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es so unrealistisch und unerreichbar schien. Solch ein Haus, das war uns klar, können wir leider nicht bekommen. „Jetzt schauen wir erstmal nach dem Haus, das wir eigentlich besichtigen wollen. Vielleicht ist das ja auch ganz hübsch, es muss ja hier gleich kommen“, sagte mein Frederik. Wir fuhren die Straße auf und ab, konnten die gesuchte Adresse aber nicht finden. Was wir nicht wussten: Die Straße war vor kurzem umbenannt worden, und somit hatten sich auch die Hausnummern geändert. Als wir nun das dritte Mal an unserem Märchenhaus vorbeifuhren, bemerkten wir, dass dieses Traumhäuschen genau an der gesuchten Adresse lag und weit und breit kein weiteres Haus zu finden war. Wir fuhren von der Straße ab und in eine kleine Einfahrt zum Haus hinunter. Direkt vor dem Grundstückstor stellten wir das Auto ab und stiegen aus. Ringsum war kein weiteres Haus zu sehen. Es war umgeben von einem kleinen Kiefernwald sowie Wiesen und Feldern. Der Sommer kündigte sich langsam an, alles war grün und die Sonne angenehm warm an diesem Tag. Das Grundstückstor war ein altes, in weißer Farbe angestrichenes, quadratisches Gittertor mit quadratischem Gittergeflecht. An der Seite hing ein deutlich in die Jahre gekommener weißer Briefkasten ohne Namensschild. Es sah trotz oder gerade wegen dieser Altersspuren sehr romantisch und interessant aus. Gut sechs Meter vor dem Tor standen fünf bis sechs alte, in einer Reihe parallel zum Zaun gepflanzte Weidenbäume. Zwischen dieser Baumreihe und dem Gittertor standen wir nun und guckten uns erstmal wortlos um. „Ist es das wirklich?“ Ich traute mich kaum, diese Frage laut auszusprechen, weil ich Angst hatte, dass dieses Gefühl gleich zerplatzen könnte. Die Sonne leuchtete die Blätter der Bäume an und es schien, als wenn sich unzählige Lichter durch eine leichte Brise tanzend im Baum bewegten, um uns willkommen zu heißen. Keiner von uns sagte etwas, wir standen einfach nur da und waren überwältigt. Beim Blick über das Tor in den Garten hinein schaute man direkt auf die Kopfseite des hellgelben Hauses mit seinen roten Dachziegeln. Links und rechts neben dem kleinen Fußweg aus alten, quadratischen Gehwegplatten säumten kleine Büsche, Sträucher und ein Stück Rasenfläche die Zuwegung zum Haus. Links vor dem Haus waren noch ein Carport, welches zu einem Garagenhäuschen verlief, und eine ebenso in hellem Gelbton gehaltene Werkstatt. Wir wollten gern mehr sehen und liefen, soweit es die Vegetation rings um das Grundstück zuließ, um das eingezäunte Grundstück herum. Zwischen dem Haus und der 25 bis 30 Meter entfernten Straße lag eine kurz gehaltene Wiese über, die wir zumindest von der Straßenseite aus noch ein Stück weit entlang gehen konnten. Endlich entdeckten wir die gesuchte Hausnummer. Es war tatsächlich die von uns gesuchte Adresse. Bis auf den Vorgarten an der Kopfseite des Grundstücks war das Grundstück größtenteils recht verwildert, aber dennoch waren wir diesem wunderschönen Haus längst verfallen. Wir spekulierten darüber, wie schrecklich es wohl von innen aussehe, wenn es von außen in unseren Augen einfach so perfekt war. Wir hatten uns bis dahin schon einige Häuser angesehen und unbeschreibliche Überraschungen erlebt. Bei einem Haus fiel ich beinahe gleich bis in den Keller hinein, weil direkt hinter der Eingangstür der Fußboden komplett fehlte und sich ein großes Loch auftat, welches den sofortigen, aber ungewollten Einstieg in den Keller ermöglichte. Dieses Bild hatte ich nun vor Augen und dachte, dass es bei diesem Häuschen noch viel schlimmer kommen würde, verglichen mit den bereits besichtigten Häusern. Wir platzten vor Neugier und riefen sofort den Makler an. Wir baten darum, das Haus nun auch von innen besichtigen zu dürfen und vereinbarten gleich zum nächsten Tag einen Termin mit ihm. Am liebsten hätten wir vor dem Haus campiert! Wir taten uns schwer damit, nun wieder nach Hause zu fahren und diesen Ort zu verlassen. Am nächsten Tag waren endlich die unzähligen Stunden des Wartens vorbei, und wir fuhren nun zielstrebig zum Termin. Schon beim ersten Schritt in den Garten überkam mich ein wohliges Gefühl. Alles erschien vertraut, aber zugleich unwirklich. Dieses Gefühl umhüllte mich, als hätte mir jemand an einem kühlen Tag eine warme und gut duftende Decke umgelegt. Ein wunderschönes, großes Grundstück mit vielen kleinen Schuppen und einer großzügigen Garage am Eingang. Es gab so vieles zu entdecken. So muss sich Alice im Wunderland gefühlt haben! Ging man um das Haus herum, tat sich wieder eine neue Welt auf, ein verwilderter Garten, ein eigenes kleines Stück Wald mit hohen, gut 80 oder 100 Jahre alten Kiefern, alle krumm und interessant schief gewachsen, gezeichnet von der Zeit. Linksseitig des Hauses war ein Küchenanbau angebaut worden. Durch diesen Anbau gelangte man auch in das Haus, sodass die Küche der erste Raum war, den man im Haus betrat. Vor diesem Anbau tat sich ein weiteres kleines, gepflegtes Gartenstück auf.

      Die kurz gemähte Wiese war mit bunten Blumen und Sträuchern eingefasst. Linksseitig wurde dieser kleine Garten von einer hellgelb gestrichenen Mauer eingefasst. In der Mauer zeigte sich ein vergittertes Durchgangstürchen mit einem Rundbogen, durch welches man in einen separaten, jedoch wesentlich ungepflegteren Gartenteil gelangte. In diesem wilden Gartenteil befand sich ein kleiner Unterstand, recht niedrig, so dass man nicht aufrecht darin stehen konnte. Er war mit allerlei Unrat zugestellt worden. Vermutlich war dies einmal ein Unterstand für Holz. Gleich hinter dem Unterstand tauchte ein uralter, kleiner Feldbahnwagen auf. Völlig in die Jahre gekommen und mit vielen deutlichen Schadstellen, rief er quasi um Beachtung. Mit diesen Feldbahnen wurde vor über einhundert Jahren die Ernte von den Feldern direkt in die Städte transportiert. Ein solcher Waggon stand nun hier auf einem Betonsockel abgestellt, umringt von Unrat, Unkraut und Müll. Er war völlig eingewachsen und bereits am Verfallen. Ich war sofort in diesen alten Waggon verliebt, und wenngleich ich nicht umgehend eine Verwendung dafür im Kopf hatte, so war mir klar, dass dieser alte Wagen von uns nicht abgerissen wird, sofern wir das Grundstück bekommen würden. Doch das Interessanteste stand uns ja noch bevor, das Haus. Wir brannten nun darauf, endlich das Haus betreten zu können und bekamen zeitgleich auch immer mehr Angst davor. Wenn der Makler scheinbar taktisch vorging und uns erst das schöne Grundstück zeigt, muss es drinnen eine absolute Ruine sein. Das rote Satteldach des kleinen Siedlerhauses wirkte noch recht neu auf uns und wir schätzten, dass es nicht älter als 15 Jahre sein konnte. Die in der Fassade weiß umränderten Fenster leuchteten freundlich und einladend zwischen der hellgelben Fassade hervor.

      Der Makler öffnete die Tür und zu unserem Erstaunen hatte das Haus einen Fußboden. Ich musste weder mit den Armen mein Gleichgewicht halten, um nicht in die Tiefe zu stürzen, noch war auf den ersten Blick überhaupt irgendwelches Grauen zu erkennen. Wir standen in einer fast 20m² großen Wohnküche, mit einer zwar in die Jahre gekommenen, aber sehr großzügigen altweißen Einbauküche mit Gasherd. Die großen Küchenfenster, welche sich immerhin über zwei komplette Seiten der Küche erstreckten, ließen die Küche noch größer wirken, als sie ohnehin schon war. Es war hell und freundlich, schlicht gesagt sehr einladend, und der Ausblick aus den übergroßen Küchenfenstern in den eigenen Garten war traumhaft. Man blickte in eine grüne Oase, die eigene Oase. Bei diesem Ausblick bräuchte man weder Gardinen noch sonst irgendwelchen Sichtschutz anbringen, denn die Küche war nur vom eigenen, privaten Grundstück umringt. Hier musste man keine fremden Blicke fürchten. Das war der erste Gedanke, als wir in dieser lichtdurchfluteten Küche standen.

      Die Küche schien ein späterer Anbau an das alte Haus zu sein, denn von hier aus gelangte man nun in den Hauptteil des Wohnhauses, in den Flurbereich.

      Als ich den Flur betrat, durchströmte mich ein Gefühl, als wenn ich mit dem Haus verbunden wäre. Ich fühlte mich sofort zuhause und liebte dieses Haus einfach, ohne die anderen Räume gesehen zu haben. So komisch es klingt, ich fühlte mich von diesem Haus ebenso geliebt und behütet. Der Makler zeigte uns geduldig das ganze Haus, vom Kartoffelkeller bis zur Dachspitze, erklärte uns die Heiztechnik und den kleinen, silbernen Schmuckkamin mit Glaseinsatz im Wohnzimmer. Er ließ uns im Anschluss nochmal alleine durch das Haus streifen, um alles in Ruhe auf uns wirken zu lassen. Und wie es wirkte! Frederik und ich standen nahezu fassungslos da und grübelten, wo der Haken an der Sache sein könnte. Plötzlich breitete sich die Sorge aus, dass das Angebot mit dem Preis im Exposé vielleicht nicht stimmen könnte, daher fragten wir nochmal nach. Als der Makler den Preis bestätigte, war uns völlig klar, dass wir alle übrigen Besichtigungstermine absagen würden. Wir gaben sofort unsere Kaufzusage. Erst danach erfuhren wir noch, dass die Wiese zwischen dem eingezäuntem Hausgrundstück und der Straße ebenfalls zum Haus gehört. Wir waren völlig erschlagen und konnten unser Glück kaum fassen. Von diesem Tag an fuhren wir täglich zum Häuschen, und auch wenn wir nicht hinein konnten, so besuchten wir es zumindest wenigstens am Gartenzaun. Dieses Ritual pflegten wir, bis endlich der langersehnte Notartermin und letztlich die Übergabe der Hausschlüssel vollzogen waren. Unser Herz schlug für dieses Haus und es fühlte sich so an, als

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