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      Dad starrt mich mit seinen blauen Augen an, dieselben, die mich im Spiegel anstarren, wenn ich mich selbst betrachte, und Stokes Augen bohren sich ebenso in meine. Selbst Charly fleht mich stumm an. Ich habe das Gefühl, auf glühenden Kohlen zu laufen. Angespannt atme ich langsam aus.

      „Wie Sie wollen, Mr Stoke! Sie lassen mir ja keine Wahl. Nein, das ist nicht die Strategie, die ich gewählt hätte, das heißt aber nicht, dass sie nicht eine gute Chance hat.“

      Ich zwinge mich zu einem bemühten Lächeln, während ich einige der Schimpfwörter im Kopf herumwälze, die ich ihm stattdessen an den Kopf werfen möchte. Arrogantes Arschloch ist noch das netteste von allen.

      „Gute Chancen interessieren mich nicht, Miss Beaufort. Mit Gut wäre ich immer noch die Nummer zwei hinter meinem Vater, und mein Unternehmen würde bestimmt nicht den Zusatz International besitzen. Mich interessiert Außergewöhnlich oder Risikoreich – alles, nur nicht Gut. Und jetzt möchte ich bitte von Ihnen hören, was Sie mir vorschlagen, um in Ihren Familienbetrieb zu investieren und auf den Kauf Ihrer Firma zu verzichten.“

      Interessiert und selbstzufrieden lehnt er sich zurück und starrt mich an. Auf der anderen Seite des Tisches knirscht Charly mit den Zähnen und Dad hat seinen Blick aufgesetzt. Und genau da geschieht etwas Seltsames mit mir. Die Angst und der Druck fallen von mir ab, als ich zurück zu Stoke sehe und bemerke, dass, neben all der Arroganz und Dreistigkeit, in Michaels Augen eine Art Hoffnung und ein tatsächliches Interesse an meinen Gedanken zu erkennen ist. Zumindest bilde ich mir ein, das zu erkennen.

      „Um ehrlich zu sein … würde ich in eine andere Richtung gehen. Ich ließe die klassische Linie bestehen, ohne darin noch mehr zu investieren. Vielmehr würde ich ein großes Investment nutzen, um zwei ganz neue Linien aufzubauen: eine Edel-Sorbet-Marke mit ausgewählten Zutaten, wie zum Beispiel Acerola-Kirschen oder kalifornische Orangen, und eine Milch-Joghurt-Linie mit Bio-Touch. Auch wenn der Markt dafür noch im Aufbau ist, wird in den nächsten Jahren der Bio-Trend weiter zunehmen, und der Markt für die überzuckerten und mit Keks und Schokoladelinsen gespickten Eissorten ist bei Weitem übersättigt. Nur in einer neuen, qualitativ hochwertigen Linie liegt ein chancenreiches Wachstum, und das würde uns erlauben, bisher unentdeckte Bereiche wie New York oder andere anspruchsvolle Großstädte zu bedienen, Stores, wo wir derzeit nicht einmal vertreten sind, weil unsere Marke nicht dazupasst. Noch nicht jedenfalls. Wir müssten dazu weitere Marken aufbauen und zweigleisig fahren mit einem völlig neuen Werbekonzept, perfekt auf eine urbane Zielgruppe ausgerichtet. Milky Comfort für das Land und High-Class-Sorbet für die Stadt.“

      Als Erstes sehe ich in das entsetzte Gesicht meines Bruders, dann Dads besorgte Miene, ehe mein Blick an Stokes amüsiertem Grinsen hängen bleibt. Es scheint fast, als hätte er erwartet, dass das genau so laufen würde.

      „Mr Beaufort“, spricht er meinen Vater ernst an. „Sie haben es Ihrer Tochter zu verdanken, dass der Verkauf an mich vom Tisch ist – vorerst zumindest! Und wenn Sie wollen, dass ich ernsthaft über eine Investition nachdenke und der Verkauf endgültig erledigt ist, dann bitte ich Sie beide, den Raum zu verlassen.“

      Okay, nun bekomme ich Panik. Hilfe suchend sehe ich mich, trotz meiner gerade noch so hochtrabend vorgetragenen Rede, nach Dad um. Der scheint die Welt nicht mehr zu verstehen und wirkt mindestens so verwirrt wie ich. Als Dad und Charly sich widerwillig erheben, tue ich es ihnen gleich. Wenn ich das richtig verstehe, soll ich mit ihm hierbleiben. Nur er und ich. Allein bei dem Gedanken leuchten meine inneren Alarmglocken in allen Abstufungen der Farbe Rot.

      Während ich dastehe, verwirrt und mit einem Knoten im Magen, umrundet Dad den Tisch und sieht mich besorgt an. Kurz lehnt er sich zu mir und flüstert mir zu: „Jetzt liegt es an dir, Maddie! Wir zählen alle auf dich!“

      Nur kein Druck, was?

      Kaum sind Dad und mein Bruder durch die Tür verschwunden und ich bin mit Michael Stoke in dem riesig wirkenden Raum allein, bekomme ich Gänsehaut. Der Gedanke, mit diesem Mann allein zu sein, jagt mir mehr Angst ein, als den verrückten braunen Hengst unseres Pferdezüchters zu reiten. Und der Gaul ist der reinste Teufel. Einmal abgeworfen zu werden hat mir gereicht. Ich habe meine Lektion gelernt. Was mir hier jedoch bevorsteht, ist völlig unbekanntes Terrain.

      Ein paar Minuten vergehen, ohne dass er etwas sagt. Er starrt mich nur an. Wieder ist das starke Gefühl da, seine Beute zu sein, was mir gar nicht behagt. Deshalb lasse ich mir meine Angst nicht ansehen und hebe stattdessen herausfordernd eine meiner Brauen, ganz genau so, wie er es vorhin getan hat. Ihn amüsiert es anscheinend, denn es bringt den Mann dazu, zu grinsen. Ich wünschte wirklich, er wäre nicht attraktiv, dann fiele mir das hier leichter. Ich könnte ihn einfach hassen und auch noch abstoßend finden. Wie schön das wäre.

      „Ich wusste, dass Sie mir die Wahrheit sagen würden.“

      „Ach, und woher beziehen Sie dieses Wissen? Ich wusste es nicht.“ Falsch lächle ich ihn an und verschränke die Arme vor meiner Brust. Das enge Kostüm, das ich trage, spannt dabei unangenehm auf meiner Brust. Erschrocken stelle ich fest, dass meine Brüste schwer sind und meine Haut überall erwärmt ist.

      „Sagen wir, ich habe für gewisse Menschen ein gewisses Gespür.“ Wieder umspielt die rosa Lippen ein geheimnisvolles Lächeln.

      „Klingt für mich eher ungewiss. Sollte jemand wie Sie sich nicht eher auf Fakten verlassen als auf sein Gespür?“

      Nun bin ich es, die ihm ein überlegenes Lächeln serviert. Ich muss zugeben, dass dabei etwas in meinem Bauch kribbelt. Bestimmt nur die Nervosität und Anspannung. So viel steht auf dem Spiel und ich liefere mir Scharmützel mit einem Finanzmagnaten. Mom muss mich als Kind zu heiß gebadet haben.

      „In diesem Punkt irren Sie sich gewaltig. Ich verlasse mich immer auf meinen Instinkt. Nun gut, es gab da eine Ausnahme. Sie kennen so was. Eine Begegnung, die nicht so verlaufen ist wie geplant, weil man eben nicht auf seinen Instinkt gehört hat.“

      Plötzlich wirkt er nachdenklich und sieht mich ernst an, so als wäre ich in einer Befragung und gäbe ihm nicht die richtigen Antworten, dabei versuche ich bloß, herauszufinden, worum es eigentlich geht.

      „Ich weiß nicht, was Sie meinen.“

      Wieder grinst er, aber dieses Mal wirkt es anders, eher, als verberge er damit etwas. Könnte das Enttäuschung sein? Aber worüber denn? Bin ich ihm nicht businesstauglich oder lebenserfahren genug? Spiele ich seine Spielchen nicht richtig mit? Worum zum Teufel geht es hier?

      „Ganz ehrlich, Mr Stoke. So langsam weiß ich nicht mehr, was hier gespielt wird.“ Ich setze mich auf und blicke ihn streng an. Ja, ich bringe das. Mir doch egal, wie reich und mächtig er ist. Er ist nur ein Schönling im Anzug, aber ich bin Madison Beaufort. Und das zählt etwas, wo ich herkomme, und wenn nicht, sorge ich dafür. Durch harte Arbeit und Sturheit. In beidem bin ich ziemlich gut.

      „Dann kläre ich Sie mal auf. Sie sind hier, weil ich Ihre Ideen um Längen besser finde als die Ihrer Familie, und Sie sind hier mit mir – allein –, weil ich Ihnen ein spezielles Angebot machen möchte, eines, das Sie bestimmt nicht im Beisein Ihres Vaters oder Ihres Bruders besprechen möchten.“

      Atme ich? Jedenfalls schlägt mein Herz noch, verdammt schnell sogar. Schmerzhaft hart hämmert es gegen meine Rippen.

      Ich schnaube, weil alles, was mir gerade durch den Kopf geht, lächerlich klingt. „Das hört sich ja beinahe so an …“

      „… als wolle ich Ihnen ein unmoralisches Angebot unterbreiten? Ja, Madison, genau darum geht es. Um Sie!“

      Schock, Unglauben und Übelkeit sind nur ein paar der Dinge, die ich empfinde, als meine Hand meinen Mund bedeckt, der gerade undamenhafte Dinge von sich geben möchte.

      „Das … das ist doch ein Scherz?“ Ich schlucke.

      „Sehe ich aus, als würde ich scherzen?“

      Nein, das tut er nicht. Er sitzt locker da, zurückgelehnt in dem unbequemen Stuhl, den ich schon gar nicht mehr sehen kann, und hält einen Füller in der Hand. Was? Will er, dass ich ihm meine Seele

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