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Traum oder wahres Leben. Joachim R. Steudel
Читать онлайн.Название Traum oder wahres Leben
Год выпуска 0
isbn 9783738074062
Автор произведения Joachim R. Steudel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Als ich nach mehreren Stunden aufhörte, war nur noch Katakura Shigenaga anwesend. Er kam zu mir und sagte:
›Jetzt weiß ich, was uns in Shaolin vorenthalten wurde. Beherrschen das alle Mönche so?‹
Ich schüttelte den Kopf.
›Nein, der Stil, den ich hier trainiert habe, wird nur von wenigen verwendet, doch auch der normale Shaolin-Stil hat seine Vorzüge, nur dass er viel kraftaufwendiger und offensiver ist. Was ich bevorzuge, ist mehr auf Verteidigung ausgerichtet, womit ich mich auch gut gegen unseren Großmeister behaupten konnte.‹
Jetzt erst bemerkte ich das chinesische Schwert in seiner Hand.
›Oh, ist es das, das ich ausgewählt hatte?‹
›Ja, der Schwertschleifer hat es gerade zurückgebracht, du bist mit seiner Arbeit bestimmt zufrieden.‹
Er reichte es mir, und ich begutachtete die Klinge. Dann schwang ich es leicht mit der Spitze durch das Gras zu unseren Füßen. Mehr als zufrieden blickte ich auf die liegen gebliebenen Halme.
›Sehr gut, doch ich muss achtgeben und den Abstand genau einschätzen. Das Beste wird sein, wenn ich noch ein wenig mit diesen Schwert trainiere, damit ich beim Kampf keine Fehler mache.‹
›Wie du meinst, doch ich glaube nicht, dass das Duell schon heute stattfindet.‹
›Umso besser, da ich viel nachholen muss. Schon zu lange habe ich nicht mehr richtig trainiert.‹
›Wird dir dann nicht die Kraft im Kampf fehlen?‹
Ich lachte auf.
›Wo denkst du hin?! Wir haben im Kloster von früh bis zur Dämmerung trainiert und die Übungen nur für eine Mahlzeit mit anschließender Gebets- und Meditationspause unterbrochen.‹
Er machte große Augen.
›Ich glaube, unsere Informanten am chinesischen Kaiserhof haben weit untertrieben.‹
Schmunzelnd winkte ich ab und wollte mich schon umdrehen, als mir die weiteren Beobachter einfielen.
›Wer waren denn die anderen, die vorhin hier standen?‹
›Date Masamunes älteste Tochter, Irohahime. Sie ist die Frau von Matsudaira Tadateru, was leider keine Empfehlung mehr ist, da ihr Mann verbannt wurde. Ihr steht es aber frei, den Verbannungsort zu verlassen. Zur Zeit weilt sie hier, um ihren Vater zu besuchen.‹
›Und die anderen?‹
›Ach, das waren nur zwei ihrer Leibwächter und Diener.‹
›Die andere Frau war auch eine Dienerin?‹
›Kazuko, nein, das ist keine Dienerin. Es ist ihre Halbschwester, doch das zählt nicht, obwohl sie einen gewissen Sonderstatus hat. Aber es steht mir nicht zu, darüber zu sprechen.‹
O weh, nun hatte ich auch noch an ein Familiengeheimnis gerührt. Ich musste unbedingt vorsichtiger werden, denn in dieser Gesellschaft gab es mehr Geheimnisse und Regeln, als ich mir hatte träumen lassen. Um abzulenken, sagte ich Shigenaga, dass ich weitertrainieren wolle, woraufhin er mich verließ.
Am Nachmittag saß ich meditierend unter einem Baum, der neben Shigenagas Haus stand. Nach einer Weile hatte ich das Gefühl, beobachtet zu werden, und öffnete die Augen.
Katakura Shigenaga stand vor mir, hatte es aber nicht gewagt, mich zu unterbrechen. Allem Anschein nach wollte er mich sprechen. Ich machte eine einladende Geste und deutete auf einen Platz neben mir, doch er winkte ab.
›Ich möchte dich nicht weiter stören. Der Fürst hat mich beauftragt, dir mitzuteilen, dass alles nach unseren Wünschen zu verlaufen scheint. Wie du angeregt hast, wurde dem Metsuke der Eindruck vermittelt, dass der Shogun gerne ein Kräftemessen zwischen dir, dem fremden Yamabushi, und einem guten Bushi sehen möchte. Daraufhin hat er selbst dem Shogun angeboten, ein Duell, das zu seiner Genugtuung stattfinden soll, dafür zu nutzen. Tokugawa Iemitsu war hoch erfreut und verfügte, dass der Kampf morgen, wenn die Sonne am höchsten steht, in einem der Burgvorhöfe stattfinden soll. Sein Vater und einige andere hohe Würdenträger werden anwesend sein.‹
›Date Masamune doch auch, oder?‹
›Ja, er wurde aufgefordert zu erscheinen, schließlich bist du sein Gast. Auch ich soll mitkommen, weil zur Zeit kein anderer verfügbar ist, der chinesisch spricht.‹
›Gut, ich hoffe der Fürst ist zufrieden?‹
›Sehr sogar. Aus diesem Grund sollte ich es dir auch sofort mitteilen.‹
Wir verabschiedeten uns, denn ich wollte mich, so gut es ging, auf den kommenden Tag vorbereiten.
Am nächsten Tag, eine ganze Weile vor der festgelegten Zeit, betraten wir den Vorhof. Ein Beamter des Shogun teilte mir die Verhaltensregeln mit. Katakura Shigenaga übersetzte gewissenhaft alle Anweisungen und ermahnte mich mehrfach, alles genau einzuhalten.
Der Shogun wurde angekündigt, und wir warfen uns auf die Knie. Den Kopf gesenkt und auf unsere Hände blickend, warteten wir, bis die Erlaubnis zum Sicherheben kam.
Mir war es unter Androhung des Todes verboten, den Shogun anzublicken. Deshalb fixierte ich den Boden vor mir, doch aus den Augenwinkeln konnte ich das weitere Geschehen verfolgen. Für den Shogun war unter einem Baldachin ein mit Polstern versehener Stuhl bereitgestellt. Rechts daneben, aber nicht mehr unter dem Baldachin, stand eine Sitzgelegenheit ohne Rückenlehne, über die eine reichverzierte Decke gebreitet war. Unmittelbar nachdem der Shogun Platz genommen hatte, ließ sich ein Mann auf dieser nieder, der viel Ähnlichkeit mit ihm hatte. Später bestätigte sich meine Vermutung, dass es der Vater des amtierenden Shogun sei. Date Masamune erhielt die Genehmigung, nach vorn zu kommen und in einigem Abstand seitlich vom Shogun auf einem Kissen Platz zu nehmen. Eine Ehre, die auch einigen weiteren hohen Persönlichkeiten zuteil wurde.
Als alle ihren Platz gefunden hatten, wurde der Metsuke nach vorn gerufen. Vor dem Shogun kniend, sprach er kurz mit ihm. Danach begab er sich zu Katakura Shigenaga, der neben mir den Boden anstarrte. Nachdem Sanada Masanori einige Worte an ihn gerichtet hatte, erhob er sich und forderte auch mich dazu auf. Wie mir eindringlich mitgeteilt worden war, sollte ich möglichtst nicht direkt zum Shogun schauen. Ich drehte mich also etwas seitlich und hielt den Kopf leicht gesenkt,