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und … die Augäpfel herausgezogen.« Lestrade schwieg, als wolle er dadurch seinen Worten mehr Gewicht geben, einen Augenblick, ehe er fortfuhr: »Besonders pervers finde ich …«, dabei zeigte er auf das kleine Loch in der Stirn der Toten, »dass man uns die Identifikation so leichtgemacht hat.« Er nahm eine Nierenschale vom Tisch, in der ein historisch wirkender Nagel und eine Identy Card lagen, die mittig ebenfalls ein Loch aufwies. »Der oder die Täter haben ihr den Ausweis direkt auf die Stirn genagelt. Sollte sie bis dahin noch gelebt haben, was ich für sehr unwahrscheinlich halte, so ist sie spätestens zu diesem Zeitpunkt verstorben. Der Nagel ist um gut drei Inch tief eingedrungen.« Auf sein Zeichen deckte Hancock die Leiche wieder zu. Schmunzelnd blickte Lestrade Blake an. »Ich habe ja schon viel zu Gesicht bekommen, aber das hier war wirklich interessant und dazu mal neu.«

      Blake reichte Lestrade die Hand und nickte Hancock freundlich zu. »Danke, Gordon«, sagte er und gab McGinnis und dem Constable einen Wink. »Ich denke, wir sind hier fertig.«

      Eine Minute später befanden sie sich in dem Raum, in den ihre Mitstudentin gebracht worden war. Der Constable stand am Fußende der Couch, auf die er sie gelegt hatte.

      James zeigte immer noch aggressives Verhalten. Es sah so aus, als wollte man ihnen einen Mord in die Schuhe schieben und er fühlte sich besonders angegriffen, denn schließlich wollte er Augenarzt werden. Er nahm die Sache sehr persönlich. Bislang hatte er nichts gegen die Polizei gehabt, aber im Augenblick entwickelte sich ein klares Feindbild. Seine Stirnadern waren angeschwollen und sein Gesicht hatte sich rot gefärbt, als er sich wieder an Blake wandte.

      »Was fällt Ihnen eigentlich ein!«, schrie er ihn an. »Wie können Sie ...!«

      »Sei endlich still, James«, fuhr Chuck jetzt dazwischen. »Merkst du eigentlich nicht, was hier abgeht? Da versucht uns jemand, ganz gewaltig aufs Kreuz zu legen!«

      »Das habe ich jetzt gar nicht gemeint!«, stieß James wütend aus. »Ich will wissen, was diese absurde Aktion gerade sollte!? Silky hat es voll umgehauen! Das war eine echte Zumutung!«

      »Du solltest wirklich einen Gang runterschalten!«, schnauzte Chuck ihn an. »Der Chief Inspector wollte uns testen!« Er warf Blake einen prüfenden Seitenblick zu. »Er wollte die vermeintlichen Mörder mit dem Opfer konfrontieren!«

      »Sie haben damit nicht Unrecht, Mister Armstrong«, gestand Blake mild lächelnd. »Ich muss allerdings eingestehen, dass ich Ihnen aufgrund Ihres Studiums mehr zugetraut hätte.« Er wandte sich an den Constable, der sich immer noch um James Sheppard kümmerte. »Nehmen Sie Ihnen die Handschellen ab.«

      »Dann halten Sie uns also für unschuldig?«, erkundigte sich James erstaunt und deutlich ruhiger, während ihn der Beamte von der Fessel befreite.

      »Wir haben keinen Beweis für Ihre Schuld«, räumte Blake ein. »Aber wir haben auch keinen für Ihre Unschuld.« Er zuckte mit den Schultern. »Fakt ist, dass bisher alles darauf hindeutet, dass der Mord auf Ihrer Insel passierte. Folglich ist nicht auszuschließen, dass Ihre Kommune in die Sache verwickelt ist. Das ist alles.«

      James war froh die Handschellen endlich los zu sein. Er rieb sich seine schmerzenden Handgelenke, während sich Chuck um ihre gemeinsame Freundin kümmerte, die langsam wieder zu sich kam. Auf ein Zeichen Blakes hatte der Constable den Raum verlassen.

      »Dann können wir jetzt gehen?«, erkundigte sich Chuck zögernd.

      Blake und McGinnis nickten einvernehmlich.

      »Sie können!«, bestätigte McGinnis. »Es wäre aber schön, wenn Sie es noch eine Weile mit uns aushalten würden. Es wird gleich jemand kommen.«

      Sowohl Blake, als auch McGinnis machten eine undurchsichtige Miene. War sich Chuck eben noch sicher gewesen, dass sich das Blatt zu ihren Gunsten gewendet hatte, war er es jetzt nicht mehr.

      »Bleiben Sie bitte in diesem Raum«, bat Blake und legte Chuck freundschaftlich eine Hand auf die Schulter. »Wir sind gleich wieder bei Ihnen.«

      Mit diesen Worten gingen Blake und McGinnis hinaus, ließen aber die Tür offen.

      Die beiden Freunde sahen sich verblüfft an. Silky steckte noch der Schock vom Anblick der Frauenleiche in den Knochen. Stöhnend richtete sie sich auf.

      »Was, um Gottes Willen, ist nur mit dieser Frau geschehen?«, fragte sie fassungslos. »Wer hat ihr nur so etwas Grausames angetan? Ich kann das nicht fassen. Sie hatte keine Augen mehr.«

      Sie begann zu schluchzen, suchte in ihrer Jacke nach einem Taschentuch, fand aber keines. Chuck reichte ihr seine Packung, wofür sie ihm einen dankbaren Blick zuwarf.

      »Was für Menschen müssen das sein?« Es war eine rhetorische Frage, auf die er keine Antwort erwartete.

      »Ich frage mich, warum diejenigen versucht haben, uns die Schuld in die Schuhe zu schieben«, murmelte James nachdenklich. »Aber ich habe eine Idee.«

      Chuck und Silky sahen ihn fragend an. James grinste und deutete mit einem Kopfnicken in Richtung der Tür, wo sich noch die beiden Constables aufhielten und mit versteinerten Gesichtern so taten, als würden sie das Gespräch der jungen Leute nicht hören.

      »Ich erkläre es euch später, wenn die da nicht mehr zuhören können«, sagte er mit einem Schmunzeln.

      Chuck und Silky nickten gespannt. Sie hatten nicht die geringste Ahnung, auf welche Idee er gekommen war, aber sie dachten auch nicht weiter darüber nach. Vielmehr überlegten sie, von wem die beiden Inspektoren vorhin gesprochen hatten.

      »Wisst ihr, was ich mich frage?«, Chuck steckte das angebrochene Taschentuchpäckchen wieder ein. »Ich frage mich, mit wem wir hier zusammentreffen sollen.«

      »Ich mich auch«, gab James zu.

      Sie sollten es bald wissen. Schon zehn Minuten später hörten sie aus dem Sezierraum einen schier unmenschlichen Schrei!

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      Kapitel 6

      C

      hief Inspector Blake hatte Remington Cartwright in die Pathologie begleitet und Doktor Lestrade schlug erneut das weiße Laken zurück, welches er erst vor wenigen Minuten wieder über der Leiche der Ermordeten ausgebreitet hatte. Erschüttert starrte Cartwright auf die entsetzlich zugerichtete Tote vor ihm, die nun halbbedeckt, wächsern und kalt, auf dem silbriggrauen Seziertisch des Mediziners lag. Es gab keinen Zweifel: Es war Ashley, und obwohl ihr die Augäpfel fehlten, schien ihn seine Frau aus den leeren Höhlen in ihrem fahlen Gesicht anklagend anzustarren, gerade so, als wisse sie genau, dass er für ihren grausamen Tod verantwortlich zeichnete. Das er ihn quasi in Auftrag gegeben hatte, weil er viel zu feige gewesen war den Mord selbst zu begehen. Er spürte, wie sich bei dem Gedanken daran sein Herz verkrampfte. Er wollte sich leicht nach vorne beugen, um ihr mit zwei Fingern ein paar Strähnen ihrer blonden Haare aus dem Gesicht zu streichen, schaffte es aber nicht. Die Kälte des Todes ließ ihn immerzu erschaudern. Wie paralysiert stand er da – in einer Schockstarre, aus der er sich nur ganz allmählich lösen konnte, nur um gleich darauf so heftig zu schwanken, dass er von Blake und McGinnis gestützt werden musste.

      »Auch, wenn es daran keinen Zweifel gibt, muss ich Sie fragen: Ist das Ihre Frau?«, erkundigte Blake sich leise.

      Cartwright reagierte nicht. Es gelang ihm nicht, den Blick von seiner toten Frau abzuwenden. Er war kreidebleich geworden. Vor seinen Augen tanzten schwarze Punkte und alles drehte sich um ihn. Es ist also kein leeres Gerede gewesen!, dachte er. Diese unheimliche Frau, in ihrem schwarzen Mantel, hat tatsächlich dafür gesorgt, dass Ashley stirbt. Aber wie hat sie das gemacht? Jetzt wo sie so steif und entstellt vor mir liegt, kann ich mir gar nicht mehr erklären, warum ich mir überhaupt ihren Tod gewünscht habe. Selbst wenn Sie im Streit nach mir geschlagen hätte, einen solches, schier unbeschreibliches Ende, ... nein, ... dass habe ich doch wirklich nicht gewollt.

      Cartwright wollte etwas sagen.

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