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Traum oder wahres Leben. Joachim R. Steudel
Читать онлайн.Название Traum oder wahres Leben
Год выпуска 0
isbn 9783738074062
Автор произведения Joachim R. Steudel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Wieder stockte der Samurai beim Übersetzen und sah mich prüfend an. Auch der Daimyo reagierte so, als ihm das Gesagte übersetzt wurde.
›Sie erstaunen uns immer wieder!‹, fasste Katakura Shigenaga seine und des Fürsten Gedanken zusammen. ›Nachdem wir Sie nun besser kennen gelernt haben, fällt es uns schwer, in Ihnen den einfachen Mönch zu sehen, der Sie nach außen zu sein scheinen. Der Fürst und auch ich denken mittlerweile, dass Sie eher ein gewandter Diplomat sind, der irgendwie hier gestrandet ist.‹
Ich lachte kurz auf.
›Nun, Sie haben recht und auch wieder nicht! Ich bin nicht von hier, sondern durch seltsame Umstände hierher gelangt! Ein Mönch bin ich nicht, wie Sie richtig erkannt haben, doch bin ich nach den Jahren, die ich hier schon lebe, ein Mitglied des Klosters und ein Teil dieses Landes. Aber ein Diplomat bin ich bestimmt nicht! Obwohl ich in meinem alten Leben ein Händler oder nach Ihrem Verständnis eher ein Kaufmann war und diese Arbeit einiges diplomatisches Geschick verlangt. Daher weiß ich auch, dass man, ohne zu lügen oder den anderen zu betrügen, oft Dinge erreichen kann, die der Verhandlungspartner vorher gar nicht wollte. Mit Geschick und Feingefühl kann ich die Gedanken meines Gegenspielers in eine mir günstige Richtung lenken und mein Ziel erreichen, obwohl der andere denkt, dass er sein Ziel erreicht hat.‹
Lächelnd übersetzte der Samurai diese Worte seinem Fürsten. Dieser nickte anerkennend und sagte:
›Es ist Date Masamune eine Ehre, Sie kennen gelernt zu haben, und er fragt, ob es Ihnen möglich ist, ihm diese Kunst näherzubringen. Er war immer ein Kriegsherr, in diplomatischen Dingen hat er sich meist auf andere verlassen, doch jetzt wird es immer dringender, auch darin bewandert zu sein.‹
Wieder lachte ich kurz auf.
›Kunst!? Na ja, vielleicht ist es etwas in dieser Art, und vielleicht könnte ich dem Fürsten auch den einen oder anderen Ratschlag geben, aber das Gefühl dafür muss er selbst entwickeln, und das dauert seine Zeit.‹
Der Daimyo war mit meinem Vorschlag über das weitere Vorgehen einverstanden und begab sich zu seinem Gepäck, um ein Schriftstück aufzusetzen, das einer von uns zu seinem Schiff bringen würde.
Katakura Shigenaga blieb noch kurz stehen und sagte zu mir:
›Seien Sie sich der großen Ehre bewusst, die der Fürst Ihnen eben erwiesen hat, denn Kaufleute sind bei uns die unterste Standesriege und werden meist nur verachtet. Ich nehme aber an, dass er in Ihnen nicht den Kaufmann, sondern den großen Krieger sieht, der Sie auch sind. Aber ich würde Ihnen raten, einem japanischen Samurai gegenüber niemals wieder zu erwähnen, dass Sie Kaufmann waren. Es würde Ihnen nur zum Nachteil gereichen.‹
Er nickte mir freundlich zu und folgte dem Fürsten.«
Das Angebot
»Am nächsten Morgen weckte mich eine Unruhe, die bei den Verletzten ausgebrochen war. Der Heiler hatte sich gleich beim ersten Tageslicht zu ihnen begeben und festgestellt, dass der Mann mit der Bauchverletzung in der Nacht gestorben war. Als ich hinzukam, sah er mich mit einem bedauernden Blick an und sagte:
›Was ich befürchtet hatte, ist eingetreten. Die Verletzungen dieses Mannes waren so schwer, dass es uns nicht gelungen ist, ihm zu helfen. Schon der erste Eindruck hatte mich das befürchten lassen, dennoch haben wir ihn nicht aufgegeben, aber all unser Bemühen war vergeblich.‹
Traurig blickte ich auf diesen weiteren Toten, und die Gedanken, etwas versäumt oder falsch gemacht zu haben, stiegen wieder in mir auf. Der Heiler, der dies sah, überlegte schon, wie er mir helfen könnte, als wir vom Daimyo und seinem dolmetschenden Samurai gestört wurden.
›Gibt es Probleme mit den Verletzten?‹, fragte Katakura Shigenaga.
Ich holte tief Luft und antwortete:
›Leider ist dieser Mann seinen schweren Verletzungen erlegen. Alle Kunst der Mönche konnte ihm nicht mehr helfen, und wir müssen den anderen Gräbern ein weiteres hinzufügen.‹
Bedauernd betrachteten ihn die beiden Japaner, und der Samurai übersetzte die Worte des Fürsten:
›Er war ein guter Mann, und er wird als solcher wiedergeboren. Wir werden ihm die gebührende Ehre erweisen.‹
Da wir bald aufbrechen wollten, ging ich mit Wang Lee daran, ein neues Grab auszuheben, während einige Mönche die nötigen buddhistischen Riten vollzogen.
Die Sonne hatte schon einen großen Teil ihrer Vormittagsbahn hinter sich, als auch dieser Japaner seine letzte Ruhe gefunden hatte. Die Männer aus dem Dorf waren inzwischen angekommen und hatten mitgeholfen, die Verwundeten transportfähig zu machen. Nachdem das alles geschehen war, verließen wir diesen Ort, den ich auch niemals wiedersehen sollte.
Die nächsten drei Wochen vergingen auf Grund der vielen Arbeit, die wir hatten, wie im Fluge. Mit unserer Hilfe bauten die Dorfbewohner innerhalb kurzer Zeit eine neue Hütte auf, in der alle Verwundeten untergebracht wurden. Es war bestimmt kein Meisterwerk, doch für die vorläufige Unterbringung in diesen warmen Sommermonaten war die Behausung ausreichend. Die Dorfbewohner gingen danach erleichtert wieder ihren täglichen Arbeiten nach. Froh über ihre bisherige Hilfe, unterstützten wir sie, wo wir nur konnten.
In einigen Nacht-und-Nebel-Aktionen wurde Nachschub aus dem Kloster geholt, und auch die Dorfbewohner wurden reichlich entschädigt. Allerdings mussten sie dafür versprechen, für immer über diese Vorgänge zu schweigen, und auf Grund der abgelegenen Lage des Dorfes bestand die berechtigte Hoffnung, dass das auch geschehen würde. Außerdem hatten sie mit der Hütte, die wir gebaut hatten, einen Speicherraum gewonnen, den sie gemeinsam nutzen wollten, und waren froh, dass sie diese Unannehmlichkeiten auf sich genommen hatten.
Der Tag des Aufbruchs kam näher, und ich saß mit Wang Lee, Chen