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als Leiche auf ihren Karren! Na los, Grünschnabel!“

      „Ich kann nicht stehen.“

      „Dann verkaufen sie dich als Sklaven. Besser, du stehst.“ Das autoritäre Gebaren brachte Shikan dazu, das mit dem Gehen wenigstens zu versuchen, doch sein Bein trug das Gewicht seines Körpers nicht.

      „Ach, du bist Dämonenfutter!“, knurrte der andere. Shikan arbeitete sich am Stein der Mauer in eine sitzende Position. Die Schmerzen waren höllisch, aber die Angst, zurückgelassen zu werden, war viel größer.

      „Gib mir den zerbrochenen Speer da“, befahl er aschfahl. „Ich schiene mein Bein. Dann wird es gehen.“ Der andere zögerte, dann hinkte er zu der zerbrochenen Waffe und hob sie mit der gesunden Hand auf. Sein anderer Arm hing schlaff herunter.

      „Du gefällst mir. Nicht so ein Weichei wie die anderen!“, behauptete er und half Shikan sogar dabei, sein Bein zu scheinen, einhändig und grob, aber immerhin, er ließ ihn nicht allein.

      Dann streifte er ihm das blutige Armband aus Drachenzähnen eines Toten über.

      „Was soll das?“ Shikan war speiübel.

      „Du musst die Labyrinthwachen bestechen“, erklärte der andere mit einem verschlagenen Lächeln, „da du nicht gehen kannst. Sonst machen sie dich vielleicht tot, bevor sie dich ficken wie eine Frau. Vielleicht machen sie dich aber erst hinterher tot.“

      „Was?“, keuchte Shikan.

      „Bestich sie mit dem Armband für eine Mitfahrgelegenheit auf dem Karren bis in die Schleuse“, wiederholte der andere freundlich. „Sie sind beschissene Ficker.“ Und damit wandte er sich ab und durchsuchte die Reste ihres Hauptmannes, nahm sein Amulett und ein paar Feuerdämonschuppen und schob sie sich vor Shikans Augen unter Grimassen in den Anus. Er lachte auf, als er Shikans Gesicht sah.

      „Das ist für die Heilerinnen“, erklärte er grinsend. „Sie werden auch gern zu besseren Leistungen angestachelt, glaub mir! Nichts in der Welt ist umsonst…“ Das Sonnenlicht schien ihm seinen Schneid zurückzugeben.

      „Dann gib mir…gib mir das Amulett da im Sand…“, bat Shikan bleich. Doch er bekam ein Kopfschütteln als Antwort.

      „Wir dürfen nicht wirken, als wären wir zum Plündern zurück geblieben“, erklärte der andere Krieger. „Wir können diesen Leichen nicht alles nehmen.“ Er kam zu Shikan und half ihm hoch. „So lange wir rauslaufen können, ist alles gut. Aber wenn nicht…unterstellt man uns gleich Feigheit, Plünderei und niedere eigene Interessen. So. Ich werde jetzt gehen. Bleib stark!“ Sprachlos sah Shikan ihm nach, wie er ihn alleine ließ. Aber er konnte nicht laufen! Und diesen Hyänen von Labyrinthwächtern wollte er nicht in die Hände fallen! Außerdem konnte er nicht hier bleiben, im Labyrinth. Als er sich das letzte Mal gehen gelassen hatte, nachdem Varkan ihn in die Schleuse gebracht hatte, hatten die Labyrinthwachen ihn um ein Haar zum Drachenfutter erklärt. Bis eine Heilerin vorbeikam und ihn ansah und ihnen gesagt hatte, er tauge nicht „für die andere Verwendung“, er sei nur ein Weichling und stelle sich an. Die nackte Panik sprang ihn an, als er nun daran dachte, wie sie ihn unter Schmähungen richtig verbunden hatte und dafür gesorgt hatte, dass der „Feigling“ auf einem Karren zurück in die Kaserne gebracht wurde.

      „Warte! Warte, im Namen der Schuld, die du heute Nacht auf dich geladen hast!“, schrie Shikan außer sich. Der andere erstarrte. „Ich habe dich die ganze Nacht…beschützt… Revanchiere dich gefälligst! Bei deiner Ehre! Sofern du überhaupt Ehre hast!“ Voller Verzweiflung schrie Shikan ihm nach.

      „Ich werde dir den Hals umdrehen!“, fauchte der andere Krieger und hinkte energisch zurück, den Säbel gezogen. Sie musterten einander über die Klinge hinweg. Selbst das war Shikan lieber, als alleine zu bleiben.

      „Also gut!“, zischte der andere plötzlich. „Du Pestbeule! Du Missgeburt!“ Er packte sich Shikans Arm und legte ihn sich über die Schulter. „Dann reiß dich mal schön zusammen!“ Beherzt hinkten sie schwankend wie ein dreibeiniges Kamel in Richtung Labyrinthschleuse.

      Sie hielten nur an, um weitere Leichen zu fleddern. Die Amulette und die glatten Feuerdämonschuppen, die den Unglücklichen nichts geholfen hatten, füllten Shikans Magen sowie ebenfalls seinen Enddarm.

      „Manchmal durchwühlen sie dich“, informierte ihn sein Retter und gab ihm eine weitere Schuppe zum Schlucken. „Da muss man vorbauen. Verstehst du?“ Shikan nickte benommen. „Naja“, fuhr der andere fort, „wenn man das nicht mehr schafft, taugt man eh nicht mehr zum Überleben! Hast du das verstanden, Grünschnabel?“ Und er zog Shikan weiter, der vor Schmerz und Grauen nicht mehr in der Lage war, zu antworten. Er musste hier raus. Er musste reitend hier raus. Wenn seine Beutestücke nicht an die Labyrinthwachen gingen, konnte er vielleicht seinen Kameraden damit bestechen, ihm zu helfen? Er musste es diesmal, wo es viel ernster um ihn stand, unbedingt bis in die Sicherheit ihrer Kaserne schaffen!

      Varkan erwachte und der Lichtstand sagte ihm, es war mitten am Vormittag. Es war zu früh, um mitten in der Kampfwoche aufzuwachen, aber irgendetwas hatte ihn aus dem bleiernen Erschöpfungsschlaf geweckt. Ach ja, er erinnerte sich siedendheiß. Shikan war nicht aus dem Labyrinth zurückgekommen. Sein Magen krampfte sich zusammen. Erst Sinan, dann Shikan? Er erinnerte sich an die Nacht, in der er Shikan gerettet hatte, als sei es letzte Nacht geschehen, dabei war es Monate her. Wie sie aneinandergeklammert die Schleuse erreicht hatten. Wie erleichtert Shikan ausgesehen hatte. Wie er ihn in den Tagen danach angesehen hatte. Jedes Mal von neuem dieser Blick, als könne er ihn nicht ergründen. „Du schuldest mir was“, hatte Varkan ihn dann geneckt und Shikan hatte ihn zum Teufel gewünscht. Sollte dieses Temperament etwa für immer verloschen sein?

      „Du schuldest mir aber noch was!“ Flüsterte Varkan trotzig und stand entschlossen auf. Shikan schuldete ihm ein bisschen Willigkeit und ein wenig Öl auf seinem Hintern, das hatte er ihm oft, nur halb im Scherz, gesagt. Und der andere Krieger hatte ihn angefaucht, das bekäme er nur, wenn er es sich auch mit Gewalt nehmen könne, er solle sich gefälligst etwas anderes überlegen. Darauf hatte es Varkan jedoch nie angelegt, auch wenn Shikan verletzt war und er nicht. Später, als Shikans Wunden verheilt waren, hatte er Varkan dann Beutestücke aus dem Labyrinth mitgebracht, um seine ungewöhnliche Schuld abzutragen. Varkan nahm sie zwar an, erinnerte ihn aber jedes Mal an seine bevorzugte Möglichkeit der Tilgung. Und jedes Mal machte Shikan eine andere obszöne Geste und ließ ihn stehen.

      Shikan…, dachte Varkan besorgt, als sei allein der Name eine Beschwörungsformel. Shikan geriet immer an die dümmsten Hauptleute, die weniger die eigene Bereicherung im Sinn hatten, wie der Hauptmann, dem Varkans Gruppe folgte, als die Ehre, was regelmäßig mit vielen Verlusten unter den Kriegern endete. Hatte solch ein Idiot Shikan etwa auf dem Gewissen? Hatte ein Krieger schon einmal einen Hauptmann zum Ehrenkampf gefordert?

      Varkan wusste, dass er keine Ruhe mehr finden würde, schlüpfte in die Stiefel, nahm seinen Säbel und verließ den abgedunkelten Schlafraum.

      Er ging schnurstracks zum Tempel der Heilerinnen, der versteckt im hintersten Winkel der Kaserne untergebracht war. Dabei kamen ihm zwei Pferde entgegen, geführt von einer jungen Heilerin.

      „Warte einen Moment“, sprach er sie an und sie wandte ihm ihr verschleiertes Gesicht zu. Die beiden Pferde, die sie führte, legten missgelaunt die Ohren an. Hässliche Kreaturen waren es, mit mageren Köpfen, dünnen Mähnen und stumpfem Fell.

      „Zisha?“

      „Ich, ahm…ich suche einen Krieger. Er blieb gestern im Labyrinth. Ahm…weißt du etwas?“ Die junge Frau sah auf ihre Sandalen.

      „Eben kamen noch zwei Krieger hier an, Zisha“, erwiderte sie.

      „Kennst du ihre Namen? Weißt du, wer sie sind?“

      „Nein, Zisha. Der eine ist nicht einmal aus dieser Kaserne, aber wir nehmen uns dennoch seiner an.“ Die Pferde drängelten ungeduldig weiter und schubsten sie vorwärts.

      „Warte!“, rief Varkan, doch sie hörte nicht auf ihn. Heilerinnen waren keinem Mann untertan, jedenfalls keinem so geringem wie ihm. Zwischen Hoffnung und Verärgerung

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