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Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke. Hans Christian Andersen
Читать онлайн.Название Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke
Год выпуска 0
isbn 9783746750194
Автор произведения Hans Christian Andersen
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Wahrhaftig, die setzt ja eine Blume an!« – sagte die Frau eines Morgens, und nun machte auch die Hoffnung und der Glaube sich bei ihr geltend, daß ihre kranke Tochter genesen werde; sie entsann sich, daß das Kind während der letztverstrichenen Zeit viel lebhafter gesprochen, daß es seit mehreren Tagen sich selbst des Morgens im Bette aufgerichtet und dort gesessen, und strahlenden Auges den kleinen Erbsengarten, aus einer einzigen Erbse hervorgegangen, betrachtet habe. Eine Woche später blieb die Kranke zum ersten Male eine volle Stunde auf. Glücklich saß sie im warmen Sonnenscheine; das Fenster war geöffnet und vor demselben, draußen, stand in voller Blüthe eine weißrothe Erbsenblume. Das kranke Mädchen beugte sich herab und küßte leise die zarten Blätter. Es war dieser Tag gleichsam ein Festtag.
»Der liebe Gott selbst hat sie gepflanzt und gedeihen lassen, Dir, mein gesegnetes Kind und auch mir zur Hoffnung und Freude!« sagte die frohe Mutter, und lächelte die Blume an, als sei sie ein guter Engel Gottes.
Aber nun die anderen Erbsen! – Ja, die, welche hinaus in die weite Welt flog und: »hasche mich, wenn Du es kannst!« gesagt hatte, fiel in die Dachrinne und gerieth in einen Taubenmagen, und dort lag sie wie Jonas im Wallfischbauche. Die zwei Faulen brachten es eben so weit, auch sie wurden von Tauben verschluckt, und das heißt wenigstens auf solide Weise nützen; allein die vierte, die hinauf in die Sonne wollte, – die fiel in den Rinnstein, und blieb dort in dem unreinen Wasser Tage und Wochen lang liegen, und schwoll recht auf.
»Ich werde so schön dick!« sagte die Erbse. »Ich zerplatze dabei und weiter, glaube ich, hat es keine Erbse gebracht oder wird es je bringen. Ich bin die merkwürdigste von den Fünfen aus der Hülse!«
Und der Rinnstein stimmte ihr bei.
Aber das junge Mädchen am Dachfenster stand dort mit strahlenden Augen, den rosigen Schimmer der Gesundheit auf den Wangen, und faltete seine zarten Hände über der Erbsenblume und dankte Gott für sie.
»Ich,« sagte aber der Rinnstein, »halte auf meine Erbse!«
Ole Luk-Oie.
Es giebt Niemanden in der Welt, der so viele Geschichten weiß, als Ole Luk-Oie. – Der kann gehörig erzählen!
So gegen Abend hin, wenn die Kinder noch nett am Tische oder auf ihrem Schemel sitzen, kommt Ole Luk-Oie. Er kommt leise die Treppe herauf, denn er geht auf Socken; er macht leise die Thüren auf und husch! da spritzt er den Kindern süße Milch in die Augen hinein, und das so sein, so sein, aber doch immer genug, daß sie die Augen nicht aufhalten und ihn deshalb auch nicht sehen können. Er schleicht sich hinter sie, bläst ihnen sanft in den Nacken, und davon wird ihnen schwer in dem Kopfe. O ja! aber es thut nicht weh, denn Ole Luk-Oie meint es gut mit den Kindern; er will nur, daß sie ruhig sein sollen, und das sind sie am ersten, wenn man sie zu Bette gebracht hat; sie sollen still sein, damit er ihnen Geschichten erzählen kann. –
Wenn die Kinder dann schlafen, setzt sich Ole Luk-Oie auf ihr Bett. Er ist gut gekleidet; sein Rock ist von Seide, aber es ist unmöglich, zu sagen, von welcher Farbe, denn er glänzt grün, roth und blau, je nachdem er sich wendet. Unter jedem Arme hält er einen Regenschirm; den einen, mit Bildern darauf, spannt er über die guten Kinder aus, und dann träumen sie die ganze Nacht die herrlichsten Geschichten; aber den andern Schirm, auf welchem durchaus nichts ist, stellt er über die unartigen Kinder, dann schlafen sie wie dumm und haben am Morgen, wenn sie erwachen, nicht das Geringste geträumt.
Nun werden wir hören, wie Ole Luk-Oie an jedem Abende in einer Woche zu einem kleinen Knaben kam, welcher Hjalmar hieß, und was er ihm erzählte. Es sind sieben Geschichten; denn es sind sieben Tage in der Woche.
Montag.
»Höre mal!« sagte Ole Luk-Oie am Abend, als er Hjalmar zu Bette gebracht hatte; »nun werde ich aufputzen!« Und da wurden alle Blumen in den Blumentöpfen zu großen Bäumen, welche ihre langen Zweige unter der Zimmerdecke und längs den Wänden ausstreckten, sodaß die Stube wie ein prächtiges Lusthaus aussah; und alle Zweige waren voll Blumen, und jede Blume war schöner, als eine Rose, duftete lieblich, und wollte man sie essen, so war sie noch süßer, als Eingemachtes! Die Früchte glänzten wie Gold, und Kuchen war da, der vor lauter Rosinen platzte. Es war unvergleichlich schön! Aber zu gleicher Zeit ertönte ein schreckliches Jammern aus dem Tischkasten her, wo Hjalmar's Schulbücher lagen.
»Was ist nur das?« sagte Ole Luk-Oie und ging nach dem Tische und zog den Kasten auf. Es war die Schiefertafel, auf der es riß und wühlte, denn es war eine falsche Zahl in das Rechenexempel gekommen, sodaß es nahe dran war, auseinander zu fallen; der Griffel hüpfte und sprang an seinem Bande, als ob er ein kleiner Hund wäre, der dem Rechenexempel helfen möchte; aber er konnte es nicht. – Und dann jammerte es auch in Hjalmar's Schreibebuche; o, es war häßlich anzuhören! Auf jedem Blatte standen der Länge nach herunter die großen Buchstaben, einem jeden ein kleiner zur Seite: das war eine Vorschrift; und neben diesen standen wieder einige Buchstaben, welche eben so auszusehen glaubten, und diese hatte Hjalmar geschrieben; sie lagen aber fast so, als ob sie über die Bleistiftlinien gefallen waren, auf denen sie stehen sollten.
»Seht, so sollt Ihr Euch halten!« sagte die Vorschrift. »Seht, so schräg geneigt, mit einem kräftigen Schwunge!«
»O, wir möchten gern,« sagten Hjalmar's Buchstaben; »aber wir können nicht; wir sind zu schwächlich!«
»Dann müßt Ihr einnehmen!« sagte Ole Luk-Oie.
»O nein!« riefen sie, und da standen sie so schlank, daß es eine Lust war.
»Ja, nun können wir keine Geschichten erzählen!« sagte Ole Luk-Oie; »nun muß ich sie exerciren! Eins, zwei! Eins, zwei!« und so exercirte er die Buchstaben; und sie standen ganz schlank und so schön, wie nur eine Vorschrift stehen kann. Aber als Ole Luk-Oie ging und Hjalmar sie am Morgen besah, da waren sie ebenso schwächlich und jämmerlich wie früher.
Dienstag.
Sobald Hjalmar zu Bette gegangen war, berührte Ole Luk-Oie mit seiner kleinen Zauberspritze alle Möbeln in der Stube und zugleich fingen sie an zu plaudern, und sprachen allesammt von sich selbst, mit Ausnahme des Spucknapfes, welcher stumm dastand und sich darüber ärgerte, daß sie so eitel sein könnten, nur von sich selbst zu sprechen, nur an sich selbst zu denken und durchaus keine Rücksicht auf den zu nehmen, der bescheiden in der Ecke stand und sich bespucken ließ.
Ueber der Kommode hing ein großes Gemälde in einem vergoldeten Rahmen, das war eine Landschaft; man sah darauf große, alte Bäume, Blumen im Grase und einen breiten Fluß, welcher um den Wald herumfloß, an vielen Schlössern vorbei, und weit hinaus in das wilde Meer.
Ole Luk-Oie berührte mit seiner Zauberspritze das Gemälde, und da begannen die Vögel darauf zu singen, die Baumzweige bewegten sich, und die Wolken zogen weiter; man konnte ihren Schatten über die Landschaft hingleiten sehen.
Nun hob Ole Luk-Oie den kleinen Hjalmar zu dem Rahmen empor, und stellte seine Füße in das Gemälde, gerade in das hohe Gras; da stand er. Die Sonne beschien ihn durch die Zweige der Bäume. Er lief hin zum Wasser und setzte sich in ein kleines Boot, welches dort lag; es war roth und weiß angestrichen, die Segel glänzten wie Silber, und sechs Schwäne, mit Goldkronen um den Hals und einem strahlenden blauen Sterne auf dem Kopfe, zogen das Boot an dem grünen Walde vorüber, wo die Bäume von Räubern und Hexen, und die Blumen von den niedlichen kleinen Elfen und von Dem, was die Schmetterlinge ihnen gesagt haben, erzählen.
Die herrlichsten Fische, mit Schuppen wie Silber und Gold, schwammen dem Boote nach; mitunter machten sie einen Sprung, daß es im Wasser plätscherte, und Vögel, roth und blau, klein und groß, flogen in zwei langen Reihen