: Wer unter Ihnen könnte ihr Mörder sein?«

      In dem sterilen, hellgrau gestrichenen Verhörraum hätte man eine Stecknadel fallen hören können – so still wurde es mit einem Mal. Geschockt hielten die Studenten den Atem an.

      Blake gab den zwei Constablern im Hintergrund ein Zeichen. Sie führten die anderen drei Mitgefangenen ab – nur Chuck, James und Silky nicht. Als die drei merkten, dass sie mit den beiden Kriminalbeamten allein waren, zuckten sie unwillkürlich zusammen. Es kam ihnen so vor, als würden die beiden Inspektoren, sie des Mordes an der Frau beschuldigen.

      Blake war von seinem Platz aufgestanden, hatte sein Päckchen Benson & Hedges hervorgeholt, eine Zigarette entnommen und sie angezündet. Während er einen ersten tiefen Zug nahm, ließ er die vor ihm sitzenden jungen Leute nicht aus den Augen.

      McGinnis hatte seinen Stuhl etwas zurückgeschoben. Lässig schlug er die Beine übereinander und lehnte sich entspannt zurück. Obwohl das Verhör mitgeschnitten wurde, hatte er seinen abgegriffenen Notizblock herausgeholt und spielte abwartend mit seinem inzwischen viel zu kurzen Bleistift.

      Die aufgekommene Stille wirkte bedrohlich.

      »Es wird das beste sein, wenn Sie uns schildern, wie es abgelaufen ist«, schlug Blake mit eisiger Stimme vor.

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      Kapitel 4

      E

      in unerträglich bohrender Schmerz wütete in seinem Kopf. Seine Schläfen pochten wie wild. Es fühlte sich an, als würden dort jeden Augenblick die Adern platzen. Vor seinen Augen hingen kaum durchdringbare Schleier. Remington Cartwright leckte sich über seine trockenen Lippen. Wie ein ausgedörrter Klumpen lag ihm seine Zunge im Rachen.

      »Meine Fresse!«, stöhnte er fluchend und erschrak, weil er seine Stimme kaum wiedererkannte.

      Ganz langsam richtete er sich auf, schlug die Bettdecke zurück und setzte sich auf die Bettkante. Nur allmählich trat seine Erinnerung an die vergangene Nacht aus dem Dunstschleier des noch vorhandenen Restalkohols hervor.

      Irgendwann im Morgengrauen war er nach Hause gekommen und hatte sich eine ›Gespielin‹ mitgebracht, die er in dem obskuren Nachtclub kennengelernt und nach zahlreichen Drinks auf ein gemeinsames Schäferstündchen eingeladen hatte. In seinem Kopf schwirrte es, wie in einem wilden Bienenstock. Als sich sein Blick endlich etwas klärte, seufzte er.

      Zwei Flaschen und eine aufgebrochene Kondom-Packung lagen auf dem Boden vor seinen Füßen. Den Sekt hatte er mit seiner Begleiterin getrunken und sich anschließend ausgiebig mit ihr beschäftigt. Unsicher stand er auf und lief durch die Wohnung. Das Mädchen, welches sich ihm gegenüber als Karen vorgestellt hatte, war fort ...

      ... und seine Frau Ashley ebenfalls!

      Es traf ihn wie ein Schock. Er fühlte, wie ihm mit einem Mal die Knie weich wurden, als von einer Sekunde auf die andere seine Erinnerung wieder einsetzte.

      Er dachte an den fürchterlichen Streit, den er wieder einmal mit seiner Frau ausgefochten hatte, und daran, wie er fluchtartig aus der Wohnung gestürmt war. Mit einem Mal war ihm wieder präsent, wie er ziellos durch die Straßen gelaufen war und sich übelsten Mordgedanken hingegeben hatte. Dann fiel ihm die unheimliche Frau in ihrem schwarzen Mantel ein, die alles zu wissen schien, und auch das grauenhafte Versprechen, demzufolge ihr Herr und Meister seinen Wunsch erfüllen werde. Er entsann sich, wie er ihr gehorchend den Nachtclub aufgesucht hatte. Alles war wieder gegenwärtig, und es war so lebendig, wie das junge Mädchen, welches er auf Anweisung dieser Frau um vier Uhr in der Früh mit zu sich Hause genommen hatte. Ashley hatte er nicht angetroffen. Karen und er hatten anfangs gemeinsam im Wohnzimmer gesessen, angefangen Sekt zu trinken, waren sich dabei immer nähergekommen und zum Schluss im Ehebett gelandet. Er schmunzelte, als er sich bei dem Gedanken erwischte, sie habe sich ihm hingegeben. Das war natürlich Quatsch, denn sie war für ihre Dienstleistung ordentlich bezahlt worden.

      »Was habe ich nur getan?«, stöhnte er leise und spürte, wie ihm schlecht wurde – sein Kreislauf verrückt spielte. »Luft! Luft!«, murmelte er vor sich hin. »Ich brauche frische Luft!«

      Wankend schritt er zum Fenster und öffnete es. Gierig sog er die kalte, vom Nebel angefeuchtete Luft ein. Langsam stabilisierte sich sein Kreislauf wieder und das aufgetretene Schwindelgefühl verschwand.

      Als er auf die Straße hinunterblickte, verschluckte er sich an seinem eigenen Speichel, was einen heftigen Hustenanfall zur Folge hatte. Auf dem gegenüberliegenden Bordstein stand eine Person, und es war nicht irgendjemand! Es war jene seltsame Frau, die er in der vergangenen Nacht getroffen hatte. Wieder trug sie ihren schwarzen Mantel und wieder hatte sie die dessen Kapuze aufgesetzt. Auch im Grau der frühen Morgenstunde wirkte ihr Gesicht ausgesprochen blass. Sie sah direkt zu ihm herüber. Starr waren ihre dunklen Augen auf ihn gerichtet.

      Ein heftiger Schreck durchfuhr ihn und automatisch wich er zurück. Erst dachte er daran sich zu verkriechen, doch dann machte sich seine Neugierde bemerkbar. Er wollte unbedingt wissen, was hier vor sich ging.

      Schnell eilte er in den Flur, schnappte sich den Wohnungsschlüssel, warf sich eine Jacke über und rannte das Treppenhaus hinunter auf den Gehweg.

      Die unheimliche Frau blickte ihm gelassen entgegen, als er

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