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besah sich die Hände und Füße der Toten.

      „Manikürt“, murmelte er.

      „Auch das haben wir bereits notiert“, maulte Fuchs. Glaubte Herr Hiebler, dass er das nicht gesehen hatte?

      „Kann man das Opfer jetzt endlich abdecken?“, sagte Leo an Fuchs gewandt. Er verzichtete darauf, sich der Leiche noch mehr zu nähern, denn dafür war einfach nicht genug Platz. Da genug Fotos von der Toten gemacht wurden, befand er es an der Zeit, die Leiche abzudecken.

      „Wollen Sie mir jetzt auch vorschreiben, wie ich meine Arbeit zu machen habe? Ich warne Sie, Herr Schwartz, meine Toleranzgrenze ist für heute erreicht.“

      „Und trotzdem sollten Sie professionelle Arbeit machen! Ihre Befindlichkeiten sind mir völlig egal! Decken Sie die Leiche endlich ab! Wie lange soll die Frau denn noch entblößt für alle sichtbar hier liegen? Würde es Ihnen gefallen, wenn Sie anstelle des Opfers wären und man Ihnen so wenig Respekt zollen würde?“

      Der Anschiss zeigte Wirkung. Fuchs nahm ein Laken und deckte die Frau zu.

      „Todeszeitpunkt?“

      „Gestern zwischen zwanzig Uhr und Mitternacht. Genauer kann ich mich nicht festlegen. Sie sehen ja selbst, in welcher Umgebung die Tote lag.“

      „Warum ist das Blut noch nicht getrocknet?“

      „Das liegt an der Umgebung.“

      „Wir vermuten eine Totenmesse“, sagte Leo und sah Fuchs an. „Was denken Sie?“

      „Das war auch mein erster Eindruck, aber daran glaube ich nicht. Totenmessen oder Schwarze Messen, die es seit Jahrhunderten geben soll, sind nie nachgewiesen worden. Ich bin Realist und will nicht glauben, dass es so etwas gibt.“

      „Und trotzdem sieht es danach aus. Wo ist die Kleidung der Toten?“

      „Die wurde nicht gefunden. Und bevor Sie fragen: Es gab weder Schuhe noch eine Tasche oder dergleichen. Haben Sie jetzt alles gesehen? Wenn ja, würde ich Sie bitten, wieder zu gehen. Sie sehen ja selbst, wie eng es hier ist.“

      „Sicher.“

      Hans übernahm es, die Personalien aller Anwesenden aufzunehmen, die am Geländer rund um die Tilly-Gruft standen. Dann versuchte er, die Leute wegzuschicken, was sich sehr schwierig gestaltete. Vor allem die Ordensschwestern und Mönche waren geschockt von der Leiche in der Tilly-Gruft. Alle hatten dieselbe Vermutung: Es gab eine Totenmesse in der Tilly-Gruft und die Tote war eine Opfergabe. Das war ein Skandal, den es in diesen ehrwürdigen Mauern noch nie gegeben hat. Einige Schaulustige stimmten ein Gebet an, denen andere folgten und lauter und lauter wurden. Als das auch noch in einen Gesang überging, war für Hans das Maß voll.

      „Okay, Leute. Es dürfen nur die bleiben, die unmittelbar mit dem Mord oder der Toten zu tun haben. Alle anderen bitte ich zu gehen“, sage Hans sehr laut. Der Gesang verstummte, niemand rührte sich. „Sehr schön. Dann kann ich davon ausgehen, dass Sie alle tatverdächtig sind“, fügte er hinzu und zog seinen kleinen Block aus der Brusttasche. Darauf drehten sich alle um und verschwanden. Alle, bis auf einen.

      „Wer sind Sie?“

      „Bruder Niklaus. Ich fürchte, dass ich mit der Toten gestern am späten Abend gesprochen habe“, sagte der ältere Mann, dessen braune Kutte den runden Bauch nicht verhüllen konnte.

      „Sie sind sich da ganz sicher?“ Hans war überrascht, denn man konnte das Gesicht der Toten nicht wirklich erkennen. Zum einen, weil sie mit dem Gesicht nach unten lag, und zum anderen, weil es entstellt wurde.

      „Ja. Die Frau von gestern Abend hatte dasselbe rote Haar.“

      „Geben Sie das Gespräch mit der Frau genau wieder.“

      „Ich war an der Pforte, als sie nach Bruder Clemens verlangte. Ich teilte ihr mit, dass es für einen Besuch zu spät sei und bat sie, am nächsten Tag wiederzukommen. Daraufhin ist sie wieder gegangen. Sie schien enttäuscht zu sein, aber mir waren die Hände gebunden. Besuche um diese späte Zeit sind nicht erlaubt und daran habe ich mich gehalten.“ Hans kannte die Kutte des Glaubensbruders und wusste, dass es sich um einen Kapuziner handelte, dessen Kloster sich nur wenige Meter auf der anderen Straßenseite befand. „Vielleicht würde sie noch leben, wenn ich mich nicht an die Regeln gehalten hätte und einfach Bruder Clemens gerufen hätte.“

      „Machen Sie sich darüber keine Gedanken.“

      „Das sagen Sie so leichtfertig, ich mache mir die schlimmsten Vorwürfe.“

      „Wenn Sie die Frau nicht getötet haben, haben Sie sich nichts vorzuwerfen. Was wollte sie von Bruder Clemens?“

      „Das weiß ich nicht. Sie hat es mir nicht verraten und ich habe sie nicht gefragt. Wenn ich doch nur….“

      „Von welcher Uhrzeit sprechen wir? Wann haben Sie mit der Frau gesprochen?“

      „Es war kurz vor einundzwanzig Uhr. Wir schließen unser Kloster nach der letzten Messe um zwanzig Uhr dreißig.“ Bruder Niklaus war völlig aufgelöst und zitterte.

      „Wo finden wir Bruder Clemens?“ Hans war kein Seelsorger, den musste Bruder Niklaus in den eigenen Reihen suchen.

      „Er hat Dienst in der Basilika.“

      „Hier ist meine Karte. Sollte Ihnen noch etwas einfallen, melden Sie sich. Sie können jetzt gehen.“

      Hans ging zu Tatjana, die sich erneut mit Fuchs angelegt hatte. Der Streit zwischen den beiden hallte in der alten, beeindruckenden Kirche, was beide offensichtlich nicht interessierte.

      „Nun blasen Sie sich doch nicht so auf, Fuchs!“

      „Für Sie immer noch Herr Fuchs, Frau Struck! Sie müssen warten, bis wir hier fertig sind, erst dann kann ich mehr sagen. Und jetzt lassen Sie mich endlich meine Arbeit machen!“

      Hans unterbrach die beiden und schilderte, was er von Bruder Niklaus erfahren hatte.

      „Such diesen Bruder Clemens, die Basilika ist ja nicht weit. Nimm Leo mit!“

      Leo hielt sich am Geländer der Tilly-Gruft fest. Er fühlte sich zwar besser, aber für einen Fußmarsch von der Stiftskirche bis zur Basilika nicht fit genug. Wenn er an das unebene Kopfsteinpflaster und die vielen Stufen der Basilika dachte, wurde ihm schlecht.

      „Sei so gut und nimm Diana mit“, sagte er und lehnte sich nun gegen die kalte Mauer der Stiftskirche, was aber auch keine Linderung brachte. „Ich muss zur Apotheke und mein Rezept einlösen, die Schmerzen sind kaum auszuhalten“, sagte er und ging langsam davon.

      „Was hat er?“, fragte Tatjana Hans.

      „Hexenschuss.“

      „Naja, er ist ja auch nicht mehr der Jüngste. Habe ich richtig gesehen? Ist auf seinem T-Shirt eine fette Hanfpflanze?“

      „Ja. Lustig, nicht wahr? Der traut sich was! Wenn das der Chef sieht, flippt der aus.“

      „Dann wird der Tag vielleicht doch noch ganz nett. Such Bruder Clemens und nimm Diana mit.“

      „Ist das so klug?“

      „Was meinst du?“

      „Hast du gesehen, wie sie aussieht? Willst du, dass die Ordensbrüder einen Herzinfarkt bekommen? Wäre es nicht besser, wenn wir beide uns auf den Weg machen und Diana hierbleibt?“

      „Diana macht ihre Arbeit, so wie wir alle. Es hat niemanden zu interessieren, wie eine Kriminalbeamtin gekleidet ist – auch die Ordensbrüder nicht! Sieh mich an!“

      Hans musste lachen, was sich nach dem Streit auch sehr unnatürlich anhörte, aber er konnte nicht anders. Tatjana war rein optisch das genaue Gegenteil von Diana. Während die immer sehr ansehnlich und wie aus dem Ei gepellt aussah, legte Tatjana überhaupt keinen Wert auf ihr Äußeres. Auf ihrem ungebügelten T-Shirt leuchtete ein Fleck, der nach Eigelb aussah. Zu der alten Jeans, die etwas zu lang war, leuchteten neue, hellblaue Sneaker, mit denen sie kürzlich

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