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      »Warum glauben Sie, dass dieser Jim aus Santa Barbara stammt?«

      »Na, sein Slang selbstverständlich. Und ein paar von seinen Ausdrücken. So spricht keiner aus Seattle.«

      »Und woher wissen Sie das? Sind Sie Sprachwissenschaftlerin?«

      »Nonsens. Aber ich war früher Schauspielerin. In der Werbebranche. Vielleicht kennen Sie noch die Werbespots für das Pacific Blue Waschmittel? Anfang der sechziger Jahre?«

      Ihre Stimme klang fast beschwörend, hoffte augenscheinlich auf ein Nicken des Detective. Doch Dasher schüttelte verneinend seinen Kopf.

      »Ich bin 1959 geboren«, gab er der sichtlich enttäuschten Frau bekannt, »aber zurück zu diesem Jim. Was können Sie mir noch über ihn erzählen? Kennen Sie seinen Nachnamen? Wie sah er aus?«

      »Na, das müssten Sie ja wohl besser wissen«, lautete die befremdliche Antwort der alten Frau.

      »Wie meinen Sie das denn schon wieder?«

      »Na, Sie haben ihn doch verhaftet?«

      »Wer wurde verhaftet? Hank Publobsky?«

      »Nein, sein angeblich schwuler Freund, dieser Jim. Doch der war bestimmt nicht schwul. Der hat nur so getan. Ein miserabler Schauspieler, das sag ich Ihnen.«

      Die Frau sprach mit dem Detective wie mit einem kleinen Jungen. Doch Dasher beachtete es nicht, sondern hakte sofort nach: »Wann und wo wurde dieser Jim denn verhaftet?«

      »Na, letzte Woche, am Dienstagabend, nein, am Mittwochabend, so gegen acht Uhr, schätze ich. Vier Polizisten läuteten erst Sturm und nachdem Hank die Wohnungstür geöffnet hatte, stürmten sie hinein und führten kurz darauf diesen Jim in Handschellen ab.«

      »Am Mittwochabend sagen Sie? Am zwölften?«

      »Ja, am zwölften.«

      »Und diesen Jim haben Sie seither nicht mehr gesehen?«

      Die ältere Frau schüttelte stumm ihren Kopf. Dann begannen ihre Augen wieder zu funkeln.

      »Gibt es wirklich keine Belohnung?«

      Dasher zog erst seine Augenbrauen hoch und dann die Brieftasche aus seiner Jacke. Er pickte sich einen Fünfziger heraus, legte ihn, ohne ein Wort zu verlieren auf den niedrigen Tisch. Dann stand er auf, klemmte sich den Laptop von Hank Publobsky unter den Arm und ging. Er hatte eine erste Spur gefunden.

      *

      Die Abklärung über den Polizeicomputer im Revier ergab, dass im besagten Mietshaus am zwölften Januar ein Mann namens Timothy Allen verhaftet wurde. Ihm wurde ein Drogenvergehen vorgeworfen, der Handel mit einer kleinen Menge Koks. Er war wohl ein Gelegenheitsdealer, der sich seinen eigenen Stoff mit gestreckter Ware finanzierte. Als er vor vier Wochen nicht zu seiner Gerichtsverhandlung erschienen war, wurde er zur Fahndung ausgeschrieben. Ein telefonischer Tipp durch einen Unbekannten führte die Polizei dann zur richtigen Zeit zum richtigen Haus und in die Wohnung von Hank Publobsky. Mehr oder weniger Daily Business auf einem Revier in Manhattan.

      Doch dann stutzte Detective Dasher und blickte überrascht auf die Zeile auf seinem Bildschirm, hinter der jeweils der Ort aufgeführt war, an dem sich ein Inhaftierter augenblicklich befand.

      »Transferred« stand da zu lesen.

      Der Detective klickte das Wort an und das Programm verzweigte auf eine Detailansicht, zeigte ihm das eingescannte Formular zur Übergabe des Verhafteten mit den Unterschriften aller beteiligten Beamten. Dasher staunte. Der kleine Drogendealer war doch tatsächlich von der DEA abgeholt worden, von der Drug Enforcement Administration.

      War dieser Timothy Allen vielleicht ein Informant, der für die Drogenfahndung arbeitete? War die DEA darum an ihm interessiert?

      Dasher überflog noch einmal den Polizeibericht zur Verhaftung von Allen, verglich den Zeitpunkt mit dem Protokoll der Übergabe an die Drogenfahnder. Der Junkie war kaum eine Stunde auf dem Revier gewesen. Es schien, als ob die DEA auf diesen Timothy Allen gewartet hätte, um ihn sogleich abzuholen, bevor jemand anderer ihn vernehmen konnte.

      Detective Dasher schüttelte unwillig seinen Kopf.

      »Was zum Teufel...?«, murmelte er leise vor sich hin.

      Da ist die DEA hinter einem kleinen Drogendealer her, weiß ganz offensichtlich, wo er zu finden ist, benutzt für seine Verhaftung jedoch den lokalen Polizeiapparat? Dann holen sie den Mann so rasch als möglich vom Revier ab und am nächsten Tag wird der schwule Freund dieses Kerls ermordet aufgefunden, hingerichtet von professionellen Killern?

      Luke Dasher wurde es flau im Magen.

      Eine ganze Zeit lang stierte er in Gedanken versunken vor sich hin. Seine Augen blickten stumpf, schienen nichts um sich herum wirklich bewusst wahrzunehmen. Dann schüttelte er die aufsteigende Benommenheit mit einem Kopfschütteln ab. Es war wohl doch das Beste, die Akte Publobsky ohne Ermittlungsergebnis möglichst rasch abzuschließen. Zumindest schien ihn das die klügste Lösung.

      Februar 2010

      Toni Scapia war in den letzten zwei Wochen mächtig aktiv geworden. Vom Warrington College of Business Administration hatte er fünf Studenten verpflichtet. Sie sollten ihm sämtliche Anwaltskanzleien in Delaware und Nevada ausfindig machen, die sich auf die Gründung von Briefkastenfirmen spezialisiert hatten. Den Studenten gegenüber gab er sich als freischaffenden Journalisten aus, der Recherchen für einen Hintergrundbericht über Steuerschlupflöcher sammelte. Schon eine Woche später hielt er zwei Listen in Händen. Die aus Delaware führte mehr als dreihundert Adressen auf. Dreihundert! So viele Anwaltskanzleien schienen in diesem Staat größtenteils davon zu leben, für irgendwelche Personen auf dieser Welt Briefkastenfirmen zu gründen, den Postverkehr und die Telefonate für sie zu verwalten und auch die regelmäßig anfallenden Dokumente für allerlei Ämter und Behörden auszufüllen oder weiterzuleiten.

      Diese hohe Zahl an spezialisierten Büros war ein starkes Indiz dafür, dass es solche Briefkastenfirmen nicht nur zu Hunderttausenden, sondern wohl gar zu Millionen geben musste.

      Toni ließ daraufhin als kleiner Test ein paar Scheinfirmen über einige dieser Kanzleien eröffnen. Er wollte erfahren, wie solche Gründungen abliefen und welche Informationen der Eigentümer zu diesem Zweck von sich selbst Preis geben musste. Das Ergebnis war erschütternd.

      Das Faxen einer Kopie des Führerausweises und die Überweisung von ein paar hundert Dollar über Western Union reichten völlig aus, um innerhalb weniger Tage eine Briefkastenfirma zu gründen, egal, ob in Delaware oder Nevada. Es wäre sogar noch viel schneller abgelaufen, hätte er den fälligen Betrag gleich online und mittels Kreditkarte bezahlt. Weniger als eine Stunde, wurde ihm auf seine Nachfrage hin am Telefon versprochen. Doch gerade Kreditkarten konnte man problemlos zurückverfolgen, einen gestohlenen Führerschein und den so ausgeführten anonymen Geldtransfer über Western Union dagegen nicht.

      In manchen Fällen wurden ihm von den Anwaltskanzleien für einen Aufpreis von bloß fünfzig Dollar gleich noch ein Bankkonto eröffnet. Er könne innerhalb von zwei Stunden nach Bezahlung des Betrages frei darüber verfügen.

      Mit diesem völlig sorglosen Umgang mit Firmengründungen und Bankkontoeröffnungen wurde die Geldwäscherei zu einem einfachen und risikolosen Geschäft.

      Man beschaffte sich einige gestohlene Führerscheine, eröffnete damit ein paar Dutzend Briefkastenfirmen über unterschiedliche Kanzleien, ließ kleinere Mengen Geld auf die verschiedenen Konten einzahlen, sammelte das Geld anschließend auf einem zentralen Konto ein und überwies den Gesamtbetrag an ein Unternehmen im Ausland.

      Das Steueramt besänftigte man, in dem man keinerlei Geschäftstätigkeit vorgab und den Mindestbetrag zwei Jahre lang überwies, bevor man die Firma ohne Aufsehen zu erregen auflösen ließ. Das Entdecken der Geldwäsche durch Behörden oder die Polizei war mit dieser Abwicklungsmethode praktisch ausgeschlossen oder zumindest auf einen äußerst dummen Zufall reduziert.

      Und

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