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ein Sprung ins kalte Wasser, waren wir doch erst seit ein paar Monaten ein Paar. Als ich Frederik nur fünf Monate zuvor kennenlernte, wusste ich sofort, dass dies der Mann fürs Leben sein könnte. Wir begegneten uns zufällig in einer Diskothek. Im Vorbeigehen griff plötzlich eine Hand nach mir und streifte meinen Arm. So etwas konnte ich noch nie gut leiden. Ich war dann meist etwas unfreundlich zu demjenigen, der seine Hand nach mir auszustrecken versuchte. Als ich einen wehrhaften Spruch machen wollte, grinste mich Frederik offen und erwartungsvoll an. Als „Berliner Mädel“ war ich es gewohnt, mich nicht von jedem ansprechen zu lassen. Meine Mutter war bereits der Verzweiflung nahe und meinte, es würde für sie mit Enkelkindern recht düster aussehen, wenn ich an meiner abweisenden Haltung nichts ändern würde. Ich solle doch mal versuchen, nett zu sein, vielleicht wäre ja irgendwann der Richtige dabei. Und als mich nun diese fröhliche „Grinsebacke“ in der Disko so herzlich anstrahlte und so ungezwungen fragte „Hey! Hallo, wo willst du denn gerade hin“, war ich bereits drauf und dran, mit einem flapsigen Spruch zu kontern. Doch als ich Luft holte, hörte ich plötzlich diese innere Stimme: „Ramona! Sei nett! Der ist es!“ Also schluckte ich meinen Spruch herunter und war „einfach mal nett". Nur zwei Wochen später zog Frederik aus seiner Berliner Citywohnung zu mir in meine kleine Zweiraumwohnung mit Garten am Berliner Stadtrand. Meine beiden kleinen Hunde und auch meine anspruchsvolle Katze mochten Frederik auf Anhieb, und so wurde er quasi über Nacht zum Mann in meinem Leben. Dass wir in eine gemeinsame Zukunft steuern wollen, war uns beiden vom ersten Augenblick an klar, aber ebenso war es uns bewusst, dass wir dafür ein gemütliches Heim benötigen, welches wir uns gemeinsam aufbauen sollten. So suchten wir nach einer passenden Bleibe für unseren gemeinsamen Neubeginn. Auf einen Garten wollte ich auf keinen Fall mehr verzichten, allein der Hunde wegen. Die Mieten für solche Wohnungen mit Gartenteil im Berliner Raum waren jedoch derart hoch, dass ein Hauskauf sinnvoller erschien. Von nun an suchten wir also ein passendes, kleines Häuschen für uns.

      Nahezu täglich besichtigten wir Häuser im näheren Umfeld. Ein Exposé fiel uns bei der Suche im Internet immer wieder auf. Obwohl es kaum Bilder des kleinen Häuschens gab, war es wie Liebe auf den ersten Blick. Aufgrund des weiten Arbeitsweges für Frederik wurde die Besichtigung jedoch immer wieder verworfen, und wir konzentrierten uns auf andere Objekte in der näheren Umgebung. Jedes Haus war auf seine Art schön, aber entweder gefiel es Frederik gut, aber mir nicht oder es gefiel mir gut und dafür Frederik nicht. Ein Haus gefiel sogar den Hunden nicht. Das zeigte uns unsere kleine Hündin deutlich, als sie sich im Haus ihres Frühstücks aus dem Hals heraus entledigte. Danach beschlossen wir, keinen Hund mehr zu den Besichtigungen mitzunehmen. Zuhause angekommen, setzte sich Frederik gleich wieder an den Computer, um nach weiteren Häusern zu suchen. Erneut wurde uns dieses eine Häuschen angezeigt! Es war wie verhext. Wir schmachteten gemeinsam den Bildschirm an und seufzten, weil die Wegstrecke vom Arbeitsplatz einfach zu weit entfernt war. Dann fiel mir ein, dass man über den Routenplaner verschiedene Strecken eingeben kann. Frederik hatte immer die schnellste Route (mit Autobahnanteil) eingegeben. „Vielleicht geben wir einfach mal die kürzeste Verbindung ein?“. Gesagt, getan. Die schnellste Wegstrecke führte über die Autobahn und war nur um drei Minuten schneller, als die kürzeste Wegstrecke, welche über Land führte. So wurden plötzlich aus knapp 60 Kilometer Fahrstrecke nur noch 25 Kilometer. Wir waren vor Freude ganz kribbelig, weil das Haus nun doch infrage kam. Wir fuhren sogleich los, um uns zunächst das Objekt von außen anzusehen und die Umgebung zu erkunden.

      Es sollte der Aufbruch in einen neuen Lebensabschnitt werden.

      Wir fühlten uns auf Anhieb dort wohl, und noch am Tag der Schlüsselübergabe zogen wir ein. Wir bauten das Bett daheim ab und nahmen die Hundekörbe und das Katzenklo mit, packten alles Nötige ein und schliefen von dem Tag an kein einziges Mal mehr in unseren Wohnungen. Die erste Nacht schliefen wir noch auf den Matratzen auf dem Boden im Wohnzimmer, da wir in der Hektik die Lattenroste unseres Bettes vergessen hatten. Da lagen wir nun auf den Matratzen auf dem Boden, die Hunde freuten sich, die Katze freute sich und wir staunten darüber, wie ruhig es hier war. Und dunkel. Als Berliner ist man das überhaupt nicht gewohnt. Es war ein fast befremdlich anmutender Sternenhimmel, den wir zu sehen bekamen. So viele Sterne, die im Lichtersmog einer Großstadt nicht zu sehen sind, tauchten nun über unserem neuen Häuschen auf. Die Geräusche der Stadt und die Lichtquellen vermissten wir überhaupt nicht. Wir waren auch eigentlich viel zu müde und erschöpft, um überhaupt etwas zu vermissen. Selbst das Lattenrost nicht. Es fühlte sich einfach alles richtig an und wir schmiedeten noch im Halbschlaf Pläne, was wir am nächsten Morgen alles in Angriff nehmen würden. Der Garten, das Haus, alles brauchte einen neuen Anstrich. Renovierung, Entrümplung und Gartenpflege, da lag so viel Arbeit vor uns.

      Um Geld zu sparen, hatten wir bereits unsere Wohnungen gekündigt. Wir entschieden uns, im Haus ein Zimmer nach dem anderen herzurichten. Sicherlich eine nervenaufreibende Situation, welche unsere frische Beziehung auf den Prüfstand stellte. Doch gerade dank all dieser Aufgaben und Hürden fanden wir immer mehr zueinander. Nachdem wir im Haus alles in einen gut bewohnbaren Zustand gebracht hatten, kümmerten wir uns um den Garten. So kam das Projekt Feldbahnwagen auf den Plan. Nachdem wir den Teil des Gartens freigelegt, viel Schutt und Müll entsorgt und den Feldbahnwagen vom Müll und Gestrüpp befreit hatten, überlegten wir, was man damit anfangen könnte. Der Wagen stand bereits im Verfall auf seinem Betonsockel und sah so traurig aus, dass wir es nicht übers Herz brachten, diesen Wagen, der so viel älter war als wir selbst, einfach abzureißen.

      Zum Glück teilen Frederik und ich die gleichen Interessen, und wir lieben es, alte Dinge zu erhalten. Jetzt, da wir auf einem solch großen Grundstück auf dem Land leben, wäre es da nicht naheliegend, sich ein paar Hühner anzuschaffen? Eigene Eier von unseren Hühnern; das war für uns Berlinstädter eine witzige, völlig romantische Vorstellung. Hier würde sich niemand an diesen Tieren stören. Wir haben nun Platz und die Möglichkeit, also warum nicht? Der Feldbahnwagen sollte zu neuem Leben erweckt und mit neuem Leben gefüllt werden. Er sollte das neue Heim für eine kleine Hühnerschar werden. Wir hauchten dem alten Wagen neues Leben ein. Von Grund auf restauriert, erstrahlte der Feldbahnwagen nun in neuem Glanz. Er wurde ein richtiges Schmuckstück und ich glaube, die Hühner fühlten sich auch sehr wohl darin.

      Es dauerte nicht lange, bis die ersten Hühner bei uns einzogen. Unsere Hühner bekamen alle einen Namen, und keines musste die Schlachtung fürchten. Selbst in hohem Alter bekam jedes unserer Hühner noch sein Rentenkorn, und auch, wenn sie irgendwann keine Eier mehr legten, so blieben sie bis zum letzten Tag glückliche Hühner.

      Natürlich waren wir auf dem Land die Neuen, die Sonderlinge. Und was die Tierhaltung anging, auch die „Spinner“. Auf dem Land ist es nicht immer schön und romantisch. Die Einstellung zu Tieren ist an vielen Orten leider immer noch hinterwäldlerisch. Tiere haben keinen Stellenwert und die Wertschätzung für ein Tierleben ist nur bei wenigen Landleuten zu finden. Während einige Leute ihre Katzen ignorant jeder Verwahrlosung eine wilde Vermehrung gewähren, sind andere mit erschreckenden Maßnahmen dabei, die Vermehrung einzudämmen. Katzenbabys werden leider selbst heutzutage noch bevorzugt im Wassereimer ertränkt oder mit dem Stock totgeschlagen. Dieses veraltete Gedankengut wird leider immer noch von Generation zu Generation weitergegeben. Da muss man mal versuchen, Ruhe zu bewahren, wenn ein alter Bauer vor einem steht und meint, dass die Katze schon lernen würde, keine Jungen mehr zu zeugen, wenn man ihre Babys vor ihren Augen möglichst brutal erschlägt. Dies war die Überzeugung des Mannes, der bis dahin die Katzenbabys tötete und von Kastration so gar nichts hielt. Uns war völlig klar, dass wir diese Ansichten nicht über Nacht ändern konnten, aber wir versuchten, das Leid zu mildern. So sprachen wir mit vielen Bauern ab, dass wir die Babys aufnehmen und an neue Besitzer vermitteln könnten. Durch die Vermittlung der Kitten konnten wir etwas Geld sammeln und viele Katzen kastrieren lassen. Wenngleich einige Bauern unsere Idee nicht teilten, so hatten wir vielen Katzen das Leben gerettet und den Muttertieren eine Kastration ermöglicht. Denn auch das war keine Selbstverständlichkeit. Auf dem Land hält sich der Irrglaube, eine kastrierte Katze sei faul und würde keine Mäuse mehr fangen. So waren wir also die „Spinner“ mit den vielen Tieren. Fortan wurden uns verletzte und schwer kranke Tiere einfach über unseren Zaun geworfen. Die Tiere wurden teilweise wie Müll entsorgt. So auch ein kleiner, nur wenige Wochen alter Kater. Als Frederik am Abend noch einmal zur Mülltonne ging, war es bereits dunkel und alles lag verschneit, still und leise unter einer dicken, weißen Winterpracht. Auf

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