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Traum oder wahres Leben. Joachim R. Steudel
Читать онлайн.Название Traum oder wahres Leben
Год выпуска 0
isbn 9783738074062
Автор произведения Joachim R. Steudel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
›Ich denke, sie könnten heute schon kommen, und dann steht Ihrem Aufbruch nichts mehr im Wege.‹
›Und Sie, werden Sie Ihre Reise zu dem anderen Kloster jetzt fortsetzen?‹, fragte mich Katakura Shigenaga.
Ich hatte mich über diesen Punkt schon mit Wang Lee und Chen Shi Mal unterhalten. Bei diesen Gesprächen hatte ich beschlossen, dass mich eigentlich nichts drängte und ich deshalb gerne die Reise zur Küste mitmachen würde. Auch Wang Lee und Chen Shi Mal wollten mitkommen, um dann gemeinsam mit ihrem Freund Liu Shi Meng, der mit dem Schriftstück des Fürsten zum Schiff aufgebrochen war, wieder zurückzureisen. Ich hatte mir vorgenommen, von der Küste aus auf einem anderen Weg nach Wudang zu wandern, um so Land und Leute noch besser kennen zu lernen. Deshalb sagte ich:
›Ich hatte gehofft, Sie würden mir und meinen Freunden gestatten, Sie bis zu Ihrem Schiff zu begleiten.‹
›Natürlich gerne, doch wir hatten angenommen, dass es Sie auf Grund dieses langen Aufenthalts drängen würde, Ihre Reise zu dem anderen Kloster so schnell wie nur möglich fortzusetzen.‹
›Mich drängt nichts, und ich werde auch nicht erwartet. Also spielt es keine Rolle, wann ich ankomme. Diese Reise ist ohnehin ein Abschied von Shaolin, da ich das Kloster verlassen möchte, um nicht ständig Konflikte heraufzubeschwören.‹
Katakura Shigenaga übersetzte mit vielsagenden Miene meine Antwort, und der Daimyo blickte überrascht auf.
›Der Fürst möchte gerne wissen, ob das nur ein zeitweiliger Abschied von Shaolin ist und warum Ihre Anwesenheit für Konflikte sorgt.‹
›Nun, darauf kann ich nicht so einfach antworten, aber einige sind der Meinung, dass ich nicht in dieses Kloster gehöre, und sie lassen es mich auch unmissverständlich spüren. Zu einem Teil haben sie durchaus recht, denn ich bin kein Mönch, sondern nur ein Gast, und Gäste sollten nach einer gewissen Zeit den Ort verlassen, den sie besuchen.‹
Wang Lee wollte widersprechen, doch ich unterbrach ihn mit einer Handbewegung und fuhr fort:
›Es wäre nicht weiter schlimm, da nur wenige so denken, mittlerweile leiden aber auch jene darunter, die sich zu mir bekennen und die ich zu meinen Freunden zähle. Um diesen Zustand zu beenden, habe ich mich entschlossen, in das andere Kloster zu gehen, da ich dort bei meinen bisherigen Besuchen immer willkommen war. Das Dumme ist aber, dass ich auch dort nur ein Gast bin‹, sagte ich nachdenklich.
Das Angebot, dass mir der Daimyo daraufhin machte, überraschte mich sehr.
›Da Sie an nichts gebunden sind, möchte der Fürst Sie fragen, ob Sie ihn nach Japan begleiten würden? Er ist Ihnen dankbar für all die Hilfe, die Sie uns geleistet haben, und möchte sich auf diese Art dafür bedanken.‹
Ich muss wohl ein wenig seltsam dreingeschaut haben, denn er fügte schnell hinzu:
›Nicht als Gast, sondern als Lehrer in diplomatischen Dingen, was entsprechend entlohnt würde. Date Masamune hat sehr viel Achtung vor Ihnen und Ihren Fähigkeiten, und er möchte einiges davon lernen.‹
›Ich bin mir nicht sicher, ob ich dazu in der Lage bin. Denn mich führt in solchen Dingen oft mein Chi, und das kann man nicht so einfach weitergeben.‹
›Machen Sie sich darüber keine Gedanken, der Fürst ist überzeugt davon, und das reicht. Sie müssen sich auch nicht gleich entscheiden. Da es Date Masamune sehr recht ist, wenn Sie uns bis zur Küste begleiten, ist es ausreichend, wenn Sie Ihre Entscheidung an unserem Ziel bekannt geben.‹
Mit diesem Gedanken musste ich mich erst einmal anfreunden, würde es doch bedeuten, dass ich wieder in eine neue, unbekannte Umgebung wechseln müsste. Mich wieder mit einer neuen Sprache, anderen Sitten und Gebräuchen anzufreunden erschien mir im ersten Moment auch wenig erstrebenswert. Deshalb war ich unschlüssig, was ich antworten sollte. Doch dieses Thema wurde erst einmal fallengelassen, und wir wandten uns wieder den anstehenden Aufgaben zu.
Am Ende unserer Zusammenkunft kamen wir überein, alles für die Reise vorzubereiten und nur noch die Kampfmönche abzuwarten. Die Dorfbewohner hatten zwar auch Vorteile von unserer Anwesenheit gehabt, aber alles in allem waren sie froh, dass wieder Ruhe einkehren würde. Um die Mittagszeit des folgenden Tages trafen die Kampfmönche im Dorf ein, und der Aufbruch wurde auf den nächsten Morgen festgelegt.
Die Gruppe bestand ausschließlich aus Mönchen, die in das alte Klosterleben zurückgekehrt waren und die ich alle sehr gut kannte. Jeder von ihnen war vertrauenswürdig, und keiner würde jemals mit Nichteingeweihten darüber sprechen.
Hu Kang hatte als offiziellen Grund eine Hilfeleistung für ein entfernteres Dorf angegeben und die Dauer dieses Einsatzes offen gelassen. Auch für die lange Abwesenheit von Wang Lee, Chen Shi Mal und Liu Shi Meng hatte er eine gute Begründung gefunden. Alle glaubten, dass sie mich aus Freundschaft nun doch weiter begleiteten als ursprünglich geplant, und so ganz unwahr war das ja auch nicht.
Als wir am Morgen des nächsten Tages aufbrachen, wurden wir freundlich von den Dorfbewohnern verabschiedet. An der Spitze unserer Gesellschaft gingen Wang Lee, Chen Shi Mal und ich. Uns folgte die japanische Gesandtschaft, die zum großen Teil beritten war. Die beiden japanischen Soldaten, die als einzige zu Fuß gingen, führten die Packpferde. Ihnen folgten am Ende unserer Reisegesellschaft die Kampfmönche. Es wurde nicht viel gesprochen, und ich konnte ungehindert meinen Gedanken nachhängen. Diese drehten sich hauptsächlich um das Angebot des Fürsten. Lange wägte ich das Für und das Wider ab, bevor ich einen Entschluss fasste, der erst an der Küste feststand.
Nachdem wir das Song-Shan-Gebirge verlassen hatten, strebten wir der alten Handelsstraße zu, die über Kaifeng, Shangqiu und Tongshan an die Küste führte. Auf ihr erreichten wir ohne besondere Vorkommnisse nach vierzehn Tagen Lianyungang.
Liu Shi Meng hatte seinen Auftrag ausgeführt und dem Führer des japanischen Schiffes die Nachricht des Fürsten überbracht. Der Kapitän hatte den langen Aufenthalt genutzt, um Silber, Kupfer und chinesische Seide zu kaufen. Es war für ihn die einmalige Gelegenheit in China Waren aufzunehmen, denn normalerweise war es den japanischen Schiffen nicht gestattet, chinesische Häfen anzulaufen. Nur die diplomatische Mission des Fürsten hatte