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Die Tugend von Tokyo. Götz T. Heinrich
Читать онлайн.Название Die Tugend von Tokyo
Год выпуска 0
isbn 9783844227055
Автор произведения Götz T. Heinrich
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
"Wenn sie glauben, dass es das in meinen Augen besser macht, irren sie sich." Toritaka beugte sich vor. "Es waren Mädchen von der Metropolitan High, Mädchen aus gutem Haus. Wenn sie nicht aussagen, zu wem sie Kontakte hatten, wird jeder Richter annehmen, dass es Minderjährige waren, und wenn sie die Namen von erwachsenen Schülerinnen nennen, dann erfahren deren Familien, dass sie ihre Töchter in Verruf bringen. Und dann will ich nicht in ihrer Haut stecken. Sie haben jetzt schon verloren, es sei denn, sie kooperieren."
Der Steuerberater sackte in sich zusammen. "Was verlangen sie von mir?" fragte er tonlos.
Unwillig hob Toritaka eine Augenbraue. "Hören sie mir nicht zu?" fuhr er sein Gegenüber an. "Informationen über Masakiri, das sagte ich ihnen doch bereits! Frage eins: 'Enjo kusai' ja oder nein?"
"Ja", sagte Honda leise. "Er hatte ein gewisses... Interesse an diesen Sachen."
"Na, es geht doch", ermunterte ihn der Inspektor. "Nächste Frage: Haben sie ihn auf die Mädchen gebracht oder er sie?"
Langsam ließ der Mann den Kopf sinken. "Ich ihn", murmelte er. "Zumindest... zumindest, was das Ausgehen betrifft. Wir kennen... kannten uns schon aus der Schule, und wir alle beide... na ja, wir fanden Mädchen eben... interessant."
Toritaka nickte. "Die ersten Kontakte haben aber sie angebahnt?" fragte er nach.
"Richtig", bestätigte Honda. "Aber schon vor Jahren. Und eigentlich... eigentlich habe gar nicht ich damit angefangen. Es waren die Mädchen! Die Mädchen haben von selbst damit angefangen! Sie ahnen gar nicht, was da heute alles..."
"Sparen sie sich die Ausreden", unterbrach der Inspektor ihn, "ich interessiere mich für ihre Motive nicht. Ich interessiere mich nur für Namen. Mit welchen Mädchen war Masakiri am häufigsten zusammen?"
Honda schluckte. "Das weiß ich nicht", sagte er. "Ich kenne ja selbst von denen, die ich persönlich treffe, meistens nur die Vornamen."
Langsam lehnte sich Toritaka in seinem Stuhl zurück. "Dann werden sie mir die Mädchen zeigen müssen", entschied er kurzerhand.
"Zeigen?!" Der Steuerberater riss die Augen auf. "Aber... wie?"
"Nehmen sie sich morgen nachmittag keine Termine und kommen sie um vierzehn Uhr dreißig ins Präsidium des Keishicho. Eins-eins, Kasumigaseki zwei-Chome, Chiyoda-Distrikt. Sie werden es sicher finden. Dann fahren wir gemeinsam vor die Metropolitan High, und sie deuten mir die Mädchen heraus, wenn sie aus der Schule kommen."
Entsetzt schüttelte Honda den Kopf. "Das... das ist unmöglich!" stieß er hervor. "Die werden doch in Scharen da herausströmen."
Toritaka lächelte. "Dann stehen wir eben direkt am Ausgang", sagte er, "und warten auf ihre Bekanntschaften. Sie stellen mich denen als ein Geschäftsfreund vor und fragen, wo ich die anderen treffe, die immer mit Masakiri zusammen waren. Den Rest erledige ich dann."
"Meine Güte." Der Steuerberater zog ein Taschentuch aus dem Jackett und tupfte sich die glänzende Stirne ab. "Sie schrecken vor gar nichts zurück, oder?"
"Ich würde es anders ausdrücken", gab der Inspektor zurück. "Ich habe kein großes Mitleid mit Leuten, die sich moralisch anstößig verhalten, aber trotzdem erwarten, gesellschaftlich akzeptiert zu bleiben. Sie haben sich selbst in diese Lage gebracht, Honda-san, und ich komme ihnen schon sehr entgegen, indem ich auf eine Strafanzeige verzichte. Wenn ich mit diesem Fall hier fertig bin, werden sie sich von Schulmädchen fernhalten müssen, das ist wahr. Aber niemand wird von ihrem Lolikon erfahren. Es ist fast eine Schande, dass ich sie so billig davonkommen lasse."
Niedergeschlagen ließ Honda die Schultern hängen. "Einverstanden, Inspektor-san", murmelte er. "Ich werde morgen da sein. Könnten... könnten sie jetzt bitte gehen? In einer Viertelstunde habe ich meinen ersten Termin..."
Toritaka nickte. "In Ordnung", sagte er, zog noch eine seiner Visitenkarten hervor und warf sie auf den Tisch des Steuerberaters. "Sollte etwas dazwischenkommen, was ich nicht hoffen will - rufen sie mich an." Dann wandte er sich um und ging. Er verabschiedete sich nicht, und auch von Honda kam kein weiteres Wort mehr.
Als der Inspektor wieder in sein Auto gestiegen war, war seine erste Handlung ein Funkruf an die Zentrale mit der Bitte an Assistenzinspektor Kakiden, sich baldmöglichst bei ihm zu melden. Er hatte einen neuen Auftrag für ihn - die Überwachung von Honda-san. Es war zwar unwahrscheinlich, dass der Steuerberater irgendwelche Dummheiten versuchte, aber besser, man ging kein Risiko ein. Einen Toten gab es schon, möglicherweise durch Selbstmord, und ein zweiter wäre in dieser Lage jetzt äußerst unpraktisch gewesen. Sicher, Honda wirkte nicht wie ein Mann, der sein Leben wegen einer solchen Sache wegwerfen würde, aber auch Masakiri hatte nicht so gewirkt.
Zu Toritakas Ärger gab es bis zu seiner Ankunft im Präsidium keine Rückmeldung über Funk von Kakiden, und das, obwohl die Zentrale ihm bestätigt hatte, den Assistenzinspektor erreicht zu haben. Kam jetzt etwa die alte "Lockerheit" wieder in ihm durch? Ärgerlich. Die Belehrung am Vormittag war doch deutlich genug gewesen...
Der Inspektor fuhr aus der Garage mit dem Aufzug nach oben in sein Stockwerk und wollte eben in sein Büro gehen, als ihn am Eingangsschreibtisch von Dezernat 6 die dort sitzende Beamtin aufhielt. "Einen Moment, Toritaka-san", bat sie, "Asashi-sama hat nach ihnen gefragt. Sie sollen in sein Büro kommen, sobald sie wieder hier sind."
Erstaunt zog Toritaka die Augenbrauen hoch - Superintendent Asashi rief ihn eigentlich nie zu sich ins Büro. Es war auch nicht nötig, da Toritaka ohnehin fast täglich dort vorbeisah, Berichte abgab und sich neue Anweisungen holte. "Bin schon unterwegs", sagte er zur Beamtin und marschierte geradeaus durch den Gang durch, an dessen Ende das Büro des Dezernatsleiters war. Anklopfen würde nicht nötig sein; man erwartete ihn ja.
Als der Inspektor eintrat, legte Asashi soeben den Hörer seines Telefons auf - die Beamtin musste ihn eben über Toritakas Ankunft in Kenntnis gesetzt haben. Seine Miene verriet nichts gutes, als er sich erhob. "Setzen sie sich bitte, Shingo-san", bat er, "wir müssen reden."
Toritaka nahm Platz. "Das klingt ernst, Asashi-san", gab er zurück. "Habe ich Probleme für sie verursacht?"
"Das kann man wohl sagen." Der Superintendent lehnte sich in seinem Sessel zurück. "Raten sie mal, wer mich heute gegen dreizehn Uhr angerufen hat."
"Ich habe keine...".
"Superintendent Shirage vom Dezernat fünf", sagte Asashi. "Und er war sehr ungehalten. Können sie sich vorstellen, warum?"
Der Inspektor zog die Lippen zusammen. "Nein, das kann ich mir nicht vorstellen", sagte er.
Leise seufzte Asashi. "Kakiden-san", sagte er dann. "Sie haben ihn heute vormittag in die Forensik geschickt, nicht wahr?"
"Das ist richtig", bestätigte Toritaka. "Ich benötigte Informationen über..."
"Sie haben ihm offensichtlich den Auftrag gegeben", unterbrach der Superintendent ihn, "die Leute dort nach allen Regeln der Kunst zu belästigen. Darf ich erfahren, was sie auf diese ungeheuerliche Idee gebracht hat?"
Toritaka öffnete den Mund, schloss ihn aber sogleich wieder. Kakiden musste ihn bloßgestellt haben, und es wäre nicht hilfreich gewesen, die Wahrheit zu leugnen. "Es war dringlich", erklärte er schließlich nach einem kurzen Moment des Überlegens. "Sie kennen meine Theorie zu Masakiris Tod, und ich wollte nicht, dass der Fall durch Nachlässigkeiten im Dezernat fünf verschleppt wird."
"Damit haben sie sich und mir keinen Gefallen getan", grollte Asashi. "Dezernat fünf hat Kakiden aus dem Labor werfen lassen, und ich habe zusagen müssen, dass sie ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen. Und ich denke mal, sie werden auch nicht den besten Ruf dort bekommen, wenn man erfährt, dass die Anweisung von ihnen kam. Wie sieht es aus, werden sie zu Kakiden stehen und sein Verhalten rechtfertigen?"
"Das werde ich nicht", sagte Toritaka knapp. "Er hat mich mit seinem vorlauten und unbedachten Verhalten in Schwierigkeiten gebracht. Ein guter Assistenzinspektor hätte die Schuld alleine auf sich genommen. Meinen Rückhalt hat er nicht mehr."