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Centratur - zwei Bände in einer Edition. Horst Neisser
Читать онлайн.Название Centratur - zwei Bände in einer Edition
Год выпуска 0
isbn 9783741800696
Автор произведения Horst Neisser
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Die Reiter gaben ihren Pferden die Sporen, und die Kavalkade brauste davon.
„Na, ist das nicht gut gegangen?" wandte sich Werhan triumphierend an Horsa. Er wollte gelobt werden, aber dieser knirschte nur mit den Zähnen und sagte gepresst: „Wenn du mich noch ein einziges Mal blöd oder Blödel nennst, schlage ich dir die Zähne ein“.
Der junge Mann war noch immer gut gelaunt und ging auf die Drohung nicht weiter ein. Er sagte nur: „Sieh da, sieh da, unser Gast leistet sich den Luxus und hat Ehrgefühle. So etwas gewöhnt man sich als Flüchtling rasch ab. Wenn du bei uns bleiben willst, mein Lieber, musst du lernen noch mehr wegzustecken“.
„Ich will aber nicht bei euch bleiben, verdammt noch mal“, schrie der Markgraf.
Die anderen Mitglieder des Trecks hatten bisher kein Wort gesprochen, sondern dem Streit der beiden jungen Männer nur zugehört. Jetzt sagte eine der Frauen: „Ich glaube, wir müssen weiter“.
„Und ob wir weiter müssen“, erklärte Werhan ruhig. „Bei diesem Tempo brauchen die Reiter knapp drei Stunden, bis sie die Toten finden. Sie werden dann sofort umkehren, um Jagd auf uns zu machen. Ihre Pferde sind dann jedoch schon müde. Das bedeutet, dass sie für den Rückweg vier Stunden benötigen. Wir haben also insgesamt sieben Stunden, um zu verschwinden. Wenn sie uns erwischen, werden sie kurzen Prozess mit uns machen“.
Dies war eine nüchterne Situationsbeschreibung und traf den Sachverhalt genau. Horsa wurde bewusst, in welche Lage er diese armen Menschen gebracht hatte. Wenn sie durch die Soldaten umgebracht würden, so wäre es seine Schuld. Aber warum hatten sie ihm geholfen? Warum hatten sie ihn aufgenommen? Sie schienen doch genau über seinen Mord im Bilde zu sein.
Werhan fuhr fort: „Wir müssen herunter von der Straße. Hier werden sie uns zuerst suchen. Östlich von hier fließt der Erfstrom. Dort wollen wir ein Versteck suchen“.
Es begann ein Wettlauf mit der Zeit. Die Wagen wurden ohne weiteren Disput quer feldein nach Osten gelenkt. Sie fuhren durch staubige Felder und zogen eine große Dreckwolke hinter sich her. Damit sie schneller liefen, gab man den Pferden kräftig die Peitsche. Die einfachen Karren holperten und rumpelten, und die Menschen stolperten hinterher.
„Wir hinterlassen einen großen Wegweiser“, keuchte Horsa zu Werhan und deutete auf die Staubwolke am Himmel. Sie waren seit zwei Stunden unterwegs und kamen trotz aller Anstrengungen nur mühsam voran. Immer wieder gruben sich die Wagenräder in den lockeren Boden, und alle mussten helfen, die Karren wieder flott zu machen.
„Die Soldaten werden schon nicht zurückblicken. Wir müssen über diese Felder, wenn wir entkommen wollen“.
„Aber die ganzen Anstrengungen sind doch sinnlos. Unsere Spur ist unübersehbar, und die Soldaten brauchen ihr nur zu folgen. Eine bessere Fährte kann man kaum legen“.
„Daran haben wir natürlich gedacht“. Werhan lachte. „Blöd sind wir nämlich nicht“.
Als das Wort 'blöd' fiel, hätte der Markgraf diesem daher gelaufenen Flüchtling am liebsten ins Gesicht geschlagen.
„Also blöd sind wir nicht“, wiederholte dieser noch einmal, „deshalb sind einige von uns zurückgeblieben und verwischen mit Ästen die Spuren“.
Horsa wusste nichts zu entgegnen und schwieg. Die Umsicht, mit der diese Menschen seine Probleme lösten, nötigte ihm Hochachtung ab. Es war beinahe dunkel, als sie endlich das Rauschen des großen Stromes vernahmen. Die Leute waren zu müde, um noch ein Lager aufzuschlagen. Jeder ließ sich niederfallen, wo er gerade stand und schlief ein. Nicht einmal Wachen stellten sie auf. Beim ersten Morgengrauen wurde Horsa an der Schulter gerüttelt. Es war Werhan, der ihn weckte. Müde und zerschlagen erhob sich der Graf. Da sah er Marga, die schon wartete. Gemeinsam gingen sie hinunter zum Fluss und setzen sich dort wortlos ins feuchte Gras. Das Mädchen begann zu pfeifen und zu trällern, und die Vögel antworteten.
„Die Reiter haben die Leichen gefunden“, übersetzte sie schließlich mit tonloser Stimme. „Sie reiten die Straße zurück nach Norden. Sie sind bereits bei den Häusern angekommen. Reiter in der Dunkelheit. Vor den Häusern sind Zelte. Viele Zelte. Großer Aufruhr. Viele Reiter brechen auf. Viele Reiter reiten nach Süden auf der Straße. Reiter reiten über die Felder“.
„Genau wie ich es vorhergesagt habe“, meinte Werhan befriedigt.
„Deine Rechthaberei hilft uns wenig“, warf Horsa bitter ein. „Sie werden uns noch heute aufspüren, da bin ich mir sicher“.
„Das weiß ich auch, deshalb müssen wir schnell weg“.
„Aber wohin?"
„Über den Fluss“.
„Verdammt noch mal, wie willst du den Fluss überqueren?" Horsa war ungehalten. Schon seit seiner Kindheit hatte er sich über törichtes Gerede geärgert. „Die nächste Brücke ist viele Meilen flussabwärts. Wir sollten endlich einen vernünftigen Plan fassen“.
Werhan blieb gelassen. Er ignorierte den Zorn des Grafen.
„Ich habe in der Nacht, während ihr geschlafen habt, eine kleine Erkundung unternommen und dabei eine interessante Entdeckung gemacht. Das Wasser zwischen dem westlichen Ufer und der Insel vor uns ist so seicht, dass wir mit den Wagen hinüberkommen. Wir sind durch Zufall auf eine Furt gestoßen. Ich kann nur hoffen, dass die Soldaten diese Furt nicht kennen“.
„Warum hast du das nicht gleich gesagt?" Horsa versuchte einzulenken. „Du hättest mich wecken sollen, dann hätten wir die Gegend gemeinsam erkundet“.
„Das war nicht nötig. Der Schlaf hat Euch gutgetan, Herr“. Werhan war in seinen unterwürfigen Ton verfallen. „Doch wenn Ihr es nun gestattet, so sollten wir uns auf den Weg machen“.
Horsa spürte den Spott und zügelte seinen aufflammenden Zorn. Noch brauchte er diese Flüchtlinge. Natürlich hätte er seine Pferde nehmen können und den Fluss entlang nach Norden reiten. Die Leute wären dann mit ihren Wagen hier im Dreck stecken geblieben. Sie hätten sehen können, wo sie blieben. Dieser Gedanke erheiterte ihn. Aber er kam nicht dazu, ihn weiter auszumalen, denn nun bemerkte er, dass Werhan die ganze Zeit vertraulich die Hand auf seiner Schulter liegen hatte. Er schüttelte sie ab, empört über diese ungebührliche Vertraulichkeit. Der junge Mensch sagte nichts, wandte sich ab und organisierte den Aufbruch. Kurze Zeit später strebten alle dem nahen Fluss zu.
Das Ufer war mit Büschen bewachsen und fiel etwa drei Fuß ab. Werhan zeigte auf eine Stelle, wo die Uferböschung sich leicht senkte. Dorthin trieben sie die Ponys. Horsa war skeptisch, und auch der alte Vater Adelkrag warnte. Das Wasser war auch dort noch tief und reißend. Das Übersetzen würde gefährlich werden. Aber Werhan überging alle Einwände und lenkte den ersten Wagen selbst ins Wasser. Seine Einschätzung, es gebe eine Furt zwischen Ufer und Insel, war richtig und falsch zugleich. Das Wasser schlug über dem Pony zusammen, das in seinem Geschirr sogleich zu schwimmen versuchte. Werhan, der es führte, zwang es zum Waten. Aber der Wagen schwamm auf und wurde abgetrieben. Die Lage wurde gefährlich, und alle Flüchtlinge stürzten sich ins Wasser, um ihre Habe zu retten.
In diesem Augenblick wurde Werhan von einem Strudel erfasst. Er trieb hilflos von dem Wagen weg und immer schneller den Fluss hinab. Ohne zu überlegen schwamm Horsa hinter ihm her, bekam ihn zu fassen, und gemeinsam kämpften sie gegen die Strömung. Beiden drohten die Kräfte zu schwinden. Im letzten Moment gelang es Horsa, einen tief und weit über den Fluss hängenden Ast zu fassen. Er klammerte sich mit der linken Hand an das nasse Holz und hielt mit der rechten die Jacke des Mannes. Marga eilte am Ufer herbei. Sie hielt ein Seil in den Händen, das sie den beiden im Wasser zu warf. Lange dauerte der Kampf ums Überleben. Keuchend und Wasser spuckend lagen die Männer endlich am Ufer.
Als sie wieder atmen konnten, richtete sich Werhan auf und sagte: „Ich danke dir Horsa.