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und schämte sich, wie übel und zerknittert das aussah.

      „Das ist unbenutzt, auch wenn es nicht so aussieht“, entschuldigte er sich.

      Jetzt lächelte sie und nahm es trotzdem. Leo war erleichtert.

      „Wollen Sie mir nicht antworten? Was haben Sie mit den vielen Tabletten vor?“

      Die Frau sagte immer noch nichts.

      „Sehen Sie sich doch um, Frau Liebers! Es ist Frühling! Die Natur explodiert und die Vögel geben ihr Bestes. Das Leben ist schön und Sie sind jung. Warum wollen Sie Ihr Leben wegwerfen? Ich bin sicher, dass Sie noch sehr viel daraus machen können.“

      „Die Tabletten sind nicht für mich“, sagte sie und starrte Leo an.

      „Nicht? Da bin ich aber erleichtert! Wenn die nicht für Sie sind, für wen sind sie dann?“

      „Für meinen Onkel. Er ist schwer krank und möchte nicht mehr leben.“

      Leo war sauer. Auch wenn er die Beweggründe des Onkels vielleicht verstehen würde, durfte er seine Nichte dazu nicht missbrauchen. Er musste mit dem Onkel sprechen und ihm ins Gewissen reden.

      „Was passiert jetzt? Es war nicht leicht, an die Schlafmittel zu kommen. Seit Tagen klappere ich eine Apotheke nach der anderen ab.“

      „Ich verstehe. Die Abgabemenge darf nicht groß sein, deshalb müssen Sie sammeln.“

      Regina Liebers nickte nur.

      Bevor sich Leo den Onkel vornahm und der sich eine Predigt anhören durfte, brauchte er mehr Details.

      „Erzählen Sie mir von Ihrem Onkel. Vor allem interessiert mich, warum er Sie um diesen Gefallen bat.“

      Während sich Leo mit Frau Liebers unterhielt, hatten Hans Hiebler und Diana Nußbaumer endlich Bruder Clemens gefunden. Er befand sich in der Sakristei der Basilika. Hans war genervt, denn sie hatten lange suchen müssen. Außerdem gab es zwei Besucher in der Basilika, die sich über den kurzen Rock und das schulterfreie Top Dianas aufregten. Während Diana die blöden Sprüche ignorierte und einfach weiterging, legte sich Hans mit den beiden an und stauchte sie zusammen.

      „Lass sie doch reden“, sagte Diana, die sich ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte.

      „Diese Pseudoreligiösen gehen mir tierisch auf die Nerven! Vor allem die Frau war sehr unverschämt. So etwas kann ich auf den Tod nicht ausstehen.“

      „Wie kann ich helfen?“, fragte Bruder Clemens und sah Diana abschätzend an.

      „Kriminalpolizei. Mein Name ist Hiebler, das ist meine Kollegin Nußbaumer. Kennen Sie diese Frau?“ Hans hielt ihm sein Handy vor, worauf sich der Mann bekreuzigte.

      „Ist sie tot?“

      „Ja. Kennen Sie die Frau?“

      „Nein, ich denke nicht.“

      „Sie sind sich nicht sicher?“

      „Entschuldigen Sie, aber auf dem Bild kann man nicht viel erkennen. Wie kommen Sie darauf, dass ich die Frau kennen könnte?“

      „Sie war gestern Abend an der Pforte des Klosters und hat nach Ihnen gefragt.“

      „Nach mir?“

      „Bitte kommen Sie mit und sehen Sie sich die Frau an. Vielleicht können Sie sich doch erinnern.“

      Die drei gingen zurück in die Stiftskirche. Fuchs hatte die Kleidungsstücke an sich genommen und war wieder zurück am Tatort. Er und seine Mitarbeiter waren fertig und gerade dabei, die Absperrungen zu beseitigen.

      „Dürfen wir einen Blick auf die Leiche werfen?“, fragte Diana den Leiter der Spurensicherung und lächelte ihn an.

      „Sie müssen sich beeilen, die Leiche wird jeden Moment weggebracht“, sagte Fuchs und lächelte zurück, auch wenn er dabei kaum die Mundwinkel bewegte.

      Bruder Clemens bekreuzigte sich und ging langsam auf die Leiche zu, die immer noch auf dem Tilly-Sarg lag. Hans schlug das Tuch zur Seite. Das Gesicht der Toten lag genau auf dem Sichtfenster des Sarges, das sonst Besuchern den Blick auf den Schädel Tillys freigab. Rote Locken umrahmten das Gesicht, auf dem Hinterkopf war eine klaffende Wunde, die den größten Teil des Haares blutdurchtränkt hatten. Das Blut glänzte immer noch im Schein der Deckenlampe der Tilly-Gruft, ohne Fuchs‘ Lampen allerdings gedämpfter. Die Augen der Frau waren geschlossen. Die rotgeschminkten Lippen waren geradezu perfekt, der Rest sah schrecklich aus.

      „Und? Kennen Sie die Frau?“, drängelte Hans.

      Anfangs war Bruder Clemens angewidert und wollte verneinen, aber irgendetwas hielt ihn zurück. Konnte das sein? Nein, das war doch nicht möglich! Er trat näher an die Leiche und strich vorsichtig das Haar zur Seite.

      „Ich bin mir nicht sicher, aber das könnte Hildegard Bückler sein“, flüsterte er und trat zurück, wobei er strauchelte und fast gefallen wäre, wenn Hans ihn nicht gestützt hätte.

      „Wer ist Hildegard Bückler?“

      „Sie ist die Schwester meines bestens Freundes Norbert“, stammelte Bruder Clemens. „Wir wuchsen in Erding auf und waren unzertrennlich. In der Schule saßen wir immer nebeneinander. Auch, als wir beide aufs Gymnasium gingen. Jede freie Minute verbrachten wir gemeinsam, obwohl wir sehr unterschiedliche Interessen entwickelten. Norbert machte viel Sport, während ich lieber las und Geige spielte. Trotzdem haben wir uns immer gut verstanden. Nach dem Abitur hat das Leben seine Weichen gestellt und wir haben uns aus den Augen verloren. Es kam nicht selten vor, dass ich das sehr schade fand. Vor drei Monaten stand Norbert plötzlich vor mir und teilte mir mit einem strahlenden Lächeln mit, dass er sich in Burghausen selbständig machen wolle. Das würde natürlich auch bedeuten, dass er künftig hier leben würde. Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr ich mich gefreut habe. Die Aussicht darauf, mit meinem besten Freund wieder regelmäßig verkehren zu können, hat mich sehr gefreut. Auch wenn wir beide sehr unterschiedliche Leben führen, fühlten wir sofort wieder die Verbundenheit zwischen uns. Und jetzt ist Hildegard tot. Was wollte sie von mir? Und wo ist Norbert? Es wird ihm doch nichts passiert sein?“ Bruder Clemens sah Hans mit weit aufgerissenen Augen an. Dann griff er unter die Kutte und zog ein Handy hervor, das er mit zitternden Händen einschaltete. Er versuchte wieder und wieder seinen Freund zu erreichen, es meldete sich aber nur die Mailbox. Dort hinterließ Bruder Clemens mehrere Nachrichten.

      „Er meldet sich nicht. Da muss etwas passiert sein, denn Norbert geht sonst immer ans Telefon. Ich bitte Sie: Helfen Sie mir.“

      „Wir kümmern uns darum. Wo wohnt Ihr Freund?“

      „Momentan im Hotel Eichenhof in Burghausen. Er hat trotz großer Bemühungen noch keine passende Wohnung gefunden. Das kann ich verstehen, denn der Aufbau seiner Firma hat Vorrang.“

      „Hat Ihr Freund Familie?“

      „Nein. Nach dem Tod der Eltern hatte er nur noch Hildegard.“

      „Was macht er beruflich?“

      „Er ist Versicherungsmakler, wie sein Vater es war. Er hatte damals die Firma seines Vaters übernommen, aber es war irgendwie nie seine eigene. Auf einer Fortbildung hat er einen Kollegen aus Burghausen kennengelernt und beide wollten sich hier in Burghausen eine gemeinsame Firma aufbauen.“

      „Warum hier und nicht in Erding?“

      „Das müssen Sie ihn selbst fragen. Auch wenn Norbert nicht von hier ist, würde er in kürzester Zeit sehr erfolgreich werden, davon bin ich überzeugt. Norbert war immer schon sehr ehrgeizig. Wenn er sich etwas in den Kopf setzt, zieht er das gnadenlos durch.“

      „Was ist mit ihr?“, zeigte Diana auf die Tote. „Hatte sie Familie?“

      „Nein, auch sie war alleinstehend. Sie lebte immer noch in Erding. Sie hat nach dem Tod der Eltern das Haus übernommen und ihren Bruder ausbezahlt. Das Erbe hat er zur Seite gelegt und ist ein Teil des Startkapitals für die neue Firma, den Rest hat er sich in den letzten Jahren zusammengespart.

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