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haben vorerst einen Betrag von fünfzig Millionen Schweizer Franken zur Verfügung.«

      Toni pfiff durch die Zähne.

      »Deine Interessengruppe scheint eine Stinkwut auf uns Amis zu hegen.«

      »Nur auf einige Behörden, Regierungsstellen und Parlamentarier«, beschwichtigte Jules, »auf Leute, die im Wirklichkeit gegen all das Arbeiten, was die USA letztendlich ausmachen. Übrigens habe ich für euch Nummernkonten einrichten lassen. Hier habt ihr die Details und die Kennwörter dazu.«

      Jules zog zwei beschriebene Visitenkarten unter dem Neopren-Anzug hervor und überreichte sie nach einem kurzen Kontrollblick an Henry und Toni.

      »Es sind auf jedem zehn Millionen Dollar einbezahlt. Meldet euch, wenn ihr mehr benötigt. Und gebt mir bitte regelmäßig Bericht darüber, wie ihr vorankommt. Wir halten auf jeden Fall Verbindung untereinander. Auf dem üblichen Weg.«

      Toni hatte vor der Bucht einen weiten Bogen gezogen und näherte sich wieder dem Segelboot von Jules, drosselte das Tempo merklich. Jules verabschiedete sich von seinen beiden Freunden, zog das Headset vom Kopf und die Kapuze und die Taucherbrille wieder über, setzte sich auf die Bordwand und ließ sich rückwärts ins Wasser fallen.

      *

      Detective Sergeant Dasher suchte als erstes den Vermieter des Opfers auf. Dieser konnte nichts Negatives über den jungen Mann erzählen. Hank Publobsky war vor rund drei Jahren bei ihm eingezogen, bezahlte die Miete stets pünktlich und gab auch sonst keinerlei Anlass zu Reklamationen.

      Als Dasher mit ihm zusammen die Wohnung des Ermordeten fünften Stock des schäbigen Mietshauses an der 5th Street untersuchte, bemerkte der Detective Sergeant, wie sich ganz am Ende des Flurs eine Türe nur einen Spalt weit öffnete und ein unruhiges Augenpaar ihn und den Vermieter musterte.

      Die Durchsuchung der zweieinhalb Zimmer erbrachte nichts Neues. Hank Publobsky war womöglich der langweiligste Mensch, der in New York lebte. Sein Laptop mit Wireless Internetanschluss schien das Aufregendste im Leben des jungen Mannes gewesen zu sein. Vorsorglich nahm Dasher das Gerät mit. Die Jungs im Labor würden es nach Verwertbarem durchsuchen.

      Zurück auf dem Flur verabschiedete sich Dasher rasch vom Vermieter, wandte sich dann um und ging mit strammen Schritten auf die zuvor geöffnete Wohnungstür zu, die im selben Moment ins Schloss gedrückt wurde. Der Detective ließ sich nicht beirren und drückte auf den Klingelknopf. Hernandez, stand auf einem schief angeklebten, fleckigen Zettel darunter.

      Der Detective musste mehrmals Läuten und sein innerer Ärger wuchs mit jedem erneuten Betätigen der Türglocke. Endlich meldete sich dahinter eine weibliche, störrisch klingende Stimme.

      »Was wollen Sie?«

      »Ich bin Detective Dasher vom siebten Bezirk und habe ein paar Fragen an Sie. Bitte öffnen Sie.«

      »Können Sie sich ausweisen?«

      Dasher verdrehte genervt die Augen, schnappte sich den Ausweis aus seiner Jackentasche und hielt ihn vor das Fischauge des Spions.

      »Zufrieden?«

      Anstelle einer Antwort wurde an der vorgelegten Kette genestelt, dann öffnete sich die Wohnungstür. Dahinter stand eine ältere, mehr als füllige Lateinamerikanerin. Ihr hellbraunes Haar war scheckig gefärbt und graue Ansätze zeigten sich bereits wieder. Ihr Kinn war eingepackt in fleischige Wangen, die ohne Übergang in einen dicken Hals mündeten. Ihre Mundwinkel hingen nach unten, gaben dem Gesicht zusammen mit der eher knolligen Nase den Ausdruck einer angriffslustigen Bulldogge. Hinzu kamen ihre Augen, die in tiefen und dunkel umrandeten Höhlen lagen und den Detective anblitzten. Ob bloß mürrisch oder gar zornig mochte Dasher nicht entscheiden. Noch nicht.

      »Misses Hernandez?«, begann Dasher.

      »Miss Hernandez«, korrigierte sie ihn mit aggressiver Stimme.

      Der Detective blickte die Frau kalt und abweisend an. Bei solchen Schnepfen verspürte er schon zeitlebens seine liebe Mühe, die Ruhe zu bewahren.

      »Na gut. Dann also Miss Hernandez. Ich untersuche den Mord an Ihrem Wohnungsnachbarn, Hank Publobsky.«

      Falls Dasher mit einer Reaktion der älteren Frau gerechnet hatte, so lag er falsch. Nur die Augen der Frau glühten einen Moment lang auf. Es war aber diesmal bestimmt kein feindliches oder gar besorgtes Glühen, sondern eher ein nach Sensationen lüsternes, wie auch ihr schlaffer Mund bewies, dessen Lippen sich für einen kurzen Moment zugespitzt hatten.

      »Wissen Sie etwas über den Ermordeten? Hatte er Familie? Oder öfters Freunde zu Besuch? Ist Ihnen in letzter Zeit vielleicht etwas Außergewöhnliches aufgefallen?«

      »Liegt eine Belohnung drin?«, war die wenig überraschende Gegenfrage, die den Blutpegel in Dashers Kopf zusätzlich ansteigen ließ.

      »Nein, es gibt keine Belohnung, Miss Hernandez«, war seine grobe Entgegnung, »doch ich warne Sie. Selbst meine Geduld kennt gewisse Grenzen. Oder möchten Sie gerne, dass ich Sie aufs Revier mitnehme oder dort befragen lasse?«

      Die Frau schien tatsächlich abzuwägen, welchen Weg sie gehen wollte. Dann endlich lenkte sie ein.

      »Also gut. Ich lass Sie rein. Kommen Sie.«

      Die Frau gab die Türe frei und ging dem Detective voraus in ein kleines Wohnzimmer, das mit alten Möbeln vollgestopft war und dessen einziges Fenster von einem fadenscheinigen Vorhang verdeckt war. Im Halbdunkel erkannte Dasher zwei graubraune Katzen, die sich auf den beiden vorhandenen Plüschsesseln eingerollt hatten und zu schlafen schienen. Eine dritte richtete sich gerade steifbeinig auf dem Sofa auf, blickte ihn gleichgültig an, streckte sich dann gähnend, verharrte in dieser Stellung lang und ausgesprochen genüsslich. Bei ihrem Anblick fühlte Dasher eine bleierne, lähmende Müdigkeit in seinen Knochen.

      »Setzen Sie sich«, befahl die alte Frau, worauf der Detective mit einer Hand die Katze auf dem Sofa zur Seite drückte und die mit Haaren verfilzte Tagesdecke verschob, bevor er Platz nahm. Die Frau packte währenddessen die schlummernde Katze auf einem der Sessel mit ihren beiden Händen grob um den Leib und warf sie achtlos über die Rückenlehne hinweg nach hinten. Das Tier landete instinktiv auf ihren Pfoten, schüttelte unwillig ihren Kopf und schlich beleidigt aus der Tür. Die Frau hatte sich derweil ächzend gesetzt, ohne das aufgeschreckte Tier oder seine etwas unglückliche Landung auf dem Teppichboden auch nur im Geringsten zu beachten.

      »Gehören nicht mir, die verdammten Viecher«, meinte sie, den Blick von Dasher richtig deutend, »ich hüte sie bloß ein paar Tage für meine Tochter.«

      Der Detective sagte nichts dazu, blickte Miss Hernandez bloß abwartend an.

      »Hank war ein lieber Junge«, begann die ältere Frau endlich zu erzählen, »ist bloß in schlechte Gesellschaft geraten.«

      »Wie meinen Sie das?«

      »Na, sein neuer Freund, dieser Jim. Der taugte ganz einfach nichts. Gar nichts. Hab ich Hank von Anfang an gesagt. Doch der wollte nicht hören, der Dummkopf.«

      »Und warum taugte dieser Jim nichts?«

      Dasher hatte in seinem Leben unzählige Zeugen befragt. Die meisten gaben sich zu Anfang recht verstockt und man musste sie erst einmal verunsichern, bevor sie mit der Polizei zusammenarbeiteten. Miss Hernandez schien dagegen zur zweiten, weit selteneren Kategorie zu gehören. Dieser Art musste man bloß einen kleinen Stoß versetzen und dann sprudelten die Informationen nur so aus ihnen heraus, als wenn man den Wassergraben einer Sandburg an einer Stelle anbohrte. Und wie bei der Burg kam mit dem Wasser oft auch sehr viel zusätzlicher Schlamm mit. Aufschlussreicher Schlamm.

      »Na, der Junge hatte diesen Jim doch im Internet kennengelernt. Wissen Sie, Hank war schwul, aber sonst ein ganz Lieber, wirklich. Doch dann kam er mit diesem Jim hier an. Der Kerl behauptete doch tatsächlich, dass er aus Seattle stamme. Aus Seattle, verstehen Sie?«

      Dasher verstand nicht, blieb aber stumm und ließ die Alte weiterreden.

      »Nie im Leben kam der aus Seattle. Das war ein Kalifornier,

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