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Ashley ist immer noch die attraktive Frau, die ich vor über zwanzig Jahren kennen- und liebengelernt habe, und sie weiß nur zu gut um ihre Reize. Laufend fordert sie die Blicke anderer Männer durch ihr provokantes, kokettierendes Auftreten heraus. Sie prüft nur ihren Marktwert, säuselt sie dann immer lächelnd, wenn sie merkt, dass mir missfällt, was sie tut. Es sei für Frauen wichtig zu wissen, ob sie noch Begehrlichkeiten wecken können, erklärt sie. Aber wenn ich mal den Blick schweifen lasse und einem hübschen Mädchen nachsehe, dann ist das gleich etwas ganz anders! Dabei bin ich ihr noch nie untreu gewesen! Ja, ich habe nicht einmal an einen Seitensprung gedacht. Sie war mir doch immer genug.

      »Du hast dir doch immer wieder vorgestellt, wie ein Leben ohne Ashley wäre!« Wie ein schleichendes, sich ganz langsam ausbreitendes Gift, drang die beschwörende Stimme der unheimlichen Frau in seine Gedanken ein. »Dann wärst du endlich frei! Du bekämst dazu noch das Geld aus der Lebensversicherung und könntest wieder tun und lassen, wonach auch immer dir der Sinn steht! Du könntest wieder ausgehen, ohne dass sie dir laufend eine Szene macht, und dir eine neue Gespielin suchen.« Eindringlich blickte sie ihn an. »Du weißt doch jetzt schon, dass sie wieder zänkisch über dich herfallen wird, wenn du morgen früh nach Hause kommst. Willst du das, Remington Cartwright?«

      »Nein! Natürlich will ich das nicht! Wer würde das schon wollen?«, reagierte er hart und erschrak über die ungewollte Härte, mit der es gesagt hatte. »Woher wissen Sie das überhaupt alles?«

      Ein geheimnisvolles Lächeln verzerrte die Züge der schönen Fremden zu einer dämonischen Larve.

      »Das Böse hat seine Augen und Ohren überall«, wisperte sie. »Wann immer ein Sterblicher es ruft, so entgeht es ihm nicht.« Wieder blickte sie ihn zwingend mit ihren funkelnden, schwarzen Augen an. »Und jetzt, Remington Cartwright, … jetzt höre mir genau zu, denn dein Leben wird davon abhängen, dass du alles tust, was ich dir sage.« Sie deutete mit ihrem ausgestreckten Arm auf die gegenüberliegende Straßenseite. »Siehst den Nachtclub? Den wirst du jetzt aufsuchen und nicht vor vier Uhr früh verlassen. Bis dahin wirst du etwas trinken und dich mit den Frauen vergnügen. Vor allem aber wirst du dich bemerkbar machen! Freunde dich mit einer von ihnen an. Du weißt, sie sind käuflich und nie abgeneigt nebenbei ein paar Pfund in die eigene Tasche zu wirtschaften. Nimm eine mit zu dir nach Hause. Falls sie wegen deiner Frau fragt, dann sage ihr, die würde bei einer Freundin übernachten und du hättest eine sturmfreie Bude. Wichtig ist, dass du auf keinen Fall vor vier Uhr nach Hause kommst. Hast du mich verstanden?«

      Er nickte wie betäubt.

      »Und was ist dann?« Sein Tonfall klang, als wäre er schön jetzt sinnlos betrunken.

      Auf dem Gesicht der ganz in schwarz gekleideten Frau zeigte sich ein diabolisches Schmunzeln.

      »Dann wird mein Herr und Meister deinen sehnlichen Wunsch erfüllt haben«, erwiderte sie und fügte befehlend hinzu: »Und nun geh, Remington Cartwright! Geh!«

      Wie unter einem hypnotischen Zwang folgte er ihrer Aufforderung.

      »Warum die Hölle im Jenseits suchen?«, murmelte er vor sich hin. »Sie ist schon im Diesseits vorhanden.« Er lächelte. »Rousseau hatte Recht.«

      Mit unsicheren Schritten überquerte er die Straße und blieb vor dem Nachtclub stehen. Als er sich noch einmal nach der Fremden umsah, war diese nicht mehr da. Sie war verschwunden, so als habe es sie nie gegeben.

      Unwillkürlich schüttelte er den Kopf und begann an seinem Verstand zu zweifeln. Wie unter einem Zwang öffnete er die Tür und trat in die rot ausgeleuchtete Bar.

      Auch wenn das ganze Gerede von einem Herrn und Meister blanker Unsinn ist, dachte er, muss ich ihr zumindest in einem Punkt zustimmen. Ich will mir diese Nacht einen antrinken und mich vergnügen, um alles für ein paar Stunden zu vergessen. Und in wenigen Minuten werde ich damit anfangen.

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      Kapitel 2

      A

      shley Cartwright hatte in der Küche Wasser gekocht und sich einen Tee aufgegossen. Immer noch versuchte sie sich zu beruhigen, aber es fiel ihr schwer. Verärgert nahm sie den Teebeutel aus dem großen, dampfenden Pott und legte ihn auf einen kleinen, gläsernen Untersetzer.

      »Wo steckst du nur!«, schimpfte sie, griff nach einer Glasschale, die gerade in Reichweite stand und schleuderte sie wutentbrannt gegen die Küchenwand. »Komm du mir bloß nach Hause!«, schrie sie dabei lauthals.

      Das explosive Klirren der zerspringenden Glasschüssel brachte sie wieder zur Besinnung. Schluchzend stützte sie ihren Kopf in beide Hände und blieb reglos am Küchentisch sitzen.

      Wie und warum ist alles nur so gekommen?, fragte sie sich. Wieso verstehen wir uns nicht mehr? Damals, vor zwanzig Jahren, … es hatte doch alles so schön angefangen. Nichts ist übriggeblieben, von all unseren Träumen, Wünschen und Hoffnungen. Ist es tatsächlich der graue Alltag, der uns beide zermürbt und zerrieben hat, bis nur noch Abneigung übrig geblieben ist ... eine, die uns das Leben zu Hölle macht?

      Mit schleppenden Schritten ging sie in den Flur und besah sich in dem großen Ankleidespiegel.

      Ich bin doch immer noch hübsch anzuschauen, gepflegt und attraktiv. Noch gelingt es mir, dass sich auch jüngere Männer für mich interessieren. Bei diesem Gedanken huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. Warum nimmt Remington das nicht mehr wahr? Natürlich bin ich älter geworden und sicher kann ich nicht mehr mit einer siebzehn- oder achtzehnjährigen Kellnerin konkurrieren, … aber muss ich mich deshalb verstecken? Sie korrigierte den Sitz einer blonden Haarsträhne. Ich habe immer auf mich geachtet, trage immer noch Größe acht, bin gertenschlank und wohlproportioniert. Dabei betrachtete sie sich von der Seite und hob mit den Händen leicht ihren Busen. Ich kann zufrieden sein. Die Natur hat es gut mit mir gemeint.

      »Was suchst du nur bei anderen Frauen, was ich nicht habe?«, murmelte sie leise, während sie hilflos mit den Achseln zuckte. »Und dann flirtest du auch noch mit ihnen in aller Öffentlichkeit!«

      Ihre Wut kehrte zurück und ihre Augen, die die Farbe blasser Kornblumen hatten, verdunkelten sich. Sie fieberte dem Augenblick entgegen, in dem sie ihrem Mann wieder so richtig ihre Meinung an den Kopf werfen konnte.

      Sie konnte nicht ahnen, dass es dazu nicht mehr kommen sollte!

      Plötzlich ruckte ihr Kopf herum. Sie glaubte etwas gehört zu haben. Hatte sie sich geirrt? Sie lauschte. Es war ihr, als habe sie einen lautlosen Ruf erhalten. Verwirrt strich sie sich durch die Haare.

      Da!

      Sie hörte es wieder!

      »Ashley!«, rief eine Stimme, leise, aber eindringlich. »Ashley, komm! … Komm zu mir … Es ist an der Zeit!«

      Irritiert blickte sie sich um. Sie zitterte ein wenig.

      »Wozu ist es Zeit?«, fragte sie fast unhörbar.

      Sie machte keine Anstalten sich dem Ruf zu widersetzen. Ohne weiter darüber nachzudenken, wer da überhaupt nach ihr rief, schlüpfte sie mit traumwandlerischen Bewegungen in ihre Pumps. Dann nahm sie ihren langen, auf Taille geschnittenen, bordeauxroten Mantel vom Bügel und zog ihn über. Wie in Trance schloss sie die gekordelten Knebelverschlüsse. Eitel, wie sie war, warf sie noch einen abschließenden Blick in den Spiegel, setzte die an den Mantel geknöpfte Kapuze auf und drapierte mit wenigen, gekonnten Handgriffen ihre blonde Haarpracht. Sie lächelte ihr Spiegelbild an.

      Ohne das Licht im Flur zu löschen, verließ sie die Wohnung und huschte über das Treppenhaus hinaus auf die Straße. Es war frisch draußen. Der Wind hatte zugenommen. Ein leichter Nebel kroch durch die mitternächtliche Straße und überzog alles mit einem feuchten, kühlen Film.

      Trotz des warmen Mantels fror sie. Es war eine innere Kälte. Sie spürte, wie eine seltsame, unsichtbare Macht von ihr Besitz ergriff, fühlte,

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