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Die Tugend von Tokyo. Götz T. Heinrich
Читать онлайн.Название Die Tugend von Tokyo
Год выпуска 0
isbn 9783844227055
Автор произведения Götz T. Heinrich
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Erfreut lächelte Toritaka - das war also die Erklärung für 'Nori-kun'. "Honda Tadenori-san, genau", sagte er. "Ich dachte, er arbeitet bei ihnen in der Bank?"
"Da hat man sie falsch informiert", erklang Muras Stimme aus dem Hörer. "Honda-san war der Steuerberater von Masakiri-san, ein früherer Schulfreund von ihm. Er hat häufiger hier angerufen. Benötigen sie seine Telefonnummer?"
"Das wäre freundlich", sagte der Inspektor und ließ sie sich durchgeben. "Danke noch einmal für ihre Hilfe, und einen angenehmen Tag."
Toritaka behielt das Handy gleich in der Hand, wählte jedoch nicht die Nummer, die man ihm gegeben hatte, sondern erst einmal die der Zentrale im Präsidium. Eine kurze Anfrage dort mit Honda Tadenoris Namen und Rufnummer, und man konnte ihm über die Netzwerkverbindung zum Einwohneramt die Adresse nennen. Zu seinem Ärger befand sich die in einem der recht neuen Viertel von Akihabara, was bedeutete, dass er das Auto würde nehmen müssen. Nicht, weil es mit der U-Bahn nicht zu erreichen gewesen wäre, aber er hätte sich im Viertel wahrscheinlich die Schuhe auf der Suche nach der richtigen Adresse durchgelaufen: In Tokyo vergab man Hausnummern nicht entlang der Richtung einer Straße, sondern anhand der Reihenfolge der erteilten Baugenehmigungen... und bei einer langen Durchgangsstraße mit mehr als sechshundert Hausnummern war man zu Fuß rettungslos verloren.
Der Inspektor nahm also die U-Bahn zurück zur Haltestelle Kasumigaseki, holte seinen Wagen aus der Garage des Polizeipräsidiums und machte sich auf den Weg nach Akihabara. Es wäre ein leichtes gewesen, durch einen Anruf herauszufinden, ob Honda zuhause war, aber er kündigte sein Eintreffen nicht gerne vorher an. Zu oft war es ihm schon untergekommen, dass sich die Leute eine "Geschichte" zurechtlegten, wenn er sie auf seine Ankunft vorbereitete, selbst wenn sie es gar nicht nötig gehabt hätten. So etwas sorgte nur für Fehlschlüsse und falsche Interpretationen - je schneller man hinter die Wahrheit kam, desto besser.
"Schnell" war allerdings relativ, wenn man nach einer bestimmten Hausnummer suchte, insbesondere im strömenden Regen. Obwohl der Inspektor zügig durch den Innenstadtverkehr gekommen war, musste er nahezu eine halbe Stunde lang durch Akihabara kurven, ehe er endlich Hondas Haus gefunden hatte. Es war ein kleines, geducktes Einfamilienhaus im westlichen Stil. Keine Gartenfläche, Schrägdach. Viel Geld steckte nicht dahinter, aber wenigstens wohnte hier jemand, der sich ein eigenes Grundstück noch im Stadtgebiet leisten konnte. Ein etwas stereotyp anmutendes Metallschild neben der Eingangstüre bezeichnete das Haus als "Steuerfachberatung Honda Tadenori", und der Titel wurde darunter noch einmal auf Englisch wiederholt.
Toritaka stellte seinen Wagen auf der gegenüberliegenden Straßenseite ab, klemmte seinen Polizeiparkschein hinter die Windschutzscheibe und trat zum Haus. Eine Klingel mit Gegensprechanlage und Kamera war an der Türe angebracht; die Fenster hatten Schutzverblendungen nach außen. Hier legte jemand Wert auf Sicherheit. Der Druck auf die Klingel erzeugte einen harmonischen Zweitongong. Allerdings meldete sich niemand.
Der Inspektor sah auf die Uhr. Kurz nach zwei. Nicht die Zeit, in der ein Steuerberater auf Außendienst unterwegs sein würde. Ob Honda vielleicht gerade innen am Essen war? Er versuchte es noch einmal, und als sich nichts tat, noch ein drittes Mal. Immer noch keine Reaktion. Sein Blick wanderte an der Hausfassade hoch. Im stetig plätschernden Regen war es schwer zu sagen, aber er glaubte nicht, von innen Licht zu sehen. Vielleicht war wirklich niemand zuhause? Dann würde er sich vor dem nächsten Besuch wohl doch ankündigen müssen.
Gerade als Toritaka an sein Auto zurückgetreten war und einsteigen wollte, bemerkte er einen gutgekleideten Mann, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite um eine Ecke gebogen kam. Taubengrauer Geschäftsanzug und darüber ein heller, offener Mantel. Er schien etwa fünfundvierzig bis fünfzig Jahre alt zu sein; leicht graumeliertes, aber noch dunkles Haar, Designerbrille, Markenregenschirm. Er schlenderte ohne besondere Eile durch den Regen, und schließlich zog er einen Schlüsselbund aus der Manteltasche und trat auf das kleine Haus mit dem Schrägdach zu, wo Toritaka eben gewesen war.
Der Inspektor zögerte nicht und lief mit schnellen Schritten über die Straße. "Honda-san", rief er, "warten sie!"
Der Mann im Geschäftsanzug sah über die Schulter und zog eine Augenbraue hoch. "Wenn sie zu mir wollen", sagte er, "sollten sie ihr Auto besser woanders abstellen. Da drüben ist Parkverbot."
"Das geht in Ordnung", gab Toritaka zurück und zückte seinen Polizeiausweis. "Inspektor Toritaka, Metropolitan Police. Hätten sie einige Minuten Zeit?"
"Die Polizei?" Verwundert betrachtete Honda den Ausweis. "Dezernat für öffentliche Sicherheit? Haben sich die Erdbebenschutzrichtlinien wieder geändert?"
Lächelnd schüttelte der Inspektor den Kopf. "Ich bin nicht in einer ausgesprochenen... Standardangelegenheit hier", sagte er. "Dazu schicken wir auch in den seltensten Fällen Inspektoren. Ich untersuche den Todesfall eines ihrer Kunden, Masakiri Satoshi."
Das Gesicht des Steuerberaters zeigte Verwirrung. "Masakiri-san ist tot?" fragte er nach. "Ich... davon wurde ich noch nicht in Kenntnis gesetzt."
"Ich hätte einige Fragen zur Person Masakiris gehabt", erklärte Toritaka. "Sie haben auch für ihn gearbeitet, nicht wahr?"
"Das..." Honda überlegte kurz. "Das möchte ich nicht hier draußen besprechen. Kommen sie doch einen Moment mit ins Büro."
Er schloss die Haustüre auf, und der Inspektor folgte ihm durch den Flur geradeaus in ein komfortabel eingerichtetes Arbeitszimmer. Ein großer, beeindruckender Schreibtisch aus Teakholz nahm den Großteil der Fläche des Büros ein, der Rest wurde von einem Regal mit zahlreichen Aktenordnern, mehreren Zimmerpflanzen und einigen Stühlen ausgefüllt. Honda bot seinem Gast einen der Stühle an und nahm selbst auf einem großen Ledersessel Platz, der hinter dem Schreibtisch stand.
"Sie werden verstehen", begann er dann die Unterhaltung, "dass ich ihnen keine Auskunft über die finanzielle Situation meiner Kunden geben kann, selbst nicht nach deren Tod. Das Steuerrecht verbietet es mir, Informationen weiterzugeben, wenn ich keinen Auftrag dazu habe. Es sei denn, ein Gericht entbindet mich im Einzelfall von dieser Verpflichtung."
"Das war mir noch nicht bekannt", gab Toritaka zurück, "aber im Moment spielt es auch keine Rolle. Wie ich sagte, benötige ich einige Informationen zur Person Masakiris, nicht zu seiner Situation. Ich nehme an, sie können mir weiterhelfen?"
Honda nickte. "Das kann ich", sagte er, "aber... bitte verstehen sie, die Nachricht über diesen Todesfall kommt sehr plötzlich. Ich muss das erst mal verdauen. Wie ist Satoshi-san denn umgekommen?"
Bedauernd hob der Inspektor die Arme. "Eben das untersuche ich im Moment", erklärte er. "Der Fall ist nicht abgeschlossen. Im Moment wissen wir nur, dass er bei einem tiefen Sturz ums Leben kam."
"Ein Sturz?" Der Steuerberater blickte besorgt. "Selbstmord?"
"Wie ich sagte", wiederholte Toritaka, "ich untersuche das noch. Im Moment schließe ich noch nichts aus - Selbstmord, Fremdverschulden, Unfall. Es ist allerdings interessant, dass sie sofort auf ersteres tippen. Hatte Masakiri einen Grund, sich das Leben zu nehmen?"
Hondas Gesicht verdüsterte sich. "Es tut mir leid", sagte er, "dazu darf ich ihnen keine Auskünfte erteilen."
Mit beruhigendem Lächeln nickte ihm der Inspektor zu. "Dafür habe ich natürlich Verständnis", sagte er. "Ziehen wir eine andere Frage vor: Hat Masakiri 'enjo kusai' in Anspruch genommen, oder waren das nur sie?"
"WAS?!" Dem Steuerberater fiel die Kinnlade herunter. "Was erlauben sie..."
"Beantworten sie die Frage!" befahl Toritaka in plötzlich schneidend scharfem Ton. "Waren es nur sie, der sich mit Schulmädchen herumgetrieben hat, oder hatte Masakiri auch eine Vorliebe dafür?"
Mit langsam röter werdendem Gesicht erhob sich Honda aus dem Sessel. "Ich verwehre mich gegen die Unterstellung, verbotene Kontakte zu Minderjährigen gehabt zu haben!" erklärte er mühsam beherrscht.
Der Inspektor verschränkte die Arme. "Ich habe Zeugen", sagte er, "und die können sie gerne bei einer Gegenüberstellung