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Dich am Freitag gegen 8 Uhr ab.“ Thela hörte Martha am anderen Ende aufatmen. Sie schien zu strahlen, als sie sich verabschiedete. Anscheinend war es ihr wirklich wichtig.

      Thela war müde. Sie fühlte sich ausgelaugt und kraftlos. Zu klaren Gedanken nicht mehr wirklich fähig. Sie hoffte, Jo würde bald kommen und ihr einen Teil der Arbeit abnehmen. Sie konnte nicht mehr.

      Einige Stunden später lag sie wach im Bett. Trotz der späten Stunde und ihrer Kraftlosigkeit konnte sie nicht einschlafen. Sie hoffte, dass es Martha nicht zu sehr anstrengte. Immerhin würden sie an einem Tag sechs Stunden auf der Autobahn verbringen – wenn es gut lief. Wieviel Anstrengung konnte eine Frau in Omas Alter ertragen? Und würde sie die ganze Fahrt nur reden?

      Eigentlich hatte sie sich doch auf diese Fahrt gefreut. Endlich einmal etwas Ruhe. Abstand von den Kindern, dem Haushalt, vom Alltag. Sie hätte etwas weniger Stress gehabt. Nun würde sie wohl keine Ruhe finden. Und die Sache mit Michael konnte sie auch vergessen. Sie hatte geplant, ihn auf dem Weg kurz zu besuchen. Jedenfalls eine fixe Idee war es gewesen. Vielleicht hätte sie es sowieso nicht gemacht. Denn Jo wollte sie davon nichts erzählen. Aber auch das war irgendwie komisch, ihn zu belügen. Jedenfalls ihm etwas zu Verschweigen. Doch was wäre schon dabei gewesen, ihren alten Arbeitskollegen zu besuchen? Wenn es schon auf dem Weg lag. Doch es hatte sich ja sowieso erledigt. Aber Martha konnte sie nicht mehr absagen. Sie hatte deren Vorfreude sogar durchs Telefon gespürt. Sie seufzte. Jetzt musste sie das Thema abhaken. Schon ihres lieben Schlafes wegen. Freitag würde sie Martha abholen.

      Nachdem Thela die morgendlichen Kämpfe ausgefochten hatte und Jonas in der Schule und Lina endlich im Kindergarten waren, machte sie sich auf den Weg zu Martha. Den Abend zuvor war sie nochmals die Akte der Häußlers durchgegangen. Sie hatte sich mögliche Fragen an Lettie notiert, wusste aber nicht so recht, was sie erwartete. Warum hatte Lettie es nicht am Telefon erzählen können? Oder schriftlich? Wieso war es der Schwester ihres Mandanten so wichtig, dass sie vorbeikäme? Normalerweise war das nicht Thelas Vorgehen. Es kostete einfach zu viel Zeit und Geld, für eine einfache Aussage so weit zu reisen. Aber vielleicht war es die Art gewesen, in der Lettie mit ihr geredet hatte. Oder es lag einfach nur an ihrem Bedürfnis nach Ruhe. Der Flucht vor dem Alltag, vor der Familie. Solch eine Chance bot sich ihr nicht oft.

      Nun saß sie also im Auto und genoss die Ruhe. Vorerst. Und wieder war diese Frage in ihrem Kopf: Wieso wollte Martha den anstrengenden Tagestrip unternehmen? Sie hätte doch eine von den vielen Kurzurlauben nach Dresden unternehmen können, die fast jedes Busunternehmen hier anbot. Das wäre für sie weniger anstrengend gewesen. Außerdem hatte Thela doch betont, dass sie nicht in der Umgebung herumfahren könnte, genauso wenig wie die Busunternehmen es tun würden. Doch mit diesen könnte Martha wenigstens noch einen großen Teil der Touristenattraktionen sehen. Sie würde es ansprechen.

      Dann dachte sie wieder an die Häußlers. Sie konnte es verstehen, dass ihr Mandant nur das Beste für seine Mutter wollte. Sie sollte möglichst ihren Willen bekommen. Und nicht leiden müssen. Aber hatte sie wirklich gelitten? Wieviel hatte sie denn mitbekommen? Sicher, durch die Sonde war ihr Körper weiterhin lebensfähig. Aber wo war ihre Seele? Ihr Geist? Hatte diese Frau von all dem noch ein Empfinden? So war es doch nur vernünftig, die Ernährung einzustellen. Oder?

      Das größte Problem war doch, dass die Menschen keine Ahnung davon hatten, wie das Leben nach dem Tod ausschaut. Dass sie nicht wissen, wie es sich im Koma anfühlt. Es gibt Spekulationen und vereinzelt auch Erfahrungsberichte derer, die aus dem Koma wieder erwachten. Aber was stimmte denn wirklich? Was stimmte für den einzelnen Menschen? Erlebten es alle gleich? Und welche Rolle spielte der Glaube dabei?

      Martha erwartete sie mit einem kleinen Köfferchen bepackt vor der Haustür. Sie sah aus, als wollte sie das gesamte Wochenende verreisen. Thela sagte nichts. Sie verstaute den Koffer im Auto. Dann setzte sie sich hinters Lenkrad und fuhr los. Martha zeigte die ganze Fahrt über eine fast kindliche Freude. Ihr Mund und ihre Augen waren von etlichen Lachfalten umgeben. Sie strahlte Thela an. Es war nicht zu übersehen, dass sie die Entscheidung für diese Tagestour keine Minute bereute. So stand auch ihr Mund nicht still. Vor lauter Aufregung schien sie ganz aufgekratzt und erzählte Thela von der vergangenen Woche. Von den erledigten Hausarbeiten – sie hatte die Gardinen im ganzen Haus abgenommen, gewaschen und wieder aufgehangen – von ihren Terminen und den Treffen mit ihren Freundinnen mitsamt Rommeespiel. Thela versuchte, aufmerksam zuzuhören und nickte ab und zu. Dennoch stellte sie mit Bedauern fest, dass ihre Ruhe nun vorbei und an Entspannung endgültig nicht mehr zu denken war. Sie fragte sich zum wiederholten Male, ob Martha bewusst war, dass sie in Dresden nicht viel Zeit haben würde. Schließlich wollte sie nicht erst in der Nacht wieder Zuhause sein. Doch sie brachte es nicht übers Herz, die offensichtlich fröhliche Martha darauf hinzuweisen. Also versuchte sie weiter zumindest mit einem Ohr zuzuhören und zu hoffen, dass der Redefluss demnächst jedenfalls etwas abnehmen würde.

      Nach einer Weile wollte Martha näheres zum Grund ihres beruflichen Ausflugs wissen. Thela erzählte kurz, lenkte aber bald das Thema wieder auf Martha. Es war leichter so zu tun, als würde man zuhören, als selber zu erzählen. Letzteres war vor allem beim Autofahren anstrengender. Also wollte Thela wissen, was Martha in Dresden suchte. Denn soweit sie wusste, war ihre Oma nicht direkt in Dresden groß geworden, sondern in einem kleinen Städtchen in der Sächsischen Schweiz. So fragte sie mehr aus Höflichkeit und um nicht selbst reden zu müssen, welchen Bezug Martha zu Dresden hatte.

      Wie erwartet und von Thela erhofft, begann Martha daraufhin einen längeren Monolog über ihre Kindheit und Jugend zu halten. Thela musste also nur gelegentlich nicken oder ein „Ja“ oder „Achso“ von sich geben, konnte im Übrigen aber ihren eigenen Gedanken nachhängen. Oder einfach nur abschalten auf „Ruhe“.

      Doch leider war dies nicht so einfach wie gedacht. Thela war nämlich von Natur aus ein sehr neugieriger und interessierter Mensch. Deswegen musste sie unweigerlich zumindest mit einem Ohr den Erzählungen von Martha lauschen. Diese sprach von einer Zeit, die Thela so nicht kannte und nie erlebt hatte. Letztlich hörte sie gespannt zu. Sie war vom Erzählten so gefesselt, dass sie sich gelegentlich ermahnen musste, genauer auf den Straßenverkehr zu achten.

      TEIL 2

       Er kommt langsam

      Hörst du wie das Schilf so rauscht

      der Wind er streift darüber

      und wer in die Stille lauscht

      Regen fällt hernieder

      Herbst zieht langsam in den Tag

      bringt die raue Zeit

      Blätter fallen ab und zu

      der Herbst ist nicht mehr weit

      Felder stehn im Stoppelfeld

      warten auf den Pflug

      Arbeit ist in jeder Ecke

      ernten wir auch dieses Jahr genug?

      Ja das Wetter kommt und geht

      müssen es nehmen wie die Zeit

      Jeder machtlos daneben steht

      deshalb sei für Alles stets bereit.

      Erika Renger

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