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wurde noch besonders betont durch einen struppigen schwarzen Schnurrbart. Obwohl der Sergeant körperlich gut entwickelt war, saß seine Uniform schlecht, und er machte auch sonst einen unausgeglichenen, abstoßenden Eindruck.

      Als er sich Fellowe zuwandte, zeigte er seine Zähne.

      »Es ist schon wieder eine Beschwerde über Sie eingelaufen. Wenn das nicht aufhört, werde ich die Sache dem Inspektor melden.«

      Frank nickte respektvoll.

      »Es tut mir sehr leid, Sergeant – aber weshalb hat man sich denn über mich beschwert?«

      »Das wissen Sie ganz genau«, fuhr ihn Gurden an. »Sie haben Oberst Black wieder belästigt!«

      Ein schwaches Lächeln glitt über Frank Fellowes Gesicht. Er wußte, daß der Oberst bei Gurden eine bevorzugte Stellung einnahm.

      »Zum Teufel, was fällt Ihnen ein, auch noch darüber zu lachen!« schrie der Sergeant. »Ich warne Sie – werden Sie nicht unverschämt! Ich glaube, ich muß die Sache doch dem Inspektor melden.«

      »Ich hatte nicht die Absicht, unhöflich zu sein, Sergeant. Mir sind diese Beschwerden ebenso unangenehm wie Ihnen. Aber ich habe Ihnen ja schon berichtet, und ich werde es auch dem Inspektor sagen, daß Oberst Black in einem Haus an den Serrington Gardens wohnt und daß er mich außerordentlich interessiert. Das müssen Sie zu meiner Entschuldigung gelten lassen.«

      »Der Oberst beklagt sich darüber, daß Sie dauernd seine Wohnung beobachten.«

      Frank Fellowe lächelte wieder.

      »Sein Gewissen läßt ihm keine Ruhe. In allem Ernst, Sergeant, ich weiß zufällig, daß der Oberst nicht gerade sehr menschenfreundlich ist –«

      Er machte eine Pause.

      »Nun, was wollten Sie sagen?«

      »Ich glaube, es ist besser, wenn ich meine Meinung für mich behalte.«

      Der Sergeant nickte böse.

      »Wenn Sie sich Unannehmlichkeiten machen, haben Sie das nur sich selber zuzuschreiben. Oberst Black ist ein sehr einflußreicher Mann, einer unserer größten Steuerzahler, vergessen Sie das nicht! Diese Leute zahlen gewissermaßen unser Gehalt, sorgen für unsere Uniformen und unseren Unterhalt. Da sind Sie ihnen doch etwas schuldig!«

      »Auf der anderen Seite ist Oberst Black ein Steuerzahler, der mir in gewisser Weise zu Dank verpflichtet ist.«

      Bei diesen Worten legte er den Umhang über den Arm, verließ das Amtszimmer und trat auf die Straße hinaus.

      Der diensttuende Beamte am Eingang rief ihm einen freundlichen Gruß zu.

      Die meisten Freunde Frank Fellowes kannten weder seine Herkunft noch seine Eltern. Er hatte eine außergewöhnlich gute Erziehung erhalten, sein Wesen war ruhig, zurückhaltend und höflich, seine Stimme klar und klangvoll – kurz, er besaß alle Eigenschaften eines Gentlemans.

      In Somers Town bewohnte er allein ein kleines Haus, aber keiner seiner Bekannten, die ihn gelegentlich besuchen wollten, hatte jemals das Glück, ihn während seiner dienstfreien Zeit zu Hause anzutreffen.

      Womit er sich beschäftigte, ließ sich erst erraten, als die großen Polizeiboxkämpfe abgehalten wurden, denn er errang in überragender Form den ersten Preis. Er hatte einen harten Schlag, war schnell, gewandt und aufs beste trainiert.

      Die schlechten Elemente von Somers Town hatten freilich schon vorher von seinem Können im Boxen erfahren. Ein gewisser Grueler hatte sich nach seiner Verhaftung auf dem Weg zur Polizeistation zur Wehr gesetzt. Dieser Mann erzählte später seinen interessiert lauschenden Zuhörern von den raffinierten Tricks des Polizisten.

      Fellowes schneidiges Auftreten hatte ihm schon viele Freunde gewonnen, aber er hatte sich auch manchen Feind geschaffen. Während er nachdenklich die Straße entlangging, sagte er sich, daß er in Sergeant Gurden einen persönlichen Gegner von mehr als durchschnittlicher Gehässigkeit besaß.

      Er wunderte sich, warum dieser ihm so feindlich gesinnt war. Schließlich tat er doch nur seine Pflicht. Daß er ab und zu seine Amtsbefugnisse überschritt, erschien ihm nicht als ausreichender Grund für die Abneigung seines Vorgesetzten, denn er stand in dem glücklichen Alter, in dem Untätigkeit das größte Übel bedeutet.

      Was Oberst Black mit seinen Beschwerden beabsichtigte, konnte er ebensowenig verstehen. Er zuckte die Schultern. Es lag nicht in seiner Art, argwöhnisch zu sein, und er suchte in dem Verhalten des Sergeanten kein anderes Motiv als den vollkommen verständlichen Wunsch aller eingebildeten Vorgesetzten, ihre etwas zu impulsiven Untergebenen im Zaum zu halten.

      Frank Fellowe gestand sich ein, daß er in gewisser Weise Anstoß erregen mußte und daß Gurdens Groll gegen ihn vielleicht in seinem eigenen sonderbaren Benehmen begründet war. Er beschloß, nicht weiter darüber nachzudenken, und machte sich auf den Weg zur Croome Street, wo sein Haus lag.

      Als er dort ankam, schloß er die Haustür auf und ging in das Wohnzimmer.

      Die Wände waren mit einem modernen Muster bemalt. Auch die Möbel ähnelten der üblichen Einrichtung solcher Häuser nur wenig. Allein der alte, kostbare Stich, der über dem Kamin hing, mußte das Jahreseinkommen eines Polizisten gekostet haben. Der kleine, mit hübschen Schnitzereien verzierte Tisch, der in der Mitte des Teppichs stand, war zweifellos ein echtes Stück, ebenso die Sessel, Stühle und das Büfett. Obwohl sie aus verschiedenen Stilperioden stammten, paßten sie doch sehr gut zusammen.

      Ein helles Feuer brannte im Kamin, denn der Abend war bitter kalt. Fellowe blieb vor dem Kamin stehen und betrachtete die beiden Briefe, die dort auf ihn warteten, legte sie aber wieder zurück und trat durch eine Schiebetür in sein Schlafzimmer.

      Er hatte einen sehr angenehmen Hauswirt. Im allgemeinen waren die Hauseigentümer in Somers Town, besonders, wenn sie eins der kleinen Häuser auf diesem teuren Grund und Boden besaßen, nicht leicht dazu zu bewegen, Reparaturen und Verbesserungen an den Gebäuden vornehmen zu lassen, wie Frank Fellowe sie gewünscht hatte. Ein anderer Hauswirt würde kein so geräumiges Badezimmer eingebaut haben, aber Franks Hauswirt war eben ein außergewöhnlicher Mann.

      Nachdem Frank Fellowe ein Bad genommen hatte, legte er Zivilkleidung an, kochte sich eine Tasse Tee, zog einen langen, warmen Mantel über und verließ das Haus, nachdem er sich eine halbe Stunde dort aufgehalten hatte.

      Er wandte sich nach Westen. Am King's-Cross-Bahnhof rief er ein Auto an und ließ sich zum Piccadilly Circus fahren. Bevor er aber diesen historischen Platz erreicht hatte, klopfte er an das Fenster und ließ sich absetzen, um zu Fuß weiterzugehen.

      Am gleichen Abend um elf Uhr verließ Sergeant Gurden die Polizeistation. Obgleich er äußerlich ruhig schien, kochte er doch innerlich vor Ärger und Wut.

      Seine Abneigung gegen Frank Fellowe war während der letzten Wochen noch besonders gesteigert worden durch die Haltung, die der junge Mann gegenüber Oberst Black, seinem besonderen Schützling, eingenommen hatte.

      Gurden erschien den Beamten seines Bezirks ebenso rätselhaft wie Frank Fellowe, ja vielleicht sogar noch rätselhafter, denn das Geheimnis seines Lebens schien düsterer zu sein als das des jungen Polizisten.

      Gurden wurde von maßlosem Ehrgeiz gequält. Zu Beginn seiner Laufbahn hatte er gehofft, sich bei der Polizei rasch auszuzeichnen; da ihm aber die nötige Schulbildung fehlte und sein Wesen allzu abstoßend und schroff war, hatte er trotz seines Eifers nicht recht vorwärtskommen können.

      Er hatte schließlich die Grenzen seiner Fähigkeiten erkannt und eingesehen, daß ihm keine Hoffnung auf Beförderung zum Polizeiinspektor oder zu einem höheren Rang blieb, die jedem Polizisten winkt. Man sagt ja auch, daß jeder Soldat den Marschallstab im Tornister trägt – obwohl selten genug aus einem Soldaten ein Feldmarschall wird.

      Gurdens gekränkter Ehrgeiz suchte sich nun ein anderes Feld: Gelderwerb. Der Sergeant konzentrierte all sein Sinnen und Trachten darauf, ein Vermögen anzuhäufen. Seine Sparsamkeit, sein Geiz und seine unersättliche Habgier waren in der Londoner Polizei bald sprichwörtlich geworden.

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