Скачать книгу

wie eine von Profis verprügelte Frau aussah. Sie hatte damals mehr als genug Anschauungsmaterial zur Verfügung.

      Gerda war aktuell für die nächsten Wahlen auf Bundesebene nominiert. Der Weg zur Bundesministerin dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein. Dadurch erschien sie fast täglich in den Medien. Natürlich würde Lehmann sie erkennen, falls er noch am Leben sein sollte.

      Ein absoluter Supergau. Für die Partei genauso wie für Gerda. In ihrer Position konnte bereits ein Verdacht, der sich nicht sofort und komplett ausräumen ließ, den erzwungenen Rücktritt bedeuten.

      Und was konnte mit den vielen sorgfältig getarnten Genossen passieren, wenn sich diese Schleusen einmal geöffnet hatten?

      Selbst wenn es sich nur um ein verschwindend kleines Restrisiko handelte: Konnte er es ignorieren? Dass auch er selbst in den Strudel geraten würde, wäre kaum zu vermeiden. Und als pensionierter Beamter im höheren Dienst bot das Leben mit gerade mal achtundsechzig Jahren Annehmlichkeiten, auf die er nur sehr ungern verzichten würde. Oder sie sogar gegen eine Zelle eintauschen.

      Es gab nur eine Lösung. Er musste sich darum kümmern. Auch wenn er damit schlafende Hunde wecken sollte.

      Ist sicher nur falscher Alarm, versuchte er, sich selbst zu beruhigen. Aber das schale Gefühl wollte nicht verschwinden. Irgendwie schien das Atmen schwieriger als sonst. Jedoch das lag wohl eher daran, dass er zu viel rauchte, schalt er sich selbst. Damit hatte Lehman ganz bestimmt nichts zu tun.

      3. Kapitel

      Die Besprechung fand am üblichen Treffpunkt statt. Ein Café, das sie früher schon genutzt hatten, als es noch zum MfS gehörte. Das hatte allerdings damals kaum jemand gewusst. Das Café hatte als stiller Ort gegolten, den man aufsuchte, wenn man sich ungestört unterhalten wollte. Dabei war jeder Tisch verwanzt gewesen und Kameras hatten alles festgehalten. Allerdings war das Material praktisch nie verwendet worden. Zumindest nicht direkt. Höchstens als Anstoß zu weiteren Nachforschungen. Der Mythos der Ungestörtheit in diesem Lokal war damals wichtiger gewesen, als die mögliche Brisanz der Informationen. Alles lange her. Die neuen Besitzer hatten keine Ahnung von früher, und die technische Einrichtung war gleich nach der Wende abgebaut worden.

      Gerteis hatte bereits zwanzig Minuten hinter einer Zeitung gesessen, als Fleischer auftauchte. „Welch ein netter Zufall“, begrüßte er lautstark seinen alten Kollegen. „Dass ich dich hier antreffe!“

      Gerteis schien wenig begeistert, zeigte jedoch auch keine Ablehnung. „Morgen, Herbert. Ich bin ab und zu hier, das weißt du doch“, stellte er nüchtern und ebenso laut, fest.

      Dass es sich hier nicht um eine Verabredung handelte, sollte spätestens jetzt jedem zufälligen Zuhörer aufgefallen sein.

      Gerteis ließ brav die Zeitung sinken. „Setz dich! Wie geht’s?“

      „Du hast doch den Bericht schon gelesen“, flüsterte Fleischer. „Was hältst du von der Sache?“

      „Könnte brisant werden!“

      „Das denke ich auch. Deshalb möchte ich, dass du dich um die Fakten kümmerst!“

      Gerteis konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. „Ganz wie früher. Du schnippst mit dem Finger und ich renne. Hast du vergessen, dass ich nicht mehr dein Untergebener bin? Ich bin im Ruhestand.“

      „Es betrifft uns beide, das ist dir wohl klar“, gab Fleischer ungerührt zurück. „Du brauchst mir nichts vorzuspielen. Du solltest eher froh sein, dass du gewarnt und einbezogen wirst.“

      Gerteis winkte ab. „Erspar mir das. Was weißt du sonst noch? Wie groß scheint dir die Möglichkeit, dass Schuppers, beziehungsweise Lehmann, noch lebt?“

      „Lehmann? Das heißt, du erinnerst dich tatsächlich an den Mann?“

      „Ja. Sein Deckname, Travertin, kommt an meinem Geburtsort vor. Ein Süßwasserkalk aus Thermalquellen, der als heller Baustoff Verwendung findet. Deshalb ist er mir im Gedächtnis geblieben. Aber Travertin wurde endgültig versiegelt. Auch daran erinnere ich mich. Einstimmig beschlossener Vorgang. Seine Loyalität wurde mehrfach in Frage gestellt. Weshalb sollte die Aktion nicht durchgeführt worden sein. Und ohne mich zu informieren. Kann ich mir wirklich nicht vorstellen.“

      „Ich halte es ebenso für ausgeschlossen. Er hatte das Zimmer bezogen. Unser Mann hat ihn dort besucht und seine Aufgabe erfüllt. Genauso wie bei seinen Einsätzen davor und danach. Wenn was schiefgegangen wäre, hätte er es selbst wieder ausgebügelt. Für uns zählte ja bloß das Ergebnis. Wie er es erreichte, überließen wir ihm!“

      „Also bleiben die Abdrücke übrig“, stellte Gerteis fest, „die angeblich nicht stimmen?“

      Fleischer nickte.

      „Wie komme ich an Infos? Über dich?“

      Fleischer nickte aufs Neue. „Ich kümmere mich um die Daten, die im System zu finden sind. Du trägst die übrigen Fakten zusammen, triffst dich mit alten Kameraden, die möglicherweise helfen können, und so weiter. Ein Bild von Lehmann wäre schon ein guter Anfang, um nach ihm zu suchen!“

      Gerteis konnte zum zweiten Mal ein Grinsen nicht unterdrücken. „Wir waren wohl zu gründlich beim Aufräumen.“

      „Ich dachte weniger an unsere Akten. Aber jemand hat diesen Lehmann gekannt und besitzt ein Foto von ihm. Wie bei jedem Menschen. Gut möglich, dass er auch Kontakt zu alten Freunden gesucht hat, als er untertauchen wollte.“

      „Dafür, dass du nicht an seine Existenz glaubst, wirkst du ziemlich überzeugend“, stellte Gerteis fest.

      „Es darf einfach nicht sein, dass er plötzlich auftaucht“, gab Fleischer zurück. „Deshalb gehen wir die Sache so an, als ob er überlebt hätte!“

      ***

      Frank Berger verfluchte den unpraktischen Klappspaten nicht zum ersten Mal. Höchstens geeignet als Geschenk für einen Kollegen, den man nicht mochte. Ein richtiges Werkzeug kam trotzdem nicht in Frage, weil man damit gleich von Anfang an auffiel. Ein großer Stein, der sich nicht bewegen ließ, verhinderte bislang seinen Erfolg. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als neben seiner ersten Grabung ein neues Loch auszuheben. Immerhin war diese Seite des Tals ruhig. Bisher wurde er nicht durch Wanderer gestört. Bei der Größe der Sondierung, die er inzwischen erreicht hatte, würden die normalen Ausreden nicht mehr helfen. Normalerweise stellte man einfach den Rucksack auf die Stelle und wartete, bis sich die Neugierigen verzogen hatten. So deutlich, wie das Signal ausgefallen war, musste es sich um ein größeres Objekt handeln. Um den Signalton für ein edles Metall herauszuhören, fehlte Frank noch die Erfahrung. Aber es schien ihm durchaus möglich.

      Eifrig stocherte er mit dem Spaten im Loch. Seine Hände brannten, die ersten Blasen machten sich bemerkbar. Im Moment störte ihn das nicht. Frank befand jetzt im Rausch des Schatzjägers. Endlich! Der Stein begann zu wackeln. Mit einer gewaltigen Anstrengung hebelte Frank ihn aus der Erde.

      Schon einige Zentimeter tiefer begann sich das Erdreich braun zu verfärben. Da, etwas Helles! Ein Knochen?

      Der Knochen entpuppte sich als länglicher Stein. Frank schüttelte den Kopf. Eigentlich wusste er doch inzwischen, dass sich Knochen in der Erde dunkel verfärbten. Immerhin ließ sich der Spaten jetzt leichter in den Untergrund schieben. Offenbar war er auf Sand gestoßen. Ein gutes Zeichen. Mit Sand wurden Gräber meistens zugeschüttet, ging ihm durch den Kopf, während er weiter schaufelte. Das Loch wuchs auf einen Meter Tiefe. Jedoch ohne, dass ein Fund auftauchte.

      Irritiert gönnte sich Frank eine Pause. Das Signal war so klar gewesen, dass er jeden Irrtum ausgeschlossen hatte. Hier musste einfach etwas liegen. Schließlich packte er die Sonde doch wieder aus. Vermutlich hatte ihm die Tiefenanzeige einen Streich gespielt. Elegant schwenkte er das Gerät im Loch, dann erstarrte er. Kein Mucks. Die Anzeige leuchtete, er hatte also nicht vergessen, das Gerät einzuschalten. Was zum Teufel …

      Als ob vor nicht mal einer halben Stunde

Скачать книгу